Small Talk mit Dr. Danja Domeier, Anwältin im Lebensmittelrecht

"Für jedes Lebens­mittel eine eigene Ver­ord­nung"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 5 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Danja Domeier, Rechtsanwältin im Lebensmittelrecht, über Heilpilze und andere Produkte, die ihre Mandanten vertreiben.

LTO: Was machen Sie beruflich? 

Dr. Danja Domeier: Ich bin Rechtsanwältin und vor allem im Lebensmittelrecht tätig. Ich berate Unternehmen der Lebensmittelbranche zu allen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung, der Herstellung, dem Import und dem Vertrieb von Lebensmitteln. Zu meinem Portfolio gehören auch die produktbezogene Compliance-Beratung sowie das Krisenmanagement und die Vertretung von Mandanten gegenüber Behörden und Gerichten in Strafverfahren, Ordnungswidrigkeitenverfahren und Verwaltungsverfahren. Außerdem übernehme ich die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen mit Verbänden oder Mitbewerbern.

Wenn ich zum Beispiel einen neuen Hanfriegel entwickeln will, kann ich damit zu Ihnen kommen? 

Ja, zunächst geht es darum, zu schauen, ob ein Produkt in einer bestimmten Zusammensetzung auf den Markt gebracht werden kann. Bei Produkten wie Hanfriegeln oder Nahrungsergänzungsmitteln sollte man sich immer die Frage stellen, ob es sich dabei noch um verkehrsfähige Lebensmittel handelt. So kann etwa bei Nahrungsergänzungsmitteln im Einzelfall die Grenze zu den zulassungspflichtigen Arzneimitteln fließend sein. Zu beachten ist auch, dass es eigentlich für jedes Lebensmittel eigene rechtliche Vorgaben gibt. So muss zum Beispiel eine Schokolade den sich aus der Kakaoverordnung ergebenden Vorgaben entsprechen, während etwa bei Fruchtsäften die aus Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung gilt.

Welche Probleme ergeben sich, wenn ein Unternehmen das Lebensmittel anschließend in den Verkehr bringen will? 

Eine große Rolle spielen die umfangreichen und produktabhängigen Kennzeichnungspflichten für Unternehmen. Auch kann man neu entwickelte und innovative Produkte nicht einfach so hier in den Verkehr bringen. Häufig wollen Mandantinnen und Mandanten auch Lebensmittel aus Drittstaaten in die Europäische Union (EU) importieren, zum Beispiel aus China. Für neuartige Lebensmittel, die vor dem Jahre 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in der EU verzehrt worden sind, gibt es die sogenannte Novel-Food-Verordnung mit genauen Regelungen. Da muss das Unternehmen aufpassen, sonst riskiert es Beanstandungen oder sogar Ordnungswidrigkeiten-(OWi) oder Strafverfahren. Ein zugelassenes "Novel Food" ist zum Beispiel der Nonisaft. Auch Chiasamen werden in der EU als neuartiges Lebensmittel eingestuft.

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"Das Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel ist eine Straftat" 

Wann wird ein Produkt beanstandet? 

Gründe für die Beanstandung eines Lebensmittels sind häufig angebliche oder tatsächliche Kennzeichnungsmängel sowie eine möglicherweise irreführende Aufmachung oder Auslobung des Produkts. Daneben kann von Behörden ebenso wie von Verbänden oder Mitbewerbern auch die Zusammensetzung des Lebensmittels beanstandet werden. Rückstände und Kontaminanten können ebenfalls Gegenstand von Beanstandungen sein. 

Im schlimmsten Fall kommt es zum Rückruf der Produkte durch die Lebensmittelüberwachungsbehörde, weil die Verbrauchergesundheit gefährdet ist.  

Wann gibt es OWi- oder Strafverfahren gegen Unternehmen? 

Hier geht es um Vorschriften aus dem nebenstrafrechtlichen Bereich in §§ 58 ff. des Lebensmittel- und Futtergesetzbuches. Es ist zum Beispiel eine Straftat, gesundheitsschädliche Lebensmittel in den Verkehr zu bringen. Reine Kennzeichnungsmängel hingegen sind grundsätzlich OWis. 

Im Lebensmittelrecht gibt es eine grobe Zweiteilung: Bei fahrlässigem Handeln des Verantwortlichen liegt meistens "nur" eine OWi vor, während bei Vorsatz in Abhängigkeit von der vorgeworfenen Tat auch eine Straftat in Betracht kommen kann. So leitet die Staatsanwaltschaft etwa ein Ermittlungsverfahren ein, wenn sie von einer vorsätzlichen Irreführung der Verbraucher:innen ausgeht. Häufig werden solche Verfahren aber nach §§ 153, 153a Strafprozessordnung eingestellt. Allerdings droht auch dann die Vermögensabschöpfung, was in den Fällen, in denen sich die irreführende Handlung auf ein konkretes Produkt bezieht, letztlich die Einziehung des mit dem Produkt erzielten Umsatzes bedeuten kann.  

"Ich habe nie zweimal dieselbe Fragestellung" 

Was mögen Sie an Ihrem Job am liebsten? 

Ich mag vor allem die Interdisziplinarität. Ich arbeite beispielsweise viel mit Naturwissenschaftlern wie Lebensmittelchemikern, Lebensmitteltechnikern und Ökotrophologen oder auch mit Marketing-Abteilungen von Unternehmen zusammen.  

