Jobprofil Wissenschaftlicher Mitarbeiter am BVerfG

Der "Dritte Senat"

von Constantin KörnerLesedauer: 4 Minuten
Das BVerfG stand zuletzt besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Anlässlich der Entscheidungen zum ESM-Vertrag und zum Fiskalpakt blickten auch die internationalen Medien nach Karlsruhe. Während sich dabei die Wahrnehmung auf die Richter in den roten Roben beschränkt, werfen wir einen Blick auf deren Zuarbeiter: die wissenschaftlichen Mitarbeiter.

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Wenn der Senat in rote Roben gewandet an die Richterbank tritt, mag man vergessen, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht nur die Wirkungsstätte der 16 Bundesverfassungsrichter ist. Bei ihrer anspruchsvollen und umfangreichen Tätigkeit - mit rund 6.000 Verfahren jährlich - werden sie durch ein Heer wissenschaftlicher Mitarbeiter unterstützt, die wegen ihrer Rolle inoffiziell als "Dritter Senat" bezeichnet werden. Dazu zählt seit Juli 2010 auch Wilfried Holz (34). Nach eineinhalb Jahren als Richter auf Probe am Verwaltungsgericht wurde der promovierte Jurist zum Bundesverfassungsgericht abgeordnet. Jeder Verfassungsrichter wählt sich seine vier wissenschaftlichen Mitarbeiter selbst aus. Der Präsident verfügt zusätzlich über einen persönlichen Referenten; eine Stelle, die Holz seit einigen Monaten bekleidet. Die Richter rekrutieren ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter auf sehr unterschiedlichen Wegen. Auf Nachfrage schlagen beispielsweise die Justizministerien als personalführende Stellen den Verfassungsrichtern geeignete Richter und Staatsanwälte vor. Auch über persönliche Kontakte, etwa aus dem Bereich der Hochschulen, erreichen die Bundesverfassungsrichter Personalvorschläge. In seinem Fall sei sicher hilfreich gewesen, dass ihn der Präsident des Bundesverfassungsgerichts aus der Zeit an der Universität kannte, erklärt Holz. Jedes Verfahren wird anhand des Rechtsgebiets dem dafür zuständigen Richter zugeteilt. Dann beginnen Holz und seine Kollegen mit der Arbeit: "Man ist in allererster Linie damit beschäftigt, Entscheidungsvorschläge in den Fällen zu verfassen, für die der 'eigene' Richter als so genannter Berichterstatter zuständig ist. Dann fertigt man einen Vermerk an, der zumeist den Sachverhalt kurz umreißt, einen Entscheidungsvorschlag macht und diesen begründet. Ein solcher ist häufig nur einige Seiten lang, weil die aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind." Dieser Vermerk bildet zusammen mit der eigentlichen Akte die Informationsgrundlage, auf der die  Kammer entscheidet. Nimmt sie die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, ergeht der Beschluss nach außen meistens ohne Begründung. Aufwendiger sei das Procedere, wenn eine Begründung notwendig ist, erklärt Holz: "Hier wird jede Formulierung des Beschlusses genau geprüft."

Senatsvotum: Alleine die Anlagen können eine zweistellige Zahl an Aktenordnern füllen

Die wirkliche Königsdisziplin, betont Holz, seien aber die Senatsverfahren. Dabei bereiten die "Hiwis" – wie sie sich selbst nennen - die Beratung der Richter durch ein nicht selten mehrere hundert Seiten starkes Senatsvotum vor. Sie ziehen darin nicht nur die bisherige Rechtsprechung des BVerfG heran, sondern greifen auch sehr umfangreich auf rechtswissenschaftliche Untersuchungen zurück. "Hier wird wirklich jeder Stein umgedreht", unterstreicht Holz. So können die Literatur- und Rechtsprechungsnachweise, die dem Senatsvotum als Anlage beigefügt sind, durchaus eine zweistellige Zahl an Aktenordnern füllen. An der Erstellung eines Senatsvotums arbeitet ein "Hiwi" in enger Abstimmung mit dem Berichterstatter mehrere Monate, manchmal auch ein ganzes Jahr. An den daran anschließenden Senatsberatungen nehmen die wissenschaftlichen Mitarbeiter nicht teil. Hat sich der Senat auf eine Grundlinie geeinigt, unterstützen sie "ihren" Richter dabei, einen ersten Entscheidungsentwurf auszuarbeiten.

"Das bessere Argument entscheidet die Diskussion"

Wenn sich Rechtsfragen als besonders schwierig erweisen, kann es durchaus auch zu intensiven Diskussionen zwischen den Verfassungsrichtern und ihren "Hiwis" kommen: "Hier wird der außergewöhnliche Geist des Bundesverfassungsgerichts besonders deutlich. Denn die Kommunikation zwischen Richtern und Mitarbeitern findet stets sehr offen, kollegial und auf Augenhöhe statt; das bessere Argument entscheidet die Diskussion." Trotzdem findet Holz, man dürfe den Einfluss der wissenschaftlichen Mitarbeiter auf die Entscheidungsfindung der Richter nicht überbewerten: "Die 'Hiwis' treten mit in die Pedale, sie sitzen aber nicht am Lenker. Ohne sie würde das Gericht die große Zahl der Verfahren nicht bewältigen können. Wohin gefahren wird, bestimmen aber allein die Richter." Aktuell sind, teilweise halbtags, 68 wissenschaftliche Mitarbeiter aus ganz Deutschland am BVerfG tätig. "Es gibt wohl nur wenige Orte in Deutschland, an denen so viele hochmotivierte und qualifizierte junge Juristen zusammen arbeiten", glaubt Holz. In der Abgeschiedenheit der badischen Provinz habe sich im Laufe der Zeit ein besonderes Klima entwickelt: "Der rege Austausch im 'Dritten Senat' beschränkt sich nicht nur auf das Juristische. Es gibt Literaturzirkel, Diskussions- und Vortragsrunden, man treibt miteinander Sport oder trifft sich zum gemeinsamen Kochen." Die Geschlechterverteilung, erklärt Holz, sei Schwankungen unterworfen: "Dies liegt vor allem daran, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Regel nur für eine Zeit von zwei bis drei Jahren an das Gericht abgeordnet werden. Vor einigen Jahren war das Geschlechterverhältnis eins zu eins. Derzeit ist die Verteilung mit 21 Frauen wieder etwas ungleicher. Das kann sich allerdings schnell wieder ändern." Um noch attraktiver für weibliche Beschäftige zu werden, prüft das Gericht gerade Möglichkeiten zur Kinderbetreuung. Läuft seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am BVerfG aus, wird Holz voraussichtlich wieder als Richter am Verwaltungsgericht tätig sein. Auf die Frage, was es für ein Gefühl sei, an Entscheidungen mit so großem öffentlichen Interesse wie zum ESM-Vertrag und zum Fiskalpakt mitzuarbeiten, antwortet Holz: "Einerseits hat man einen ziemlichen Respekt vor solchen Verfahren und ist entsprechend motiviert, auch mehrere Wochenenden hintereinander und auch spät abends oder gar nachts zu arbeiten. Anderseits ist es auch ein Geschenk und eine ganz besondere Erfahrung, in jungen Jahren an Entscheidungen von sehr großer Reichweite mitwirken zu dürfen." Umso schöner, wenn die eigenen Argumente - mit etwas Glück - die Richter überzeugen und sich dann im Text der Entscheidung wiederfinden.

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