BMJV plant Änderungen für Anwälte

Von A wie Aus­bil­dung bis Z wie Zustel­lung

von Pia LorenzLesedauer: 5 Minuten
Noch in diesem Jahr könnten Anwälte gesetzlich verpflichtet werden, sich bis zu 40 Stunden jährlich fortzubilden. Berufsanfänger sollen Berufsrecht lernen. Und die Zustellung von Anwalt zu Anwalt soll wieder möglich werden.

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Selbst für Eingeweihte war der Umfang der Vorschläge des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in der vergangenen Woche überraschend: Auf insgesamt 249 Seiten präsentiert der Referentenentwurf aus dem Hause von Heiko Maas (SPD) Reformen für die Rechts- und Patentanwälte. Ein großer Wurf will der Vorschlag, der derzeit Verbänden und Interessenvertretern zur Stellungnahme vorliegt, nicht sein. Eher eine Sammlung zahlreicher kleinerer Änderungen, die europäische Vorgaben umsetzen. Dementsprechend geht das Papier auch nicht auf die aktuell wohl spannendste Frage im anwaltlichen Berufsrecht ein:  Die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, auf welche nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur gemeinsamen Berufsausübung mit Patentanwälten und Ärzten mit Spannung gewartet wird. Viele Vorschläge aus dem BMJV sind nicht neu, bieten aber pragmatische und unprätentiöse Lösungen für diverse praktische Probleme an. Neben einer passiven Nutzungspflicht für das besondere elektronischen Anwaltspostfachs ab 2018 will das Ministerium die vom Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2015 abgelehnte Satzungskompetenz für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt (wieder) herstellen. Die lange abgelehnte Fortbildungspflicht für alle Advokaten, also nicht nur für Fachanwälte, scheint näher zu rücken und Berufsanfänger will das BMJV verpflichten, spätestens ein Jahr nach ihrer Zulassung Veranstaltungen zum Berufsrecht zu besuchen.

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Satzungskompetenz: die Anwaltszustellung kommt zurück

Die Satzungsversammlung darf künftig in der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) regeln, dass Anwälte verpflichtet sind, Zustellungen anzunehmen, auch wenn sie der Gegenseite dadurch zu Lasten des eigenen Mandanten die Wahrung einer Frist ermöglichen. Der Entwurf reagiert mit dieser Erweiterung der Satzungskompetenz in § 59 Abs. 2 Nr. 8 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auf eine Entscheidung, mit der der BGH im vergangenen Oktober für Aufsehen gesorgt hatte. Er lehnte eine Annahmeverpflichtung unter Anwälten ab, weil die Satzungsversammlung besondere Pflichten bei der Zustellung nur für Schreiben von Gerichten und Behörden, nicht aber von anderen Anwälten festlegen könne.  Man darf damit rechnen, dass die bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) angesiedelte Satzungsversammlung die langjährig als gegeben vorausgesetzte Verpflichtung zur Annahme von Zustellungen auch unter Anwälten wieder herstellen wird.

Anwaltsfortbildung – 40 Stunden jährlich?

Ausweiten will das Papier die Satzungskompetenz auch auf ein anderes Thema, das seit langen Jahren immer wieder auf der rechtspolitischen Agenda steht: die Fortbildungspflicht für sämtliche Anwälte. Fachanwälte müssen schon heute die Teilnahme an jährlich 15 Stunden theoretischer Fortbildung nachweisen, um ihren Titel führen zu dürfen, für "normale" Anwälte konnte sich eine Fortbildungspflicht jedoch bis heute nicht durchsetzen. Künftig soll die Unterlassung einer in der Berufsordnung vorgeschriebenen Fortbildung mit bis zu 2.000 Euro sanktioniert werden können. Die BRAK, welche die Forderung der Satzungsversammlung nach einer Fortbildungspflicht seit jeher unterstützt, und der Deutsche Anwaltverein begrüßten die nun geplante Erweiterung der Kompetenz der Satzungsversammlung. Nach Angaben von Nicolas Lührig vom Deutschen Anwaltverein (DAV) hat diese sich bereits am vergangenen Montag für das liberale Fortbildungsmodell ausgesprochen, nach dem jeder Anwalt über die Art und Weise der Fortbildung frei bestimmen können soll.  40 Stunden pro Jahr wolle die Satzungsversammlung  vorschlagen, Nachweise sollten aber nur für zehn Stunden vorgelegt werden müssen; für die übrigen 30 sollten Zeit, Art und Umfang schriftlich dokumentiert werden.  Stephan Göcken, Geschäftsführer der BRAK, geht davon aus, dass die Satzungsversammlung voraussichtlich noch im Herbst dieses Jahres konkrete Vorschläge vorlegen wird.

