Corona und der Juristen-Jobmarkt

"Für Berufs­ein­s­teiger noch immer eine schwie­rige Zeit"

Interview von Tanja PodolskiLesedauer: 6 Minuten

Die Jobsituation entspannt sich, ist aber längst nicht wieder auf dem alten Niveau, was die Einstellungszahlen angeht. Insbesondere Berufseinsteiger haben es schwer. Woran Bewerber denken sollten, erklärt David Schwab im Interview.

LTO: Ende Mai hat LTO 300 Arbeitgeber der Rechtsbranche befragt, wie sich die Coronakrise auf das Recruiting und die Personalplanung auswirkt. Schon zu diesem Zeitpunkt ließ sich ein vorsichtiger Optimismus seitens der Arbeitgeber erkennen. Wie sieht die Lage aus Ihrer Sicht als Personalberater inzwischen aus?

David Schwab: In der Tat hatten Kanzleien und Unternehmen mit dem Lockdown zunächst die Anzahl ihrer vakanten Stellen reduziert. Die Ergebnisse aus der Umfrage können wir in der Tendenz bestätigen: Seit einigen Wochen beobachten wir wieder deutlich mehr Anfragen von Arbeitgeberseite, die Einstellungen nehmen also wieder Fahrt auf, das ist an den Zahlen ganz klar ablesbar. Wir sind aber noch weit von dem Zustand von vor einem Jahr entfernt.

Für Berufseinsteiger ist es von daher noch immer eine schwierige Zeit. Das gilt insbesondere für diejenigen, die nicht die Traumnoten mitbringen. Doch selbst für die Kandidaten mit Prädikatsexamen, die sich in gewöhnlichen Zeiten die Stellen praktisch aussuchen können, ist es nicht so einfach wie es war, weil es insgesamt aktuell weniger Stellen gibt.

Lässt sich grob umreißen, welcher Typ Kanzlei derzeit überhaupt Berufseinsteiger einstellt?

Nein, dass variiert extrem. Wenige Arbeitgeber zeigen sich unbeeindruckt. Einige haben nach wie vor einen Einstellungsstopp, auch wenn sie das nicht offiziell sagen, andere sind nur für die Besetzung von strategisch ganz wichtigen Positionen offen. Verglichen mit "normalen Zeiten" sieht es für frischgebackene Juristen auf Jobsuche derzeit eher etwas mau aus.

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"Als Referendar die Stage als Sprungbrett für den Jobeinstieg nutzen"

Wie sieht es denn für diejenigen aus, die den Abschluss mit doppelt ausreichend gemacht haben?

Die Großkanzleien fallen da ohnehin raus, das ist aber keine Besonderheit in der aktuellen Lage. Diese Kandidaten könnten nach regionalen, kleineren, mittelständischen Kanzleien schauen, was ja nicht schlecht ist. Schwierig wird es aber für diejenigen, die bereits beide Staatsexamina haben, auch dort.

In dem Segment liegt aber eine Chance für Juristen, die das zweite Examen noch vor sich haben. Diese Kandidaten könnten genau auf diese Kanzleien ihren Fokus legen und als Referendar dort eine Stage machen. Üblicherweise versuchen viele, Erfahrung in der Großkanzlei zu sammeln – was ja auch nachvollziehbar ist. Aber die regionalen Kanzleien, die sonst für die Kandidaten nicht in der ersten Reihe stehen, sind derzeit für alle eine Variante. Über eine Stage kann man sich da gut bekannt machen und die Ausbildung als Sprungbrett sehen, um dort gut unterzukommen.

Welche konkreten Tipps haben sie für Juristen, die derzeit einen Job suchen?

Derzeit gilt für alle, die den Berufseinstieg oder einen Wechsel anstreben: Man sollte etwas umsichtiger und planvoller vorgehen, als das in den vergangenen Jahren üblich war. Dazu gehört etwa, sich Insider-Infos einzuholen. Und man kann über HR vorfühlen lassen, wie die Chancen bei dem Wunscharbeitgeber stehen. Es gibt leider Arbeitgeber, bei denen gilt, wer sich einmal beworben hat und abgelehnt wurde, kann sich bei diesem Arbeitgeber nicht wieder bewerben. Unglücklich wäre es in diesen Fällen, wenn eine Absage allein aufgrund der aktuellen Einstellungspolicy wegen der Pandemie erfolgt ist und es also überhaupt nicht in der Sphäre des Kandidaten liegt.

Bekannte, die bereits in der Kanzlei arbeiten, oder natürlich Personalberater könnten bei einer Kanzlei oder dem gewünschten Unternehmen mit den Eckdaten des Lebenslaufs der Kandidaten anonym anfragen, ob es für diese Person Einsatzszenarien gibt. Alles andere wäre im Moment taktisch unklug, wenn man nicht für die Zukunft verbrannt sein möchte.

