Kleidervorschrift durch den Arbeitgeber

Wo hohe Schuhe Pflicht sind

von Dr. Philipp WieseneckerLesedauer: 5 Minuten

In vielen Branchen haben Unternehmen ein Interesse daran, ihren Mitarbeitern während der Arbeitszeit eine bestimmte Kleidung vorzuschreiben. Philipp Wiesenecker mit einem Überblick darüber, was Chefs verlangen dürfen und was nicht.

Vor einiger Zeit geriet eine Schweizer Großbank in die Schlagzeilen, die ihren Angestellten eine mehr als 40 Seiten umfassende Richtlinie zur Kleiderordnung vorlegte. Frauen sollten danach keinen zu stark glitzernden Schmuck tragen und darauf achten, dass ihre Röcke hinten nicht zu sehr spannen. Die Unterwäsche sollte fleischfarben und damit nicht sichtbar sein, ebenso wenig wie die ursprüngliche Farbe bei gefärbten Haaren. Für Männer war ein Businessanzug vorgeschrieben. Die bisher erlaubten Schmuckstücke – wobei die in Banken kulturell bedeutsame, da hierarchieprägende Uhr als Schmuckstück zählte – waren untersagt. Dicke Brieftaschen, die das Innenfutter des Jacketts ausbeulen, waren ebenso verboten worden wie bunte Socken oder am Nachmittag aufgetragenes Parfum.

Es ist nicht überliefert, ob die Vorschriften konsequent eingehalten und ihre Nichteinhaltung sanktioniert worden sind. Die Berichterstattung über die Kleidungsvorschriften jedenfalls dürfte eher ein mediales Eigentor gewesen sein und nicht unbedingt zum positiven Employer-Branding beigetragen haben. Sicherlich aber wird es die Mitarbeiter ins Nachdenken gebracht haben, die bei der Wahl der Kleidungsstücke ein gewisses Bedürfnis an Selbstverwirklichung verspüren.

Zu echten Abwanderungstendenzen jedenfalls führte die vor einiger Zeit bei einem Arbeitgeberverband eingeführte Vorschrift, die das Tragen von hochhakigen Schuhen mit einer Absatzlänge von mehr als sieben Zentimetern untersagte: Die vom Verbot Betroffenen  jedenfalls haben - so wird überliefert - heute einen anderen Dienstherrn und tragen weiter, was gefällt.

Stellt sich die Frage: Wann erwächst eine rechtliche Verpflichtung, den Kleidervorschriften des Arbeitgebers Folge zu leisten? Und wie weit darf der Arbeitgeber mit dem firmeneigenen Dresscode gehen und in das Persönlichkeitsrecht seiner Mitarbeiter eingreifen?

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Die Uniform in der Rechtsprechung

Außerhalb von Banken und Kanzleien hat sich die Uniform auch in der Privatwirtschaft durchaus etabliert. Ob Flugbegleiter oder Sicherheitsdienst: Dort vorgeschriebene Kleidungsvorschriften sind Bewerbern schon bei der Berufswahl bekannt und mögen in manchen Fällen sogar Motiv der Berufswahl sein. Soweit bei diesen Berufen vertraglich das Tragen einer Uniform geregelt ist oder durch Betriebsvereinbarung vorgegeben wird, dürfte dies rechtlich unproblematisch sein.

Einschlägige Rechtsprechung, die das Tragen der Uniform in Frage stellt, findet sich jedenfalls kaum. Am Tragen der Dienstkleidung, die zur besonderen Kenntlichmachung dient, besteht regelmäßig ein überwiegendes Interesses des Arbeitgebers (Bundesarbeitsgericht (BAG) v. 17.01.2012, Az. 1 ABR 45/10). Tatsächlich in die zweite Instanz hat es die Frage geschafft, ob das Tragen der Dienstkleidung nicht auch in der Freizeit vorgeschrieben werden dürfe (LAG Baden-Württemberg v. 11.05.2004, Az. 14 Sa 126/03).

In der Regel beschäftigt die Uniform die Gerichte eher am Rande. So hatte etwa eine Flugbegleiterin die zehnjährige Tochter ihrer Nachbarin zwar mit dem Flieger zum "Girls-Day" begleitet, war aber anschließend am Zielort verblieben und hatte das Kind später alleine ins Flugzeug nach Hause gesetzt. Damit hatte sie gegen die Vorschriften der Fluggesellschaft verstoßen. Um dies zu vertuschen und einen ordnungsgemäßen unbegleiteten Flug (der bei älteren Kindern zulässig ist) vorzutäuschen, hatte sie bei der Abgabe des Kindes an die Crew ihre Uniform getragen. Die gegen die empört ausgesprochene fristlose Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage hatte das Arbeitsgericht Frankfurt für wirksam erachtet, das Hessische LAG bestätigte diese Entscheidung (v. 08.06.2009, Az. 17 Sa 45/09).

