Mandatsgeheimnis und Zugriff auf Mails

E-Mail für… mich?

von Henning ZanderLesedauer: 4 Minuten
Der Kollege ist im Urlaub – und genau in diesem Augenblick benötigt die Kanzlei Einblick in die Korrespondenz mit einem Mandanten. Was tun? Wie ist der rechtliche Rahmen? Und welche technischen Lösungen gibt es?

Den Überblick über E-Mails zu behalten ist für die Arbeit von Kanzleien essentiell. "Unsere Partner haben natürlich ein hohes Interesse daran, dass unsere Mandanten bedient werden", sagt Ernst Brückner, Rechtsanwalt und Geschäftsführer bei Buse Heberer Fromm. E-Mails auch im Urlaub zu checken ist selbstverständlich. Darüber hinaus haben alle Sekretariate ständig Zugriff auf die Accounts. Denn zu spät oder gar nicht entdeckte E-Mails sind eine potenzielle Fehler- und Haftungsquelle in Kanzleien. Gerade im Vertretungsfall muss sichergestellt sein, dass die elektronische Post nicht unter den Tisch fällt.

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E-Mails als Haftungsfalle

Stephan Hansen-Oest ist Fachanwalt für IT-Recht. Die Mandanten wollen eine schnelle Reaktion auf die zahlreichen Mails, die täglich bei ihm eingehen – als Einzelkämpfer checkt er sein Postfach auch unterwegs. "Natürlich erhält man als Rechtsanwalt auch rechtsverbindliche E-Mails. Willenserklärungen werden übermittelt, Fristen gesetzt – diese Mails müssen eingesehen werden, sonst steht man in der Haftung." Die Probleme fangen mit dem Spam-Ordner an. Denn die Sortierung kann noch so gut sein – es wird immer die eine oder andere Nachricht geben, die kein Spam ist und dennoch dort landet. Einmal am Tag sollte man hier also hinein schauen. Vorausgesetzt, man hat beim Account nicht eingestellt, dass Spam automatisch gelöscht wird. Wer soweit geht, hat schnell das erste Haftungsproblem, wenn eine wichtige Nachricht irrtümlich unter die Räder kommt. Sofern tatsächlich alle Mails gespeichert werden, geht es um den Zugriff. Wer, außer dem Rechtsanwalt, den der Mandant mit seiner Angelegenheit betraut hat, darf auch noch auf den Account zugreifen? Im Regelfall muss ein Mandant davon ausgehen – und es ist auch in seinem Interesse –, dass innerhalb einer Sozietät dafür gesorgt wird, dass er weiterhin in seiner Angelegenheit betreut wird, auch wenn einer der Anwälte krank oder im Urlaub ist. Schließlich kann es immer wichtige Fristen oder Schreiben der Gegenseite geben, auf die reagiert werden muss. Wenn Mandant und Rechtsanwalt jedoch ein gutes Verhältnis aufgebaut haben, ist es eine Frage der vertrauensvollen Zusammenarbeit, dass der Mandant darüber ausdrücklich informiert wird, dass innerhalb der Kanzlei mehrere Personen Zugriff auf seine E-Mail Korrespondenz haben.

Bürogemeinschaften sind ein Sonderfall

Anders ist es in einer Bürogemeinschaft. "Wenn die Rechtsanwälte sich tatsächlich nur Infrastruktur und Büroräume teilen, also keine gemeinsame Sozietät besteht, muss eine klare Trennung der Mandantendaten vorgenommen werden", sagt Rechtsanwalt Hansen-Oest. Sonst drohe eine Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht. Das gilt auch für den Fall, dass einfach die Mandanten-E-Mail von den Bürokollegen gelesen und bearbeitet wird. Hier gilt: Rechtsanwälte können zum einen auf die Vertretung in ihren Mandatsbedingungen hinweisen, darüber hinaus sollten sie aber auch die ausdrückliche Einwilligung des Mandanten einholen, dass er mit einer Vertretung einverstanden ist, um auf Nummer sicher zu gehen. Aus der Sicht des Mandanten sind damit alle Eventualitäten geklärt. Doch nicht aus Sicht des bearbeitenden Rechtsanwaltes. Ist er einer von mehreren Anwälten in einer Kanzlei, und hat mit seinen Kollegen oder Vorgesetzten keine Absprachen darüber getroffen, was in seinem Urlaub mit den Mails passiert, ist die Meinungslage geteilt, ob auch ohne seine Zustimmung die E-Mails von dritten gelesen werden dürfen. Wenn eine private Nutzung nicht erlaubt ist, wird allgemein davon ausgegangen, dass der Account geöffnet werden darf.

Sind private E-Mails erlaubt, wird es kompliziert

Sind auch private E-Mails erlaubt, gehen Literatur und Rechtsprechung zum Teil davon aus, dass das Telekommunikationsgesetz (TKG) hindernd eingreift. Denn nicht nur klassische Telefon- oder Internetanbieter seien vom TKG erfasst, sondern auch betriebliche Kommunikationsanlagen. Folgt man dieser Linie, darf ein Unternehmen, also ggf. auch eine Kanzlei, ohne Einwilligung nur noch in Sonderfällen auf den Account zugreifen – zum Beispiel dann, wenn das Kommunikationssystem sonst durch Viren gefährdet wäre. Nach Zielsetzung des Gesetzes wird aber auch argumentiert, dass Mitarbeiter in Unternehmen eben nicht vom TKG erfasst werden sollen. Das gilt auch für eine Kanzlei, deren Funktionsfähigkeit davon abhängt, dass alle eingehenden Dokumente eingesehen und bearbeitet werden, auch wenn Rechtsanwälte krank oder im Urlaub sind. Dafür spricht auch die Eigenschaft von Kanzleien als Haftungsgemeinschaften. Einfacher ist die Lage, wenn die Rechtsanwälte von vornherein einwilligen, dass auch Dritte den Account einsehen dürfen. "Das wäre zweckmäßig", sagt Stephan Hansen-Oest. "Es wird wahrscheinlich bei den Kollegen auf wenig Gegenliebe stoßen, wenn sich der einzelne Rechtsanwalt quer stellt und sich weigert."

Alternativen für den internen Austausch

Für den internen Austausch ist die Kanzlei Buse Heberer Fromm inzwischen auf das Enterprise-Social-Network Coyo umgestiegen. Mit dem System können alle Mitarbeiter der Kanzlei Gruppen eröffnen, Kollegen zum Austausch einladen und an gemeinsamen Projekten arbeiten. Der Vorteil: Massen-E-Mails mit endlosen CC-Schleifen werden weniger. Und die Kanzlei, die auf mehrere Standorte in Deutschland verteilt ist, rückt über das Medium zusammen. Nur eines wird über das System nicht organisiert: Mandate und Mandanten-Informationen. "Hier haben wir aus Sicherheitsgründen eine Grenze gezogen", sagt Geschäftsführer Ernst Brückner. Im Austausch mit Mandanten bleibt also bis auf Weiteres die E-Mail die wichtigste Form der digitalen Kommunikation. 

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