Bewerbung bei Großkanzleien

Die Note ent­scheidet (nicht immer)

von Timo ConrathsLesedauer: 5 Minuten

Bei einer Großkanzlei zu arbeiten ist der Traum zahlreicher Nachwuchsjuristen. Entsprechend viele Mythen ranken sich um die Bewerbung: Allein die Noten beider Staatsexamina zählten. Prädikate müssten es selbstverständlich sein. Dazu noch ein LL.M. und ein Doktortitel. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Interessenten sollten sich vorher informieren.

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An Nina Schweneke kommt niemand vorbei. Zumindest nicht, wer sich bei Hogan Lovells um eine Stelle bewirbt. Die Personalerin ist bei der Großkanzlei das, was bei einer Diskothek der Türsteher ist. Egal ob Associate, wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Praktikant, ob Düsseldorf, München oder Hamburg. Wer bei einem der fünf deutschen Standorte von Hogan Lovells arbeiten will, muss seine Bewerbung zunächst an die zentrale Personalabteilung in Düsseldorf schicken. An Nina Schweneke und ihr Team. Sie treffen  dann die Entscheidung, wer in die engere Auswahl kommt und sich am jeweiligen Standort vorstellen darf.

Und wie ein Türsteher hat auch Nina Schweneke bestimmte Vorgaben, die sie bei der Auswahl beachten muss. Zum Glück, wie sie findet. Denn bei 2.500 Bewerbungen im Jahr ist es nicht immer einfach, den passenden Kandidaten zu finden.

Ihre wichtigste Vorgabe: die Note. Im ersten Staatsexamen sollten Kandidaten mindestens ein "vollbefriedigend" erzielt haben. Nur wer zusätzlich noch einen LL.M. oder einen Doktortitel aufweisen kann, bekommt auch mit acht Punkten die Chance auf ein Bewerbungsgespräch. Für das zweite Examen gilt das Gleiche. Insgesamt – also nach erstem und zweitem Examen – sollte man aber mindestens 18 Punkte vorweisen können. Diese Messlatte muss die Personalerin bei allen Bewerbern anlegen, ganz gleich ob sie schon einmal bei Hogan Lovells gearbeitet haben oder nicht.

Formale Einheitlichkeit – Persönliche Individualität

So kann es sogar vorkommen, dass sie Kandidaten abweisen muss, die sich zwar zuvor im Rahmen einer Mitarbeit bei Hogan Lovells sehr gut angestellt, jedoch die nötige Punktzahl im Examen nicht erreicht haben. "Wir empfehlen diesen Bewerbern dann immer, den Verbesserungsversuch wahrzunehmen, denn wenn dieser mit entsprechender Punktzahl erfolgt, dann kann eine Einstellung unter Umständen ja klappen." Für ungerecht hält sie das nicht. "Ganz im Gegenteil", sagt Schweneke. "Unsere Einstellungspolitik macht den Prozess erst gerecht."

Die Logik dahinter ist simpel: Gerechtigkeit durch Transparenz. Denn nur wenn für alle der gleiche Maßstab gilt, könnten sich Associates und Partner sicher sein, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die die gleichen Kriterien erfüllt haben wie sie selbst und ein ähnliches Leistungsethos mitbringen. Für Nina Schweneke macht das Sinn: "So können wir eine gewisse Homogenität durch die formalen Anforderungskriterien beibehalten, während wir explizit nach Individuen mit 'Ecken und Kanten' auf der persönlichen Ebene suchen."

Zudem hätten Bewerber mit guten Noten im Examen gezeigt, dass sie belastungsfähig sind und unter Zeitdruck gute Ergebnisse liefern  können. "Aber: Die Noten sind nur 'Türöffner' zum persönlichen Gespräch", betont Schweneke. "Persönlichkeit, Integration in die Teamstruktur, Begeisterungsfähigkeit für den Beruf und nicht zuletzt die Chemie, die zwischen Bewerber und Partnern stimmen muss, entscheiden über ein Angebot."

Bewerbern rät Nina Schweneke daher, kurz anzurufen und bereits vorab zu klären, ob eine Bewerbung überhaupt Sinn macht. "Ein kurzes Gespräch vorab klärt offene Fragen auf persönlichem Weg und vermeidet Missverständnisse."

