Der erste Job

Zehn ­Tipps für den Arbeits­ver­trag

von Tanja PodolskiLesedauer: 6 Minuten

Selbst Juristen vergessen bei ihren eigenen Verträgen gelegentlich, dass auch bei ihrer Anstellung viele Aspekte verhandelbar sind. Wir haben Tipps von Praktikern für Euren ersten Arbeitsvertrag zusammengestellt.

Was man im Job ist: Die Tätigkeitsbeschreibung 

In der Praxis wird die Tätigkeitsbeschreibung, also als "was" eine Person angestellt wird, kaum diskutiert – immerhin sind schon die Stellenausschreibungen mit einer konkreten Berufsbezeichnung überschrieben. "XY wird als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin angestellt", ist also durchaus eine typische Formulierung. 

"Weite Tätigkeitsbeschreibungen erlauben den Einsatz der Mitarbeiter auf vielen Arbeitsplätzen, was gerade in Krisenzeiten hilfreich sein kann", sagt Tobias Neufeld, Partner bei Arqis Rechtsanwälte. Und weiter: "Zugleich erschweren sie betriebsbedingte Kündigungen, denn die Person ist ja auf vielen Arbeitsplätzen (auch solchen die nicht wegfallen) einsetzbar."  

In Zeiten immer spezifischerer und neuer Rollen gehe der Trend allerdings weg vom Allgemeinen (Rechtsanwalt/Rechtsanwältin), so Neufeld, die Benennung überlegen sich allerdings die Arbeitgebenden: "Es wird dann so umgesetzt wie der Arbeitsvertrag das vorgibt, Verhandlungen dazu erlebe ich nicht.“

Money, money, money: Das Gehalt 

Das Gehalt von Berufseinsteigenden kann in der Großkanzlei sehr hoch sein – bis zu 160.000 Euro bezahlen Kanzleien wie Milbank oder Kirkland & Ellis. Bei kleineren Einheiten liegt es jedoch auch mal bei 40.000 Euro – und liegt damit dann auch mal unter dem monatlichen Durchschnittsgehalt von in Vollzeit Beschäftigten in Deutschland, das im Jahr 2020 ca. 47.700 Euro betrug. Von einem solch geringen Gehalt aus hohe Sprünge zu machen, ist regelmäßig nur über einen Jobwechsel zu erreichen. Schon das Einstiegsgehalt muss daher zufriedenstellend sein. 

Dr. Hans-Hermann Aldenhoff, Country Head Germany und Leiter der Praxisgruppe Dispute Resolution in der Kanzlei Simmons & Simmons, rät allen: "Legen Sie Ihre Scheu ab. Eine harte Verhandlung in eigener Sache ist die beste Visitenkarte für einen zukünftigen Partner bzw. die künftige Partnerin." Er sei immer wieder überrascht, dass beim Autokauf auf den letzten Cent gefeilscht werde, bei der eigenen Gehaltsforderung aber falsche Scham an der Tagesordnung sei. 

Er rät: "Man sollte aktiv nach Benefits fragen, das wirkt weniger fordernd als der bloße Hinweis auf das Gehalt und ist oft sogar steuerlich attraktiver. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: Von der Subventionierung der KiTa bis zum Lastenfahrrad ist alles möglich."

Wo man wohnen möchte: Der Arbeitsort  

Der Arbeitsort ist Hamburg – oder Berlin, Frankfurt, Düsseldorf. Ein kurzer Satz ist gängig in Arbeitsverträgen. "Die Regelungen zum Arbeitsort beschreiben oftmals nur den aktuellen Zustand", erklärt Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. In der Regel wolle sich ein Unternehmen hier nicht festlegen.  

Es gebe auch kein Recht auf eine Tätigkeit nur in großen und attraktiven Städten. Berlin oder Bitterfeld – das kann bei betrieblichen Gründen das Unternehmen festlegen. "Daher", so erklärt es Fachanwalt Fuhlrott, "lassen gängige Klauseln eine räumliche Veränderung zu, wie es das gesetzlich geregelte Direktionsrecht auch ermöglicht".  

Wer übrigens unbedingt im Homeoffice arbeiten wolle, sollte darauf achten, dass ein entsprechendes Recht darauf schon an dieser Stelle in den Vertrag aufgenommen wird, rät Fuhlrott.