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2/2: Berufsrecht als Zulassungsvoraussetzung

Früher dürfte selbst der für die Schnelligkeit seiner Gesetzgebungsvorhaben bekannte Heiko Maas eine Verabschiedung des Gesetzes nicht bewerkstelligen können, auch wenn er wohl noch vor der Sommerpause den Entwurf verabschieden will. Die Verbände können bis zum 24. Juni Stellung nehmen; man darf vermuten, dass zumindest die BRAK, bei der die regionalen Anwaltskammern und die Fachausschüsse votieren, diese Frist auch ausschöpfen wird.* Bis dahin können auch Berufsanfänger noch Anwalt werden, ohne sich mit dem Berufsrecht ihrer Zunft beschäftigen zu müssen. Es ist nicht Inhalt der allgemein ausgelegten juristischen Ausbildung, auch im sich anschließenden Referendariat gibt es nur die pauschale und zudem in den Ländern unterschiedlich ausgestaltete Vorgabe, dass den jungen Juristen Kenntnisse des Berufsrechts (irgendwie) vermittelt werden müssten. Ein Manko, das u.a. Prof. Dr.  Mathias Kilian, Anwaltsrechtler an der Universität zu Köln, seit langem beklagt. Der Entwurf will das ändern und fügt in § 8 BRAO eine Pflicht zur Teilnahme an Veranstaltungen über mindestens zehn Stunden Berufsrecht vor der (Erst-)Zulassung, spätestens aber ein Jahr danach ein. Diese Regelung, die der Deutsche Anwaltverein (DAV) im vergangenen Jahr dem Ministerium vorgeschlagen hatte, begrüßt auch Stephan Göcken uneingeschränkt: "Über konkrete Umsetzungsmöglichkeiten wird die BRAK sich intern noch abstimmen", so der Geschäftsführer der BRAK gegenüber LTO.

Leichteres Tätigwerden im Inland für ausländische Rechtsdienstleister

Das gilt weniger für die vorgesehenen Änderungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), mit denen das BMJV ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) betreffend Steuerberater in Deutschland umsetzen will. Der Entwurf definiert den Anwendungsbereich des RDG ein, dessen § 15 der Vorschrift für Steuerberater (§ 3a StBG) entspricht, über welche der EuGH zu entscheiden hatte. Künftig soll nicht mehr schon die Versendung eines Schreibens nach Deutschland  zur Anwendbarkeit des RDG (und den darin vorgesehenen Beschränkungen) führen. Vielmehr sollen ausländische Rechtsdienstleister, um den Vorgaben aus Luxemburg gerecht zu werden, vorübergehend und gelegentlich im Inland tätig werden können. Der BRAK ist das ein Dorn im Auge. Geschäftsführer Göcken fürchtet, dass insbesondere ausländische Rechtsschutzversicherer die deutschen Vorschriften zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen umgehen könnten.

Mandatsgeheimnis: Zeugnisverweigerungsrechte für Dienstleister und Sozietäts-Kollegen

Zeugnisverweigerungsrechte und korrespondierende Beschlagnahmeverbote soll es künftig nicht mehr nur für angestellte Berufshelfer des Anwalts geben, sondern für alle am Mandat mitwirkenden Personen. Das macht zum Beispiel das Outsourcing von Dienstleistungen möglich, passt aber das anwaltliche Mandatsgeheimnis als Grundlage des Vertrauensverhältnisses von Mandanten zu ihrem Anwalt auch an neue Möglichkeiten gemeinschaftlicher Berufsausübung an. Schließlich sollen die Vorstände der regionalen Anwaltskammern künftig per Briefwahl, statt wie bislang durch die Kammerversammlung, gewählt werden können. Das soll eine stärkere demokratische Legitimation der Verbandsvertreter gewährleisten. Zu einer höheren Wahlbeteiligung könnte es führen, dass die Wahl der Verbandsvertreter nach dem Entwurf auch auf elektronischem Weg erfolgen können soll. *Absatz klarstellend formuliert am Tag der Veröffentlichung des Artikels um 11:03 Uhr.

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