Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Home-Office

Des Nachts auf der Kel­ler­t­reppe

Gastbeitrag von Dr. Sarah Reinhardt-KasperekLesedauer: 4 Minuten

Wer nachts auf der Kellertreppe stürzt muss gut begründen können, warum das noch zur Arbeit im Homeoffice gehörte. Allein mit Verweis auf einen ungewöhnlichen Arbeitsort lässt sich ein Versicherungsschutz aber nicht abweisen, erklärt Sarah Reinhardt-Kasperek.

Die Zahl der Arbeitnehmer, die zumindest teilweise aus dem Homeoffice tätig sein möchten, steigt seit Jahren. Wer diese Möglichkeit als Arbeitgeber nicht schafft, wird bei Arbeitnehmern wohl kaum mehr als ein müdes Lächeln ernten – und sicherlich keine Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag. Der Trend geht so weit, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) an einem Gesetzentwurf zum Homeoffice für Beschäftigte arbeitet, mit dem ihnen das Recht auf Arbeit im Homeoffice eingeräumt wird.

Viele Aspekte der Beschäftigung in den heimischen Räumlichkeiten sind allerdings unklar, und das gilt insbesondere auch für den Unfallversicherungsschutz. Bisher stellte das Bundessozialgericht (BSG) dazu vorrangig darauf ab, wo sich der Ort des Unfallgeschehens befand und wie häufig der Unfallort betrieblich oder privat genutzt wurde. Dies führte zu Problemen bei der Frage, ob dieser Ort "wesentlich betrieblichen Zwecken" dient, denn nur in diesem Fall unterfiel der Arbeitnehmer dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Arbeitet der Arbeitnehmer beispielsweise im Sommer lieber auf seiner Terrasse am Laptop und sucht sich im Winter mit seinem Laptop ein warmes Plätzchen am Kamin, so gäbe es bei einem alleinigen Abstellen auf den Ort niemals eine "wesentliche betriebliche Nutzung" und somit keinen Unfallversicherungsschutz im Home-Office.

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In den Keller für Weinflasche oder Druckerpapier?

Kürzlich hatte das BSG die Gelegenheit, in zwei Verfahren zum Versicherungsschutz bei der Arbeit im Homeoffice Stellung zu beziehen und damit seine bereits 2017 geänderte Rechtsprechung (vgl. bereits Urt. v. 31.08.2017, Az. B 2 U 9/16 R) zu bestärken. Nach der BSG-Rechtsprechung greift der Unfallversicherungsschutz auch auf Betriebswegen, z.B. Kellertreppen, in privat genutzten Räumen, wenn der Versicherte diese im Unfallzeitpunkt genutzt hat, um einer Tätigkeit aus seinem Arbeitsvertrag nachzukommen. Mit seiner Rechtsprechung reagiert das BSG auf die Probleme der digitalen Arbeitswelt und des mobilen Arbeitens im Home-Office. Abgestellt wird nunmehr vorrangig auf die sogenannte subjektive Handlungstendenz, also ob der Arbeitnehmer im Unfallzeitpunkt den Willen hatte, eine arbeitsvertragliche Tätigkeit zu erfüllen. Der Versicherungsschutz im Home-Office wurde damit ausgeweitet.

In dem einen der kürzlich entschiedenen Fälle (Urt. v. 28.11.2018, Az. B 2 U 28/17 R) wohnte die Klägerin in einem "Haus im Haus" - von der Diele im Erdgeschoss führte eine Treppe in das Kellergeschoss, dort befand sich das Home-Office sowie ein Lagerraum für Arbeitsmaterialien. Die Klägerin stürzte beim Hinabsteigen der Kellertreppe auf dem Weg in ihr Büro, wo sie aufgrund einer Anweisung den Geschäftsführer telefonieren wollte.

