Alternativen zur klassischen Mandatsarbeit

Freund und Feind des Anwalts

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 5 Minuten
Das Leben als Anwalt war vielleicht nie einfach, aber auch selten so schwer. Der Konkurrenzdruck von etwa 160.000 Kollegen ist enorm, und als wäre das nicht genug, graben seit der Reform des RDG auch noch andere Dienstleister einen Teil des Marktes ab. Wer sich hier behaupten will, muss auf Vernetzung und Spezialisierung setzen, und offen sein für neue Ideen.

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Eine gute Nachricht vorweg: Die Absolventenzahlen des 1. und 2. Staatsexamens sind rückläufig. Bei den Zulassungszahlen neuer Anwälte ist dieser Trend zwar noch nicht angekommen, aber auch dort geht es zumindest nicht mehr so steil bergauf, wie dies noch bis zum Ende des letzten Jahrzehnts der Fall war. "Ich denke, sobald die Babyboomer-Generation das Rentenalter erreicht, wird es einen deutlichen Rückgang bei der Anwaltschaft geben. Auf das Niveau der 80er Jahre werden wir zwar nicht wieder fallen, aber die Lage dürfte sich dann spürbar entspannen", schätzt Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel von IUR•REALIS Rechtsanwälte. Das ist eine beruhigende Aussicht für alle, die in etwa zehn bis 20 Jahren ins Berufsleben einsteigen wollen. Für Anwälte, die bereits heute tätig sind, sieht die Realität jedoch anders aus. "Die Nachfrage ist in den letzten Jahrzehnten bei Weitem nicht so stark gestiegen wie das Angebot. Zudem fließen die wirklich lukrativen Mandate hauptsächlich an Großkanzleien und einige Boutiquen, bei denen aber nur ein kleiner Prozentsatz aller Anwälte beschäftigt ist. Die mehr oder minder großen Reste vom Kuchen werden dann unter den übrigen Kollegen verteilt", so Seibel. Und auch um diese gilt es zu kämpfen, denn seit der Novellierung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) im Jahre 2008 drängen von allen Seiten Akteure auf den Markt, die sich mit Rechtsberatung ein Zubrot zu ihrem eigentlichen Erwerb verdienen wollen. Dabei handelt es sich durchaus nicht nur um die Kfz-Werkstatt, die nach einem Unfall Tipps zur Schadensregulierung erteilt. "Viele Makler liefern zum Beispiel die Entwürfe für Miet- oder Grundstückskaufverträge gleich mit, und Banken beraten die Geschäftsführer von Gesellschaften, deren Vermögen sie verwalten, über Fragen der Rechtsnachfolge – möglichst natürlich so, dass das Geld bei der Bank bleibt", weiß Peter Depré von der Depré Rechtsanwalts AG.

Die richtigen Allianzen schließen

Derart von Feinden umringt, gilt es, sich die richtigen Freunde zu suchen, um einander gegenseitig möglichst viele Mandate zuzuschanzen. Eine simple Strategie dafür ist die Kooperation mit anderen Kanzleien. "Mein Schwerpunkt liegt im IT-Recht", schildert Dr. Thomas Lapp. "Falls einer meiner Mandanten dann steuerrechtlichen Rat haben will, verweise ich ihn lieber an einen Kollegen weiter, als ihm eine halbgare Antwort zu liefern; diese Ehrlichkeit kommt immer gut an. Wenn man sich die richtigen Anwälte für so eine Kooperation sucht, dann erhält man umgekehrt auch Kundschaft von denen – wenn nicht, dann ist das Modell leider eine Einbahnstraße, und man läuft sogar Gefahr, dass einem die eigenen Mandanten ganz abspenstig gemacht werden." Und nicht nur aus den eigenen Reihen können Advokaten Mandate zugespielt werden. Viele Anwälte kooperieren als Teil ihrer täglichen Arbeit mit Akteuren anderer Geschäftsfelder: Der Baurechtsexperte etwa, der Gutachten von Architekten einholt, oder der Medizinrechtler, der auf die Expertise von Pharmazeuten angewiesen ist. Wenn man diese Beziehungen pflegt, dann werfen sie auch neue Aufträge ab. "Kollegen von mir betreuen beispielsweise die rechtlichen Interessen von Personengruppen, die durch Schrottimmobilien geschädigt wurden. Auf diesem Wege kommen sie dann öfter an neue Einzelmandate", schildert Depré. Ein weiteres Kooperationsmodell erprobt derzeit Rechtsanwalt Alexander Deicke. Der Jurist und FDP-Politiker aus Ludwigsburg hat zunächst eine GmbH ins Leben gerufen, die Dienstleistungen in Bereichen wie Compliance oder Unternehmensberatung anbietet. "Das sind keine unmittelbar juristischen Aufgaben, aber wer Beratungsbedarf in diesen Feldern hat, bei dem fällt meistens auch klassische Anwaltsarbeit an", so Deicke. Diese wird indes nicht von der GmbH selbst übernommen, sondern an eine Bürogemeinschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern delegiert. "Die GmbH kann den Kunden somit gleich kompetente Juristen empfehlen. Die Anwälte kommen umgekehrt an Mandanten, die andernfalls vielleicht nicht auf sie aufmerksam geworden wären", erläutert Deicke sein Konzept.