Eher als Argument Bedeutung erlangt die Dienstkleidung außerdem bei der Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag zum Arbeitsvertrag, wieder in der Luftfahrt, diesmal auf dem Boden. Das BAG hatte über den Einsatz von Drittunternehmen bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen zu entscheiden. Die als Sicherheitspersonal im Rahmen eines Dienstvertrages eingesetzten Mitarbeiter des Drittunternehmens hatten behauptet, sei seien in den (Flughafen-)Betrieb eingegliedert, arbeiteten mit und an den dort vorhandenen technischen Geräten und seien deshalb als Folge unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung Arbeitnehmer des Sicherheitsunternehmens geworden und als Luftsicherheitsassistenten nach TVöD zu bezahlen.

Dagegen wandte sich der beklagte Arbeitgeber unter anderem mit der Behauptung, das Sicherheitspersonal habe eigene Uniformen getragen und sei deshalb nicht in den Betrieb eingegliedert. Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht (v. 18.01.2012, Az. 7 AZR 723/10).

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2/2: Umkleidezeiten - der Klassiker

Auswirkungen können Kleidungsvorschriften auch auf die Vergütung haben. So hatte sich das BAG mit der Frage zu beschäftigen, ob der Weg von der Umkleide zur Arbeitsstätte als Arbeitszeit zähle – was immer dann der Fall ist, wenn das Umkleiden im Betrieb vorgeschrieben und damit das Umziehen zu Hause ausgeschlossen ist (v. 19.09.2012, Az. 5 AZR 678/11).

Ähnliches gilt auch außerhalb der Werkshallen und ohne Vorgaben für den Ort des Umziehens: Es ist den Mitarbeitern nicht zuzumuten, ihre Tätigkeit bereits in der Straßenbahn zu erkennen zu geben. Das Tragen von den Arbeitgeber erkenntlich machender Dienstkleidung ist deshalb ausschließlich "fremdnützig" und die Umkleidezeit im Unternehmen deshalb zu vergüten (BAG v. 17.01.2012, Az. 1 ABR 45/10 und v. 17.11.2015, Az. 1 ABR 76/13).

Gebot zur hohen Hacke?

Nun zur Anwaltskanzlei: Darf den dort beschäftigten Empfangsmitarbeiterinnen vorgeschrieben werden, Stöckelschuhe zu tragen? Also kein Verbot aufreizender Kleidung wie bei Banken und Verbänden, sondern vielmehr ein Gebot zur hohen Hacke? Rechtlich klar wäre die Antwort, könnte der Stöckelschuh als Schutzkleidung angesehen werden. Dann könnte sein Tragen vom Dienstherrn verbindlich angeordnet werden, müsste das Recht der Trägerin auf freie Selbstverwirklichung dahinter zurücktreten. Eine hartnäckige Weigerung könnte sogar zur Kündigung führen (LAG Köln 12.12.2008, Az. 11 Sa 777/08). Das dürfte aber nur schwer vertretbar sein, weder für Stöckelschuhe noch für Anzug und Krawatte.

Es kommt damit letztlich darauf an, ob sich die Kanzlei auf berechtigte Arbeitgeberinteressen berufen kann. Die können bei Kunden- und Mandantenkontakt durchaus vorliegen. Denn Kleider machen auch nach Überzeugung einzelner Arbeitsgerichte Leute, weshalb es einem Verkäufer untersagt sein kann, in Turnschuhen zu verkaufen (LAG Hamm v. 22.10.1991, Az.13 TaBV 36/91).

Anders sieht es im Ausland aus: In London hatte sich eine 27-Jährige, als Leiharbeitnehmerin einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingesetzte Empfangskraft gegen die Vorgabe gewehrt, Stöckelschuhe zu tragen. Wenn sie damit wohl auch vor deutschen Arbeitsgerichten gescheitert wäre, so hat sie damit in Großbritannien eine erfolgreiche Medienkampagne geführt, was nun dazu führt, dass am Empfang flache Schuhe getragen werden.

Vielleicht ja im Zuge des bevorstehenden Brexit ein weiteres Argument für eine Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Frankfurt, wo stöckelschuhfreundliche Unternehmen sich des Zulaufs von qualifizierten Arbeitskräften und der Rückendeckung der Arbeitsgerichte sicher sein können.

Der Autor Dr. Philipp Wiesenecker ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Frankfurter Büro der Kanzlei Kliemt & Vollstädt, einer der führenden auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzleien in Deutschland.

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