OLG-Präsident zur E-Akte

"Ein gra­vie­render Schritt, ein Jahr­tau­send-Umbruch"

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Die Justiz steht vor einer großen Herausforderung: Bis 2026 soll in Strafverfahren die elektronische Aktenführung verbindlich eingeführt werden. Der Präsident des Thüringischen OLG, Stefan Kaufmann, beschreibt, was auf die Gerichte zukommt.

Der Präsident des Thüringischen Oberlandesgerichts (OLG), Stefan Kaufmann, sieht in der Einführung elektronischer Akten für die Justiz einen "Jahrtausend-Umbruch". Für den Strafprozess soll der elektronische Rechtsverkehr ab 2026 Pflicht sein. "Er wird mit enormen Kosten verbunden sein, aber einen großen Effizienz-Gewinn bringen", sagte Kaufmann im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Frage: Nach dem Willen des Bundesgesetzgebers sollen elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Aktenführung in der Justiz künftig zum Alltag gehören. Macht Ihnen die Einführung Angst? Kaufmann: Vor mehr als 20 Jahren wurde der Computer in der Justiz eingeführt. Das hat viele Schritte vereinfacht. Heute gehört er auch hier zur selbstverständlichen Ausstattung eines Arbeitsplatzes. Aber die Aktenbearbeitung ist im Prinzip so geblieben, wie sie Goethe noch vom Reichsgericht her kannte. Die Einführung der elektronischen Akte in allen Bereichen der Justiz ist ein gravierender Schritt, ein Jahrtausend-Umbruch. Ältere Mitarbeiter und Richter werden sich damit sicher schwerer tun als die Generation, die mit elektronischen Medien aufgewachsen ist. Angst macht mir die elektronische Akte nicht. Frage: Der Richter der Zukunft wird sich also auch in einem Strafprozess nicht mehr durch Aktenberge aus Papier quälen müssen? Kaufmann: So wird es wohl kommen. Er wird nur noch Bildschirme und Tablets im Sitzungssaal haben und sich die entsprechenden Aktenseiten darauf ansehen und elektronisch mit ihnen arbeiten. Am Ende wird durch den Medienwechsel ein hoher Effizienz-Gewinn stehen, da bin ich mir sicher. Trotzdem darf man die Augen vor Problemen nicht verschließen.

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"Server dürfen nicht von Exekutive betrieben werden"

Frage: Welche Probleme sehen Sie? Kaufmann: Vor der verbindlichen Einführung der elektronischen Akte muss eine geeignete technische Infrastruktur mit Sicherheitsstandards geschaffen werden, um zum Beispiel Datenmissbrauch oder -verlust auszuschließen. Außerdem müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen klar festgelegt sein. Frage: Was heißt das im Klartext? Kaufmann: Zum Beispiel dürfen die Daten der Judikative nicht auf einem Server gespeichert werden, den auch die Exekutive betreibt, um erst gar nicht den Verdacht eines unbefugten Zugriffs aufkommen zu lassen. Auch wenn die Server in der Praxis vom Landesrechenzentrum betrieben werden müssen. Außerdem hat die Sicherung der elektronischen Akten auf zwei örtlich voneinander getrennten Rechnern zu erfolgen, die meinetwegen in Jena und Erfurt stehen können, damit beim Ausfall eines Sicherungsmediums die Daten nicht verloren sind. Frage: Und wie sieht es mit dem Thema Akteneinsicht aus? Kaufmann: Sie ist im elektronischen Rechtsverkehr mit der Anwaltschaft sicher weitgehend unproblematisch. Ein Mausklick reicht zur Weiterleitung für den Lesezugriff. Es gibt aber auch Verfahren, in denen eine Streitpartei selbst als sogenannte Naturalpartei auftreten kann. Hier kann ich mir die Akteneinsicht über justizeigene Gerichtsterminals vorstellen.

Allein in Thüringen geschätzte Investitionskosten von rund 11,8 Millionen Euro

Frage: Welche Kosten kommen denn mit Einführung der E-Akte auf das Land Thüringen zu? Kaufmann: Das wird mit enormen Kosten verbunden sein. Was Zahlen angeht, so kann ich allerdings nur auf die Kostenschätzungen verweisen, die im Auftrag der Bund-Länder-Kommission erstellt wurden. Da ist für Thüringen allein von Investitionskosten in Höhe von rund 11,8 Millionen Euro die Rede. Frage: Wagen Sie einmal eine Prognose: Wird die Thüringer Justiz in Zukunft ohne Papier auskommen? Kaufmann: Das wird sicher auch nach 2026 so schnell nicht der Fall sein. Aber es wird erheblich weniger Papier geben. Ich prognostiziere mal, dass dann nur noch höchstens fünf bis zehn Prozent der Schriftsätze in Papierform eingehen und vom Gericht versandt werden. dpa/una/LTO-Redaktion

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