BGH zum Verlust der Anwaltszulassung

Wer klamm ist und spät dran, ris­kiert seinen Job

von Martin W. HuffLesedauer: 4 Minuten
Wenn Rechtsanwälte ihre Zulassung verlieren, liegt das häufig am so genannten Vermögensverfall. Die Betreffenden sind dann nicht mehr in der Lage, ihre Außenstände zu begleichen. Nach der BRAO-Novelle von 2009 hat der BGH jetzt klargestellt, welcher Zeitpunkt insoweit maßgeblich ist. Verzögerungstaktiken erteilen die Richter dabei eine deutliche Absage, meint Martin W. Huff.

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Der Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt nach den Vorschriften des § 14 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) bedeutet für den betroffenen Rechtsanwalt meist das berufliche Aus. Denn das Auftreten als Rechtsanwalt ist ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Widerrufsentscheidung untersagt und steht dann unter anderem als Missbrauch von Titeln unter Strafe (§ 132 a Strafgesetzbuch). Auf der anderen Seite greift der Zulassungswiderruf auch massiv in die Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) ein. Die zuständige Rechtsanwaltskammer ist deshalb verpflichtet, die Maßnahme sorgfältig vorzubereiten und alle Aspekte zu berücksichtigen. Dabei müssen die Interessen der rechtssuchenden Bevölkerung auf der einen Seite und die Arbeitsmöglichkeit als Anwalt auf der anderen Seite abgewogen werden.

Stellungnahmen künftig nur noch bis Schluss des Kammer-Verfahrens möglich

Das Verfahren zum Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfall ( § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) ist mehrstufig. Es beginnt bei den Kammern damit, dass Erkenntnisse über finanzielle Probleme vorliegen; sodann werden Eintragungen aus den Schuldnerverzeichnissen gesammelt und Informationen über offene Forderungen zusammengetragen. Sprechen diese dafür, dass der Anwalt seine Forderungen nicht mehr wird begleichen können, wird er zur Stellungnahme aufgefordert. Darin muss und sollte er dezidiert zu allen Forderungen Stellung nehmen. Anscheinend aber nehmen betroffene Anwälte dies nicht so ernst und verweigern geradezu die Zusammenarbeit - wohl in der Hoffnung,  gegen einen Widerruf der Zulassung Rechtsmittel beim zuständigen Anwaltsgerichtshof und auch dem Bundesgerichtshof (BGH) einlegen zu können können und so Zeit gewinnen zu gewinnen. Stellungnahmen gehen somit oft erst kurz vor der Verhandlung beim BGH ein. Diesem "Prinzip Hoffnung" haben die Karlsruher Richter mit ihrem Beschluss vom 29. Juni 2011 eine klare Absage erteilt und ihre bisherige Rechtsprechung geändert (AnwZ (Brfg) 11/10). Kam es danach bei der Prüfung eines möglichen Vermögensverfalls auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, hat der BGH jetzt den Zeitpunkt deutlich nach vorne verlegt: Entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs  ist jetzt allein der Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Verfahrens, also in der Regel auf den Ausspruch des Widerrufsbescheid  durch die zuständige Rechtsanwaltskammer. Die Richter begründen dies mit der Umstellung des berufsrechtlichen Verfahrens von den Grundsätzen des Verfahrens nach dem Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) auf das Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung durch die BRAO-Novelle von 2009, die zum 1. September 2009 in Kraft getreten war. Nach den Grundsätzen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei es jetzt Aufgabe der Gerichte, die konkrete Maßnahme - anders als im FGG-Verfahren --zu überprüfen. Daher, so der BGH, kommt es alleine auf den Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung oder eines in einigen Bundesländern noch vorhandenen Widerspruchsverfahrens an. Es helfe nicht mehr, im gerichtlichen Verfahren vorzubringen, dass jetzt alle Schulden bereinigt seien. Der Widerruf der Zulassung bleibe dann bestehen. Die Richter verweisen auf die Möglichkeit, dass der Anwalt nach Bereinigung seiner Schulden wieder die Zulassung neu beantragen kann.

Mandanten  müssen ihrem Anwalt Vertrauen können

Die Richter sehen darin auch keinen Eingriff in die Berufsfreiheit: Ein ehemaliger Rechtsanwalt könne jederzeit, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, seine erneute Zulassung zur Anwaltschaft beantragen. Sofern die Schulden bereinigt sind, müsse diese dann auch erteilt werden. "Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering", meinen die Richter des Anwaltssenats, dem auch Rechtsanwälte angehören. In der Praxis wird diese Entscheidung erhebliche Bedeutung haben. Rechtsanwälte müssen jetzt sofort reagieren, wenn sie von der Rechtsanwaltskammer wegen ihrer Vermögensverhältnisse angeschrieben werden. Ist die Zulassung widerrufen, ist mit der anwaltlichen Tätigkeit erst einmal Schluss - gerade dann, wenn der Sofortvollzug angeordnet wird. Ein Gerichtsverfahren ist nur noch dann sinnvoll, wenn die Anwaltskammer von falschen Annahmen über die Vermögenssituation ausgegangen ist. Verzögerungstaktiken helfen den Betreffenden künftig kein Stück weiter. Im Ergebnis hat der BGH mehr Klarheit auch für den Rechtsverkehr gebracht. Für die Rechtspflege ist es notwendig, dass der Mandant Vertrauen in seinen Anwalt haben kann; auch, dass er mit Mandantengelder ordentlich umgeht. Ein insolventer Anwalt ist daher ein Problem. Dieses wird in Zukunft wohl schneller gelöst werden können. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er hat bereits zahlreiche Veröffentlichungen zu berufsrechtlichen Themen verfasst.
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