"Fähigkeiten abseits von Jura stärken"

Die Zeit bis zu einer Einstellung lässt sich wegen der Pandemie derzeit nicht einmal mit einem Auslandsjahr überbrücken. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Zeit sinnvoll zu nutzen?

Indem sich die Berufseinsteiger mit den Anforderungen befassen, die in Kanzleien und Unternehmen an sie gestellt werden: Die Stärkung des Englischen, das sollte verhandlungssicher sein. Natürlich sind im Ausland erworbene Englischkenntnisse am besten – aber das ist nun einmal derzeit schwierig. Doch auch wenn Online-Kurse mit einem Auslandsaufenthalt nicht zu vergleichen sind: Die sind besser als nichts.

Ganz wichtig ist als zweites: Ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge zu entwickeln. Und als drittes: die eigenen digitalen Fähigkeiten zu stärken. Diese drei Faktoren spielen schon jetzt in Kanzleien und in Unternehmen eine große Rolle und werden in ihrer Bedeutung noch weiter zunehmen. Das gilt auch nicht nur für Großkanzleien, sondern genauso für mittelständische und kleine Kanzleien.

Mit diesen Skills aber haben Kandidaten eine gute Basis, sich gut aufzustellen. Die Juristen sollten sich also gut anschauen, wo sie an diesen Punkten persönliches Entwicklungspotenzial sehen und das angehen. Das kann dann auch einen Punkt in der Note oder fehlende Titel ausgleichen.

Das klingt beinahe schon düster, wirklich Mut machen Sie jobsuchenden Juristen damit nicht.

Es ist, wie es ist. Natürlich ist es derzeit wichtig, trotz allem die Zuversicht nicht zu verlieren. Der Markt zieht ja wieder an. Der Arbeitsmarkt wird sich weiter entspannen, dann suchen auch wieder mehr Arbeitgeber nach Mitarbeitern.

Wenn wir über düster reden - dann eher zukünftig für die Arbeitgeber! Der sogenannte "War for Talents" wird ja perspektivisch noch viel härter werden – was aus Bewerberperspektive gut ist. Und das ist ein Thema für alle Arbeitgeber – sei es Kanzlei, Unternehmen oder Justiz bzw. Öffentlicher Dienst. Um nur ein griffiges Beispiel zu nennen: Es gibt massive Personallücken in der Justiz, der Deutsche Richterbund weist immer wieder darauf hin, dass in den nächsten zehn Jahren 40 Prozent der Positionen in der Justiz vakant werden. Spiegelbildlich wird es daher schwieriger werden für Kanzleien und Unternehmen, gute Kandidaten zu bekommen, denn diese bieten ja beispielsweise nicht die Sicherheit des Staatsdienstes und der Justiz.

Einige Arbeitgeber haben daher jetzt schon verstanden, dass es eine gute Zeit ist, strategisch über die Personalgewinnung sowie -entwicklung nachzudenken und sich entsprechend aufzustellen. Die Arbeitgeber, die mittel- bis langfristig planen können, haben gerade jetzt die Chance, die tollen Mitarbeiter zu gewinnen, die sonst extrem umworben sind. Die Arbeitgeber, die es können, sind daher auch diejenigen, die aktuell weiter einstellen.

"Karriere schon im Studium nach den eigenen Vorlieben planen"

Können auch die Kandidaten selbst strategisch planen?

Unbedingt, das gilt schon für Studierende. Denn schon im Studium hat man ja Vorlieben, ist an speziellen Branchen oder Rechtsgebieten interessiert. Diesen Interessen sollte man unbedingt folgen.

Wer bereits Berufseinsteiger ist, sollte sich fragen: Wo stehe ich gerade, was bringe ich mit, welche Erfahrungen und Qualitäten habe ich, die für einen Arbeitgeber nützlich sein könnten.

Da es viele Juristen mit ähnlichen Profilen gibt, ist die zweite Frage an einen selbst dann: Wo möchte ich mittel- bis langfristig hin und wie kann ich dieses Ziel erreichen, wie kann ich mich positionieren, welche Zwischenschritte sind womöglich notwendig. Dafür holt man sich am besten einen Sparringpartner, damit die Bestandaufnahme möglichst objektiv ist.

Denn wenn man General Counsel werden möchte, könnte es helfen, sich auf eine Branche zu konzentrieren oder den Weg dorthin planvoll zu ebnen. Will man Partner in einer Kanzlei werden, muss man bestimmte Umsätze erwirtschaften. Vielleicht hilft es, eine Einheit zu suchen, in der es greifbarere Entwicklungsmöglichkeiten gibt, die Stundensätze besser zu den Mandanten passen, wo ich einen Wettbewerbsvorteil habe, Synergieeffekte nutzen kann oder ich schlichtweg persönlich das kollegialere Umfeld vorfinde.

Herr Schwab, vielen Dank für das Gespräch.

David Schwab ist Berater bei clients&candidates, einer auf Juristen und Steuerberater spezialisierten Personalberatung.

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