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Von sonstwo arbeiten: Das Homeoffice 

Die Pandemie hat gezeigt, dass es geht: Das Arbeiten von anderen Orten als dem Schreibtisch an der Arbeitsstätte. Dennoch: "Klauseln über die Möglichkeit zur Mobilen Arbeit, sei es remote Working oder das Homeoffice - sind bislang noch eine Seltenheit", sagt Jörn Kuhn, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Oppenhoff & Partner, deren Fachbereich Arbeitsrecht er leitet. 

Dieses liege zum einen darin, dass mit einer schriftlichen Vereinbarung aus Sicht des Arbeitgebers das Risiko entsteht, dass ein Telearbeitsplatz (iSv § 2 Abs. 7 der Arbeitsschutzverordnung) vereinbart wird. Zum anderen bringe der Beruf etwa als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin ohnehin Abwesenheiten von einem Büroarbeitsplatz bspw. bei Gerichts- oder Mandantentermin mit sich.  

Kuhn rät daher: "Wenn der zukünftige Arbeitgeber das Thema von sich aus nicht anspricht, sollten Bewerberinnen und Bewerber daher eher im Bewerbungsgespräch explizit nachfragen, ob es entsprechenden Policies / Handhabungen gibt."

Wo bleibt die Zeit? Mehrarbeit und Überstunden  

Wer bei Kirkland & Ellis oder Sullivan & Cromwell mit einem Einstiegsgehalt von 160.000 Euro im ersten Berufsjahr startet, wird womöglich nicht auf die Idee kommen, ein Excel-Sheet über Mehrarbeit oder Überstunden zu führen. Doch das ist ja nicht der Normallfall.  

Üblich ist folgende Klausel im Arbeitsvertrag: "Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Mehrarbeit ist bis zu 20 Prozent mit dem Gehalt abgegolten." "Wer den Arbeitsvertrag mit dieser Klausel unterschreibt, muss mit der Zusatzarbeit leben, ohne dass diese vergütet oder in Freizeit ausgeglichen wird", erklärt Simmons-Partner Dr. Hans-Hermann Aldenhoff. Solche Formulierungen seien rechtswirksam, nur eine pauschale Abgeltung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon lange für unwirksam erklärt (BAG, Urt. v. 22.02. 2012, Az. 5 AZR 765/10). 

Aber: Derartige Klauseln sind verhandelbar. Doch womöglich könnten Berufseinsteiger sich vor ihrer Bewerbung überlegen, dass sie ab einer gewissen Gehaltsstruktur auch Lebenszeit für viel Geld verkaufen. In großen internationalen Kanzleien sollte sich der Berufseinsteiger zudem nichts vormachen: "Das Einfordern von Überstundenausgleich etc. halte ich für kontraindiziert", sagt Aldenhoff, "Das kann den Eindruck mangelnder Leistungsbereitschaft vermitteln und auf Unverständnis stoßen." Allerdings, so der Partner weiter: "Spätestens, wenn man sich bewiesen hat, ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ohnehin gut beraten, auf Ausgewogenheit zu achten."

Kaum verhandelbar: Anzahl der Urlaubstage  

Über die Anzahl der Urlaubstage lässt sich in der Praxis der größeren Kanzleien nicht verhandeln: Die sind in Unternehmen einheitlich vorgegeben, da ist der "Betriebsfrieden" das entscheidende Stichwort. Solltet Ihr Euch aber für eine Stelle als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt in einer Kanzlei interessieren, so lohnt sich der Check, wie viele Urlaubstage die Kanzlei anbietet. Im Rheinland etwa sind zusätzliche freie Tage für die Brauchtumspflege durchaus möglich.  

"Verhandeln ließe sich bei den Modulen Sabbatical oder Urlaub", stellt Tobias Neufeld, Partner bei Arqis, klar, "aber selbst da gibt es kaum Luft, weil die Kanzleien ja alle Anwälte und Anwältinnen grundsätzlich gleich behandeln". Das gelte vor allem, weil die wesentlichen Arbeitsbedingungen markttransparent sind.

Wenn es wichtig ist: Fortbildungen festlegen 

"Fortbildungen werden immer wichtiger. Arbeitgeber sind daran interessiert, dass sich die Beschäftigten weiterbilden", sagt Rechtsanwalt Michael Fuhlrott. Gerade im juristischen Bereich gehörten Berufsexamen wie der Fachanwalt vielmals zum guten Ton.  

"Genaue Festlegungen scheuen Unternehmen gleichwohl und belassen es oftmals bei Absichtserklärungen. Wem eine bestimmte Fortbildung wichtig ist, sollte daher auf klare Regelungen drängen", rät der Anwalt.  

