Der Anwalt für die Familie von morgen

Mehr als Vater-Mutter-Kind

von Johanna Strohm, LL.M., M.A.Lesedauer: 5 Minuten
Nichts ist so vielfältig wie die Beziehungen der Menschen zu einander, und nie zuvor waren sie so vielfältig wie heute. Die Ehe verliert zusehends an Bedeutung, zugleich werden Familien immer bunter und Partnerschaften internationaler. Welche Veränderungen das für das Familienrecht bedeutet, und wie man sich als Anwalt darauf vorbereiten kann, ergründet Johanna Strohm.

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Das Familienrecht ist ein umfangreiches Rechtsgebiet mit zahlreichen, detaillierten und komplexen Regelungen zu den Rechtsverhältnissen der durch Ehe, Lebenspartnerschaft, Familie und Verwandtschaft mit einander verbundenen Personen. Eine Definition des zentralen Begriffs Familie enthält es jedoch nicht – vielleicht ein Glücksfall, denn schon heute müssen von der traditionellen Kleinfamilie, über die Patchwork-Familie bis hin zur Regebogenfamilie verschiedenste Erscheinungsformen darunter Platz finden. Diese zunehmende Pluralisierung und Individualisierung der familiären Lebensformen stellt den Gesetzgeber vor Herausforderungen, die er bislang nicht vollständig gemeistert hat. Auch grenzüberschreitende Fragestellungen nehmen zu, und obwohl bereits erste Schritte in Richtung zusätzlicher Rechtssicherheit und -klarheit unternommen wurden, bestehen für Ehepaare und Familien mit bi- oder multinationalem Hintergrund weiterhin Hindernisse, die es abzubauen gilt.

Partnerschaft auf Zeit statt Ehe?

Die Schwierigkeiten kommen nicht von ungefähr. Als das vierte Buch des BGB geschaffen wurde, war die Ehe zwischen Mann und Frau die übliche, ja quasi selbstverständliche Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens. Heute hingegen verliert sie stetig weiter an Bedeutung. Statistiken zeigen, dass die Zahl der Hochzeiten seit den sechziger Jahren stark rückläufig ist; junge Menschen heiraten später und vor allem seltener. Gleichzeitig gewinnen alternative Entwürfe an Bedeutung: Die nichteheliche Lebensgemeinschaft etwa, das Leben als Alleinerziehender und Alleinwohnender, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft oder die Fernbeziehung. Damit stellt sich automatisch die Frage, inwieweit in solchen Modellen die selben rechtlichen Grundlagen herangezogen werden können, die zwischen Eheleuten gelten. Die Rechtsfragen dieser unterschiedlichen Formen des Zusammen- und Außeinanderlebens müssen geklärt, neue Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften im Bereich von Vermögens-, Sorge und Erbrecht geschaffen werden. Doch wo einerseits heterosexuelle Partner immer seltener den Bund der Ehe eingehen, wäre es für gleichgeschlechtliche Paare bereits ein erheblicher Fortschritt, wenn ihnen diese Möglichkeit überhaupt offen stünde. Bislang sind sie auf die Eingetragene Lebensgemeinschaft verwiesen, die der Ehe zwar in vielen Punkten nachgebildet ist, jedoch in den Bereichen des Beamten-, Adoptions- und weiten Teilen des Steuerrechts noch erhebliche Unterschiede aufweist. Bestärkt durch die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsrechts ist, abhängig von den Mehrheitsverhältnissen nach der Bundestagswahl im September, jedoch mit einer sukzessiven Angleichung an die klassische Ehe zu rechnen. Prof. Dr. Gerhard Hohloch, Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht an der Universität Freiburg, sieht die Möglichkeit  einer weiteren Alternative zur Ehe: "Das für die junge Generation in Frankreich attraktiv gewordene Modell des 'pactes civiles de solidarité' kann auch in Deutschland eine Rolle spielen." Der 'pactes civil' ist ein der Ehe ähnlicher Vertrag zweier Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts, den in der Regel das Amtsgericht bestätigt. Er kann jedoch einseitig mit einer Frist von drei Monaten aufgelöst werden, und begründet keine Unterhaltspflichten für die Parteien.