Diplomatisch auftreten

Wenn das Geschäft trotz derartiger Bemühungen zu wünschen offen lässt, kann auch die Erweiterung des eigenen Angebots ein Schritt aus der Krise sein. So setzt eine wachsende Zahl von Anwälten ihr Verhandlungsgeschick inzwischen nicht mehr bloß im streitigen Verfahren, sondern zusätzlich in der Rolle als Mediator zu Gunsten beider Parteien ein. Wer eine entsprechende Fortbildung absolviert, der darf sich die schmuck klingende Bezeichnung aufs Kanzleischild schreiben, und künftig in vermittelnder Rolle tätig werden. "Zwar soll der Anwalt ohnehin auf eine gütliche Einigung hinwirken. In seiner klassischen Rolle ist er aber trotzdem nur für eine Partei tätig und hat primär deren Interessen im Sinn. Als Mediator hingegen wird man von beiden Seiten gemeinsam beauftragt, um die Gespräche zu leiten und auf eine Lösung hinzuarbeiten, mit der beide leben können. Da sind ein höheres Einfühlungsvermögen und bessere Zuhörerfähigkeiten gefragt, als bei der normalen Arbeit. Aber wer das leisten kann, der erschließt sich neue Kunden, die von Anfang an eher auf die Vermeidung eines Rechtsstreits, als auf ein gerichtliches Obsiegen aus sind", so Lapp.

Prozesse optimieren

Eine weitere Nische, in der noch reales Wachstum stattfindet, meint Arne Zeidler von Zeidler Legal Services entdeckt zu haben. Seine Kanzlei unterstützt Anbieter von Investmentfonds bei der Registrierung ihrer Produkte in anderen Ländern. Doch viel interessanter als das, was sie tut, ist die Art und Weise, wie sie es tut: Auf Grundlage eines festen Ablaufplans nämlich, standardisiert und weitgehend automatisiert. Zeidler selbst beschreibt den Ansatz folgendermaßen: "Wenn Sie zum ersten Mal die Registrierung eines Fonds bearbeiten, ist das kompliziert und viel Arbeit. Beim fünfzigsten Mal können Sie es dann auswendig. Trotzdem werden solche Mandate üblicherweise so behandelt und vor allem abgerechnet, als müsse das Rad jedes Mal aufs Neue erfunden werden. Indem wir die nötigen Schritte in einem stark computergestützten Organisationsplan niederlegen, können wir die gleiche Leistung deutlich schneller und billiger anbieten, als dies im konventionellen Kanzleiwesen der Fall ist." Aber ist eine derartige Herangehensweise nicht notwendig auf einige, wenige Sektoren beschränkt? Zeidler ist vom Gegenteil überzeugt: "Ich glaube sogar, dass es nur sehr wenige Rechtsbereiche gibt, die einer Standardisierung nicht zugänglich sind. Dass wir damit heute am Markt noch Exoten sind, liegt am Selbstbild der Anwaltschaft, die nicht zugeben will, dass vieles von dem, was sie tut, letztlich nach Schema F abläuft. Aber das wird sich ändern. Wer ein Produkt oder eine Dienstleistung bei gleich hoher Qualität am schnellsten und günstigsten liefern kann, der setzt sich durch – das ist überall in der Wirtschaft so, da bildet die Rechtsberatung keine Ausnahme." Ob IT-basierte Frameworks zur rechtlichen Problemlösung die klassische Mandatsarbeit in einigen Jahr(zehnt)en wirklich weitgehend ersetzt haben werden, mag die Zukunft zeigen. Eins beweisen Geschäftsmodelle wie das von Zeidler Legal aber schon heute: Wer frische Ideen mitbringt und engagiert umsetzt, der kann seine Nische finden und sich in dieser behaupten – auch gegen 160.000 Kollegen.

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