Außerdem schätze ich die Vielseitigkeit meines Berufs. Ich habe nie zweimal dieselbe Fragestellung, sondern muss mich immer neu in Themen reindenken und auch kreativ sein. Meistens ist nicht die erstbeste Lösung für den Mandanten am besten, sondern man muss ein bisschen tiefer bohren. Das ist zwar immer wieder eine Herausforderung, macht aber sehr viel Spaß.  

Außerdem sind die Erfolge greifbar, wenn ich zum Beispiel das Werbeplakat, das ich freigegeben habe, sehe, oder das fertig entwickelte Produkt in den Händen halte. 

Was mögen Sie nicht? 

Mich regen Beanstandungen auf, wenn sie absolut unberechtigt sind. Denn sie setzen bei Mandanten regelmäßig eine zeit- und kostenaufwendige sowie nervenaufreibende "Maschinerie" in Gang, was man sich als Außenstehender gar nicht so vorstellen kann.  

Zu Beginn der Corona-Krise etwa hatten die Lebensmittelunternehmen aufgrund der "Hamsterkäufe" alle Hände voll zu tun, um die Regale in den Supermärkten wieder zu befüllen. Just zu der Zeit rief mich Freitag nachmittags eine Mandantin an und berichtete aufgelöst von einem Schreiben der Lebensmittelüberwachungsbehörde: Sie sollte ein Produkt zurückrufen und bekam eine Frist zur Stellungnahme bis Montagvormittag. Für uns beide war das Wochenende gelaufen. Die Beanstandung war letztlich vollkommen unberechtigt und überzogen. Das hat die Behörde auch nach der Stellungnahme am Montag gemerkt. 

Was ist Ihr Highlight des Jahres?   

Beruflich habe ich ein interessantes "Highlight"-Mandat, über das ich aufgrund meiner Verschwiegenheitspflicht aber nicht sprechen darf. 

Ein Highlight wäre es für mich, wenn die ein oder andere Veranstaltung zu lebensmittelrechtlichen Themen wieder "vor Ort" stattfinden würde und man Gleichgesinnte wieder persönlich treffen könnte. Leider ist damit in diesem Jahr noch nicht zu rechnen.  

"Ich besorge mir die Produkte immer, damit ich sie vor Augen habe" 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich auf das Lebensmittelrecht zu spezialisieren?

Letztlich war das Zufall. Ich habe im Rahmen des Examens im Jahre 1994 meinen späteren Doktorvater kennengelernt – zu dem Zeitpunkt wusste ich noch gar nicht, dass es das Lebensmittelrecht gibt. Er hielt damals einen spannenden Vortrag zum Lebensmittelstrafrecht beim Lebensmittelrechtstag. Daraufhin habe ich mich dann in das Lebensmittelrecht eingelesen und schließlich zum Thema "Gesundheitsschutz und Lebensmittelstrafrecht" promoviert.  

Dann habe ich zuerst in der Rechtsabteilung der deutschen Unilever in Hamburg gearbeitet. Es war sehr spannend, zu sehen, wie ein großer Lebensmittelkonzern funktioniert und wie Entwicklung, Marketing und Rechtsabteilung zusammenarbeiten. Aus privaten Gründen bin ich dann nach München gezogen und habe bei Noerr das Lebensmittelrecht etabliert. Seit 2004 war ich dort "Associated Partner". Zwischen 2009 und 2013 war ich als Equity-Partnerin bei Osborne Clarke tätig, bevor ich mich 2013 selbstständig gemacht habe. 

Testen Sie die Produkte Ihrer Mandantinnen und Mandanten auch? 

Früher bei Unilever war ich häufig als Testperson an der Produktentwicklung beteiligt und musste nach der Verkostung Fragen zu den Produkten beantworten. 

Abgesehen davon, dass ich Lebensmittel meiner Stamm-Mandanten auch privat bevorzugt kaufe, probiere ich Lebensmittel, die Gegenstand eines aktuellen Mandats sind, etwa dann, wenn es  um Fragen oder Beanstandungen im Zusammenhang mit der  Konsistenz oder mit dem Geschmack geht.  

In laufenden Mandaten besorge ich mir die gegenständlichen Produkte immer, damit ich sie in Farbe vor Augen habe. So kann ich besser beurteilen, ob beispielsweise die Kennzeichnungspflichten erfüllt sind. 

Was wird sich in den nächsten zehn Jahren in Ihrer Branche ändern? 

Das Lebensmittelrecht ist ohnehin einem ständigen Wandel unterworfen durch neue Rechtsvorschriften und neue Produkte. Ich könnte mir vorstellen, dass noch mehr reguliert wird, zum Beispiel bei Zucker und Alkohol. Tabak diente als Vorreiter. Vielleicht gibt es irgendwann auch eine Zuckersteuer wie in England, um den Zuckerkonsum einzuschränken. Gerade die Corona-Krise hat das möglicherweise durch die mangelnde Bewegung bei vielen und die zu erwartenden gesundheitlichen Folgen katalysiert. 

Dr. Danja Domeier ist als Rechtsanwältin seit dem Jahre 2013 in eigener Kanzlei unter "domeierlegal" in Starnberg bei München tätig. Zu Beginn ihrer Karriere war sie mehrere Jahre als Legal Advisor in der Rechtsabteilung bei Unilever in Hamburg beschäftigt. Danach war sie insgesamt neun Jahre bei Noerr in München tätig, seit 2004 als "Associated Partner", und etablierte dort das Lebensmittelrecht. 2009 wechselte sie als Equity-Partnerin zu Osborne Clarke, um dort bis zu ihrem Wechsel in die Selbstständigkeit ebenfalls den Bereich Lebensmittelrecht aufzubauen.

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