Familie ohne Grenzen

Die Menschen schließen sich nicht nur außerhalb der traditionellen Familie zu neuen Lebensformen zusammen, sondern sie werden auch immer mobiler. Zum einen steigt so die Zahl der Ehen, nichtehelichen Verbindungen und Familien mit Kindern, in denen einer oder beide Partner nicht Deutsche sind, zum anderen leben immer mehr deutsche Staatsangehörige außerhalb der Bundesrepublik. Dadurch ergeben sich neue Rechtsprobleme, da ein supranationales einheitliches Familienrecht nicht existiert. Ein solches ist auch für die Zukunft nicht zu erwarten, da gerade das Familienrecht von gewachsenen und tief in der Bevölkerung verwurzelten Rechtstraditionen geprägt ist. "Der Lösungsweg, im Bereich der EU und deren Mitgliedstaat Deutschland das Internationale Verfahrensrecht und das Internationale Privatrecht in den wesentlichen Sektoren des Familienrechts durch Verordnungen zu vergemeinschaften, hat erste Erfolge zu verzeichnen", erklärt Professor Hohloch. Damit erhalten die erfassten Bereiche eine kollisionsrechtliche und verfahrensrechtliche Einheit. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist unlängst erfolgt: Deutschland und Frankreich haben einen gemeinsamen Güterstand auf den Weg gebracht, der seit dem 01. Mai 2013 frei gewählt werden kann. Für den Rechtsraum jenseits der EU wird man in Zukunft wohl verstärkt auf mehrseitige Abkommen setzen müssen. Neben dem eine brisante Sondersituation regelnden Staatsvertrag zum "Kindesentführungsabkommen" gibt es zum Beispiel schon die "Haager Kinderschutzkonvention" sowie mehrere, den Unterhalt betreffende Abkommen.

Bereit für die Zukunft

Durch die ständig wachsende Mobilität und Internationalisierung werden familienrechtliche Mandate mit Auslandsbezug auch außerhalb der Großstädte stark zunehmen. "Am besten begegnet man den damit verbundenen europarechtlichen und internationalen Fragestellungen durch regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Lehrgängen und Praxisseminaren", rät RAin Eva Becker, Fachanwältin für Familienrecht und Vorsitzende der AG Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins. Darüber hinaus ist auch das Erlernen von Fremdsprachen und, gerade für Anwälte in kleineren Organisationsstrukturen, eine Vernetzung mit nationalen und internationalen Kollegen hilfreich. Auf solche Maßnahmen kann es durchaus ankommen, denn der familienrechtliche Arbeitsmarkt ist von einem starken Wettbewerb gekennzeichnet, mit einem hohen Anteil an Einzelanwälten und kleineren Kanzleien. Die Fachanwälte für Familienrecht stellen nach jenen für Arbeitsrecht die zweitgrößte Fachanwaltsgruppe innerhalb der deutschen Anwaltschaft. Natürlich wird auch der familienrechtliche Anwalt der Zukunft auf die sich ständig weiterentwickelnde Technik im Bereich Kommunikation und Kanzleimanagement setzen müssen. Gleichzeitig muss er jedoch den besonderen Umständen seiner Beratungstätigkeit Rechnung tragen. Dies betont auch Rechtsanwalt Jens Christian Göke, LL.M.: "Der Mandant wendet sich aus einem zumeist schwierigen persönlichen Schicksal heraus an den Anwalt. Gerade in diesen oft hochemotionalen Situationen ist eine enge persönliche Bindung zwischen Anwalt und Mandant besonders wichtig. Auch wenn Familienkonflikte sich häufig in gewissen Mustern wiederholen, ist jedes Mandat ein Einzelfall. Eine Delegation auf Dritte oder eine Schematisierung des Bearbeitungsprozesses ist daher in der Regel nur wenig bis gar nicht möglich", so Göke. Der Rechtsanwalt hat jedoch gute Erfahrungen mit der Kontaktaufnahme von Mandanten über das Internet und via Skype gemacht: "Dies ist ein hervorragendes Kommunikationsmittel, welches sich von der Klangqualität und dem Erleben des Gegenüber dem persönlichen Mandantengespräch annähert und daher geeignet ist, den persönlichen Erstkontakt zu ersetzen."

Der Anwalt bleibt für Familien unersetzlich

So sieht sie also aus, die Familie der Zukunft: bunt, vielschichtig und komplex. Entsprechend schwierig wird es sein, Regelungen bezüglich Unterhalt, Umgang und Vermögen zu treffen. Die demographische Entwicklung in Deutschland wird nicht nur die Altersstruktur der Gesellschaft verändern, sondern auch die familienrechtlichen Fragestellungen weiter beeinflussen. So wird nicht mehr nur der Kindesunterhalt, sondern vermehrt auch der Elternunterhalt von Bedeutung sein. Doch wie auch immer die Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung genau verlaufen wird, RAin Eva Becker ist sich sicher, "Anwälte und ihr persönlicher Rat werden gerade in familienrechtlichen Fällen immer gebraucht werden."

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