In dem weiteren Verfahren (Urt. v. 28.11.2018, Az. B 2 U 8/17 R) wohnte der Kläger im fünften Obergeschoss eines sechsstöckigen Familienhauses; im ersten Stock befanden sich die Geschäftsräume und im Kellergeschoss die Serveranlage sowie das Archiv des Arbeitgebers. Alle Stockwerke sind über ein gemeinsames Treppenhaus verbunden. Auf einem der Wege vom Serverraum im Keller zum Büro im ersten OG stürzte der Kläger nachts gegen 01:30 Uhr auf der Haustreppe.

Unfall zur Kernarbeitszeit

Im ersten Fall hatte das BSG keine Zweifel daran, dass die Klägerin einer arbeitsvertraglichen Anweisung nachgehen wollte und auch die objektiven Umstände wie Zeitpunkt und Ort des Unfallgeschehens stützen diese Auffassung. Im zweiten Fall wies das BSG an das Landessozialgericht (LSG) zurück. Dieses müsse noch prüfen, ob auch die objektiven Umstände dafür sprechen, dass der Kläger nachts um 01:30 Uhr aus dem Kellergeschoss kommend die Haustreppe zum 1. OG benutzen wollte, um die Installation eines größeren Softwareupdates in seiner Firma zu überwachen und gerade nicht, um in seine private Wohnung im 5. OG zu gehen. Insbesondere müsse auch der Zeitpunkt des Unfalls vom LSG näher betrachtet werden.

Wenn nunmehr zunächst geprüft wird, ob der Arbeitnehmer den Willen hatte, arbeitsvertraglich tätig zu sein, kann auch dies zu Schwierigkeiten führen. Denn im häuslichen Bereich werden auch die Beweisführung hinsichtlich des subjektiven Willens und die entsprechende Überprüfung der Angaben des Klägers Probleme bieten: Hatte der Arbeitnehmer auf dem Weg in den Keller nur die Absicht hatte, eine Flasche Wein für das Abendessen zu holen (dann ist der Versicherungsschutz zu verneinen) oder wollte er Druckerpapier zum Ausdruck einer geschäftlichen E-Mail holen (dann besteht Versicherungsschutz)?

Diese Schwierigkeiten löst das BSG allerdings, indem es als zusätzliche Indizien die bisher geltenden Kriterien ergänzend heranzieht. So prüft es insbesondere auch, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer den Unfall erlitten hat. Dies bedeutet, dass in Zweifelsfällen ein Unfall, der beispielsweise während der Kernarbeitszeiten geschieht, wohl dem Versicherungsschutz unterliegt. Den im Beispiel angesprochenen nächtlichen Gang in den Keller (Weinflasche oder Druckerpapier?) wird der Versicherte weiter begründen müssen.

Nur auf dem Weg stürzen, nicht auf dem Klo

Das BSG nimmt mit beiden Urteilen eine eher versichertenfreundliche Auffassung ein. In der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt, in der ein Arbeiten im Home-Office fast alltäglich ist, reagiert es damit zudem auf die sich ändernde Arbeitswelt. Plakativ führt es dementsprechend aus, dass Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich im Home-Office erledigt werden, in weiten Teilen auch mit dem Privatleben verwoben sein können.

Wege zu privat geprägten Tätigkeiten, etwa zur Toilette oder Küche, sind damit aber bei Home-Office-Tätigkeiten weiterhin nicht versichert (Urt. v. 05.07.2016, Az. B 2 U 5/15 R). Einem besseren Schutz unterliegen hierbei immer noch Arbeitnehmer im Betrieb: Auf der Toilette selber oder in der Kantine sind diese zwar ebenfalls nicht versichert, allerdings auf dem Weg dorthin. Das BSG begründet diesen Unterschied damit, dass Arbeitnehmer im privaten Bereich für die Sicherheit beispielsweise auf der Treppe sorgen können, Arbeitnehmer im Betrieb hingegen hierauf keinen Einfluss nehmen können.

Dr. Sarah Reinhardt-Kasperek ist Partnerin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sie berät nationale und internationale Unternehmen neben klassischen individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Themen in dem Bereich HR- Compliance.

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