Handele es sich um eine zeit- oder kostenintensive Fortbildung, die durch den Arbeitgeber gefördert werden soll, würden viele Unternehmen eine gesonderte Fortbildungsvereinbarung mit einer Rückzahlungsklausel vereinbaren wollen – das sei auch üblich. "Das Unternehmen zahlt dann den Aufwand", erklärt Fuhrott, der Arbeitnehmer verpflichte sich im Gegenzug dazu, für einen bestimmten Zeitraum nach Absolvierung der Fortbildung keine Kündigung auszusprechen.

Die Extra-Auszeit: das Sabbatical 

Wer es schafft, sich ein Sabbatical, also eine unbezahlte Freistellung, in den Arbeitsvertrag schreiben zu lassen, ist Verhandlungsprofi, denn ein Anspruch auf ein Sabbatical, sprich unbezahlten Urlaub bzw. eine unbezahlte Freistellung besteht grundsätzlich nicht. "Üblicherweise werden solche Regelungen daher auch nicht in den Arbeitsvertrag aufgenommen, sondern im laufenden Arbeitsverhältnis nach einiger Zeit verhandelt", erklärt Fuhlrott.  

Wem eine solche Regelung besonders wichtig ist, etwa weil er in einem Jahr eine viermonatige Südamerika-Reise plant, sollte dies aber bereits bei Vertragsbeginn ansprechen und in den Vertrag aufnehmen. "Im Bewerbungsgespräch lassen sich derartige Wünsche bisweilen einfacher durchsetzen als im laufenden Arbeitsverhältnis", weiß Fuhlrott. Alternativ könne man dazu natürlich auch die Elternzeit nutzen und mit Partner und Kind auf eine Reise gehen – der Anspruch auf Freistellung wegen Elternzeit ist gesetzlich vorgesehen.  

Zudem haben einige Großkanzleien unbezahlte Auszeiten vom Job bereits vorgesehen.

Unwirksame Klausel: Stillschweigen über das Gehalt  

Ein echter Klassiker in Arbeitsverträgen ist dieser Satz: "Über die Höhe des Gehaltes ist Stillschweigen zu bewahren." Klauseln, die zu einer Verschwiegenheit über die Gehaltshöhe verpflichten, seien jedoch unwirksam, erklärt Jörg Kuhn, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Oppenhoff & Partner, "weil sie die Beschäftigten unangemessen benachteiligen". Nach der Rechtsprechung müsse es Beschäftigten schließlich möglich sein, ihr Gehalt mit dem von Kolleg:innen zu vergleichen, um etwaige Benachteiligungen zu ermitteln.  

Allerdings: "Einen Schwerpunkt in Vertragsgesprächen stellt die Klausel häufig nicht dar", sagt Kuhn, "da viele Sozietäten die Gehälter der Associate nach außen transparent machen. Manch ein Arbeitgeber mag hierzu aber eine andere Einschätzung haben und das Gehalt als Betriebsgeheimnis betrachten. Umso heftiger könnte dann eine Reaktion sein, wenn der Bewerber Gehälter öffentlich macht".

Darf es etwas mehr sein? Die Bonuszahlungen 

In größeren Kanzleien sind Bonusregelungen in aller Regel nicht verhandelbar. "Gehälter sind ebenso transparent wie die Systematik der Vergütungssysteme", erklärt Rechtsanwalt Tobias Neufeld von Arqis. Da ließen sich kaum größere oder alternative Bonusanteile hineinverhandeln.  

Oft sei die Beteiligung am Bonussystem in größeren Kanzleien ohnehin nicht von Beginn des Arbeitsverhältnisses an vorgesehen, sondern erst ab einer bestimmten Ausbildungsstufe, dem Managing Associate oder Senior Associate. "Leistungsstarke Associates haben jedoch häufiger den Wunsch, früher als vorgesehen im Bonussystem mitzumachen oder ein Einstufungsjahr zu überspringen, insbesondere, wenn sie früh eine hohe Stundenleistung erbringen", sagt Neufeld. Da die Bonusvereinbarungen regelmäßig den Erfolg der eigenen unternehmerischen Aktivität honorieren soll, werde in größeren Kanzleien auf so einen Wunsch durchaus eingegangen.  

Urlaubs- oder Weihnachtsgeld hingegen hat der in der Regel für Arbeitgebende tätige Anwalt Neufeld hingegen in modernen Unternehmen und Kanzleien "noch nie gesehen". So etwas liege "mehr im Tariflichen".

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