"Die Mischung muss stimmen"

Dass es aber auch anders geht, zeigt das Beispiel der britischen Großkanzlei SJ Berwin. Maren Peters und Christian Cornett kümmern sich am Standort Frankfurt am Main um alle Bewerbungen im Raum Deutschland. "Etwa 500 sind das pro Jahr", meint Peters. "Davon werden gut 25 Prozent der Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen." Auf die Frage hin, worauf die Kanzlei bei den Bewerbung achte, muss Christian Cornett nicht lange nachdenken: "Wenn eine Bewerbung bei uns reinkommt, interessieren uns vier Punkte."

Zwar meint der Jurist damit nicht die Examensnote. Dennoch lässt sein Satz durchblicken, dass die Ergebnisse der Staatsexamina bei SJ Berwin nur ein Kriterium unter vielen – genauer: unter vieren – sind. "Für mich zeigt die Examensnote lediglich, dass die Bewerber ein Mindestmaß an fachlicher Kompetenz mitbringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger" Daher möchte er bei Bewerbern grundsätzlich 18, mindestens aber 15 Punkte aus beiden Examina sehen. Auch bei den Einzelnoten sei er flexibel.

Dafür achtet er bei Bewerbern auf drei weitere Punkte: Zunächst sei die Persönlichkeit der Kandidaten wichtig. Christian Cornett und Maren Peters wollen bei SJ Berwin von Anfang an eine gewisse Persönlichkeitsstruktur aufbauen. Kandidaten müssen sich daher gut in das Team integrieren. „Die Mischung muss stimmen“, meint Cornett. "Was helfen die besten Examensnoten, wenn die Person einfach nicht ins Team passt?"

Ferner sollten Bewerber kaufmännische Kompetenz aufweisen können, und zwar noch mehr als Inhouse-Juristen. Denn Anwaltskanzleien seien heutzutage mehr und mehr auch Wirtschaftsunternehmen, deren Kurs die Partner und die Associates durch ihre Entscheidungen entscheidend beeinflussen. Schließlich müsse die Chemie zwischen Bewerbern und der Kanzlei einfach passen. Der optimale Kandidat sei zwar selbstbewusst, aber kein Ellbogenmann.

Alle drei Punkte seien geeignet, den vierten Faktor Note ein wenig abzuschwächen. Zu empfehlen sei daher, sich frühzeitig bei SJ Berwin bekannt zu machen, ganz gleich, ob durch Praktikum, Referendariat oder wissenschaftliche Mitarbeit. "Von den etwa 15 Neueinstellungen pro Jahr haben zehn bereits auf irgendeiner Weise bei uns gearbeitet", so Cornett.

Die Note lügt nicht

Die Maßstäbe, die Großkanzleien bei Bewerbungen anlegen, können also unterschiedlich sein. Dass die Note dennoch nie unwichtig bleiben wird, ist für Nina Schweneke eine Eigenart der Juristenbranche. Vor ihrer Zeit bei Hogan Lovells war sie in der Personalabteilung einer Bank für das Recruitment von IT-Spezialisten zuständig. "Dort war das völlig anders. Es wurde lediglich geschaut, ob überhaupt ein Hochschulabschluss vorhanden war, die Note interessierte aber nicht. Viel wichtiger war Berufserfahrung."

Im Jurabereich bewahrheite sich jedoch regelmäßig, dass diejenigen mit guten Noten auch die geeigneteren Juristen für eine Großkanzlei sind. Zumindest habe das die Erfahrung der Partner gezeigt.

Ähnlich sieht das auch Christian Cornett. Seiner Meinung nach sei das deutsche Staatsexamen so aufgebaut, dass es nicht nur Wissen sondern gleichzeitig eine ganz bestimmte Arbeitsweise abprüfe. "Im Staatsexamen müssen sich die Kandidaten schnell in Sachverhalte einarbeiten und mit angeeignetem Wissen in kurzer Zeit brauchbare Lösungen entwickeln. Und die Ergebnisse projezieren die juristischen Fähigkeiten des Kandidaten relativ gut."

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