Sabbaticals für Associates

Ein Jahr in vier Wochen

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 4 Minuten

Sechs Jahre sollst du arbeiten, im siebten sollst du ruhen. So war's mal gedacht. Von der biblischen Idee des Sabbatjahrs ist im Alltag der Großkanzleien nicht viel übrig geblieben. Aber immerhin: Es gibt sie, die Sabbaticals, und hier und da werden sie inzwischen auch für Associates angeboten. Augenwischerei oder echtes Zugeständnis an die Generation Y? Wir haben nachgefragt.

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"Die Zeiten, in denen Associates regelmäßig halbe oder ganze Nächte durchgearbeitet und sich damit noch gebrüstet haben sind vorbei", da ist sich Dr. Alexander Schwarz, Partner bei Gleiss Lutz, sicher. Ob die aktuellen Bewerber bei der Kanzlei bereits mustergültige Repräsentanten der vielbeschworenen Generation Y sind, oder eher so etwas wie die Vorhut im Generationenwandel, vermag er zwar nicht zu sagen. Fest steht aber, dass den jungen Damen und Herren, deren Lebensläufe und Anschreiben bei ihm eintrudeln, im Bewerbungsgespräch immer häufiger Begriffe wie Freizeit, Feierabend und Urlaub über die Lippen gehen.

Um den sich wandelnden Erwartungen der Associates zu entsprechen, bieten Großkanzleien verschiedene Lösungen wie Teilzeit, Arbeit aus dem Home Office oder Betreuungsmodelle für Kinder an, wobei diese Angebote bislang eher punktuell beansprucht und gewährt werden. Doch wo die einen nach einer Reduzierung der täglichen Arbeitslast lechzen, schwebt den anderen ein großes Abenteuer vor, für das sie wenigstens einen vollen Monat Freizeit benötigen: Eine Weltumsegelung zum Beispiel, eine Trekkingtour quer durch den Amazonas, oder auch, nicht ganz so abenteuerlich, der letzte Feinschliff an der Doktorarbeit.

Eher Sonderurlaub als Sabbatjahr

Da man den gesamten Jahresurlaub nur ungern auf einen Schlag opfern möchte und oftmals auch Hemmungen bestehen, mehr als zwei bis drei Wochen am Stück freizunehmen, sind sogenannte Sabbaticals eine Alternative.

Der Begriff leitet sich vom christlichen Sabbatjahr ab und ist in seiner neuzeitlichen Prägung zunächst an amerikanischen Universitäten entstanden als Pendant zum deutschen Forschungssemester.

Doch das Sabbatical ist längst auch in der Privatwirtschaft angekommen, wo es in unterschiedlichen zeitlichen und finanziellen Zuschnitten auftaucht. In der einen oder anderen Form wird es von den meisten Großkanzleien angeboten. Es ist dann aber keineswegs mehr ein Jahr lang, sondern in der Praxis oftmals wenige Wochen kurz. Im Grunde wäre daher "(un)bezahlter Sonderurlaub" eine treffendere Bezeichnung. Außerdem können in den meisten Fällen erst Partner ein Sabbatical nehmen.

Vier Großkanzleien bieten das Associate-Sabbatical in Deutschland an

Eine Ausnahme sind da in Deutschland Freshfields Bruckhaus Deringer, Clifford Chance, Hengeler Mueller und ab dem kommenden Jahr auch Gleiss Lutz. Im Detail gestalten die Kanzleien das Sabbatical durchaus anders aus. So kann man bei Hengeler bis zu drei Monate freinehmen, bei den anderen Kanzleien jedoch nur jeweils einen. Eine Kombination mit dem Jahresurlaub ist bei allen möglich.

Grundsätzlich steht das Angebot allen Associates offen, Bedingung ist lediglich die terminliche Absprache mit den zuständigen Partnern und eine gewisse Dauer der Betriebszugehörigkeit. Bei Clifford, Hengeler und Gleiss beträgt diese mindestens zwei, bei Freshfields fünf volle Jahre. Außerdem bietet Gleiss Lutz als einzige Kanzlei ein zweites Sabbatical an – nach dem fünften Jahr. Bei der Konkurrenz kommt dies erst wieder ab Counsel- oder Partnerebene in Betracht, wobei den Associates in Einzelfällen eine zweite, unbezahlte Freistellung gewährt werden kann.

Auch in finanzieller Hinsicht gibt es durchaus Unterschiede. So erhalten Associates bei Freshfields und Gleiss während des Sabbaticals weiterhin ihren vollen Lohn, bei Clifford hingegen nur 30 Prozent und bei Hengeler nicht einmal diese. Doch für die traditionell gut bezahlten Großkanzleianwälte dürfte Freizeit ohnehin die kostbarere Währung sein.

Sabbaticals nicht nur auf dem Papier

Begründen müssen die Anwälte ihren Wunsch nach einem Sabbatical zumindest offiziell nicht. "Wir wollen keine Atmosphäre erzeugen, in der Associates glauben, sie dürften ein Sabbatical nur für eine berufliche Weiterqualifizierung nehmen. Es ist absolut nicht ehrenrührig, einfach einmal längere Zeit frei haben zu wollen", erläutert Dr. Daniela Favoccia, Co-Managing Partnerin bei Hengeler Mueller.

Auch Dr. Alexander Glos von Freshfields und Wolf Kahles von Clifford erklären übereinstimmend: "Es kam immer wieder vor, dass Associates den Wunsch geäußert haben, mal eine richtig lange Reise unternehmen oder ein privates Projekt vorantreiben zu können. Genau dazu wollten wir ihnen die Möglichkeit bieten."

Eine Möglichkeit übrigens, die, gemäß der Angaben der Kanzleien, durchaus genutzt wird, und zwar in einem geradezu verblüffend ähnlichen Ausmaß. Denn sowohl Hengeler, als auch Clifford und Freshfields geben an, dass etwa 20 Prozent ihrer anspruchsberechtigten Associates bisher ein Sabbatical genommen hätten.

Stellt man in Rechnung, dass es das Associate-Sabbatical bei Clifford erst seit 2009, bei Freshfields seit Mitte 2011 und bei Hengeler seit Anfang 2012 gibt, so ist das eine durchaus beachtliche Quote. Zudem gab es bei allen Kanzleien auch schon vor Einführung eines offiziellen Sabbatical-Programms die Möglichkeit (unbezahlter) Freistellungen für Associates – dann jedoch ohne formellen Rahmen, sondern aufgrund individueller Absprachen.

Eine andere Frage ist freilich, ob derartige Angebote ausreichend sind, um den Ansprüchen junger Juristen an eine ausgewogene Work-Life-Balance gerecht zu werden. Eine vierwöchige Auszeit alle fünf bis sieben Jahre ist sicher ein nettes Angebot, zugleich aber kaum geeignet, Bewerber anzulocken, die ein grundsätzliches Problem mit der täglichen Arbeitslast im Großkanzleibetrieb haben.

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