Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch

Höhere Abfin­dung bei Kün­di­gung?

Gastbeitrag von Gerd Kaindl und Dr. Dominik SorberLesedauer: 4 Minuten

Nach einer Kündigung versuchen Beschäftigte, zumindest eine hohe Abfindung auszuhandeln und bringen den Auskunftsanspruch der DSGVO ins Spiel. Wann sie dabei die Grenze zum Rechtsmissbrauch überschreiten, erklären Gerd Kaindl und Dominik Sorber.

Ein Arbeitnehmer erhebt nach der Kündigung eine Kündigungsschutzklage. Üblicherweise verhandeln die Parteien über einen Vergleich. Der Knackpunkt dabei ist stets die Höhe der Abfindung. Akzeptiert der Arbeitgeber die (meist überhöhte) Forderung nicht, ziehen Arbeitnehmer oftmals die datenschutzrechtliche "Karte", den Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Danach hat der Beschäftigte, auch der ehemalige, einen Auskunftsanspruch auf die über ihn gespeicherten Daten. Dieser geht weit – wenn auch der Umfang noch nicht klar ist. Klar ist aber: Der Anspruch macht dem Unternehmen viel Arbeit. 

Die Frage, die sich daher aus Sicht der Arbeitgeber und vermehrt auch der Arbeitsgerichte stellt, ist, welche Grenzen aus arbeitsrechtlicher Perspektive bei der Geltendmachung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO einzuziehen sind. Die Gemengelage stellt sich aktuell wie folgt dar: Auf höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs kann (noch) nicht zurückgegriffen werden. Beim BAG ist ein Revisionsverfahren (Vorinstanz Landesarbeitsgericht (LAG) Baden Württemberg, Urt. v. 20.12.2018, Az. 17 Sa 11/18) anhängig, das zur Klärung beitragen könnte (Az. 5 AZR 66/19). 

Zuletzt hat sich zum Auskunftsanspruch unter anderem das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf positioniert (Urt. v. 05.03.2020, Az. 9 Ca 6557/18). Zutreffend stellte das Gericht u.a. darauf ab, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Aufwand hinsichtlich der Erfüllung des Auskunftsanspruchs in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Arbeitnehmers (Betroffener) stehen kann. Das ArbG wies den Auskunftsanspruch eines Arbeitnehmers ab und begründete dies insbesondere mit dem auch im Europarecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Damit wird dem Verantwortlichen – dem Arbeitgeber – kein unverhältnismäßiger Aufwand abverlangt, um den Auskunftsanspruch um "jeden Preis" zu erfüllen. 

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Rechtsmissbrauch als weitere Grenze?

Allein auf den Grundsatz von Treu und Glauben wird man die Grenzen des Auskunftsanspruchs nicht beschränken können. Eine weitere Fallgruppe ist der Rechtsmissbrauch. In Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO ist eine solche Missbrauchsgrenze geregelt. Ihre Ausgestaltung ist bisher weder durch die Rechtsprechung noch durch die Literatur geklärt. 

Ein Fall des Rechtsmissbrauchs setzt einen sehr engen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zum Kündigungsschutzverfahren voraus. Zudem müssen weitere offensichtliche Begleitumstände hinzutreten, die die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs durch den Arbeitnehmer als rechtsmissbräuchlich erkennen lassen. Dies dürfte regelmäßig dann gegeben sein, wenn es zu einer Verknüpfung zwischen Ausübung des Auskunftsrechts und der Forderung einer überhöhten Abfindung kommt. 

Denkbar wäre, dass ein Arbeitnehmer im Gerichtstermin vorträgt, dass er allein dann auf die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs verzichtet, wenn eine erkennbar zu hohe Abfindung gezahlt wird. Sollte in einem solchen Fall der Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch geltend machen, entspricht die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nicht dem eigentlichen Zweck, sondern wäre – als widerlegbare Vermutung – rechtsmissbräuchlich. Dieser Einwand sollte auch in einem möglichen datenschutzrechtlichen Prüfungsverfahren Berücksichtigung finden und die Arbeitgeberseite davor schützen, dass ein Bußgeldverfahren mit den sehr hohen und empfindlichen Sanktionen eingeleitet wird. Die Missbrauchskontrolle sollte jedem Prüfverfahren vorangestellt werden. 

Mehr "Abfindung" durch Schadensersatz? 

Auch durch die Geltendmachung von Schadensersatz können Arbeitnehmer ihre "Abfindung" aufbessern. Das ArbG Düsseldorf etwa hatte den Auskunftsanspruch teilweise abgewiesen, Schadensersatz hat der ehemalige Mitarbeiter allerdings bekommen. Dies, weil der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen nach der DSGVO unvollständig und nicht in der vorgesehenen Frist von einem Monat nachgekommen war. 

Die Auskunftspflicht hält für Arbeitgeber regelmäßig bürokratische Hürden und besondere Fallstricke bereit. Unterlaufen dem Arbeitgeber hier vermeidbare Fehler, wie zum Beispiel die Einhaltung der – verlängerbaren – Monatsfrist, kann es zum Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber kommen.

Es empfiehlt sich daher, den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch in einem Vergleich bzw. in einem Aufhebungsvertrag mit zu regeln. Die Zahlung einer Abfindung sollte aus Sicht des Arbeitgebers von der "Erledigung" des Auskunftsanspruchs abhängig gemacht werden. Als methodisches Mittel bietet sich dazu ein Tatsachenvergleich an. Darin wird vereinbart, dass der Auskunftsanspruch als erfüllt gilt. Daneben kann der Arbeitnehmer auch eine Rücknahme des Auskunftsverlangens erklären. Der Tatsachenvergleich und die Rücknahme wirken jedoch nur für die Vergangenheit, aber nicht für die Zukunft. 

Verzicht auf den Auskunftsanspruch 

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Angabe einer Begründung geltend gemacht werden kann. Für diese Situation kann ein Verzicht mit Wirkung für die Zukunft empfehlenswert sein. Die Frage, ob ein solcher Verzicht zulässig wäre, ist bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur diskutiert und auch nicht durch eine Aufsichtsbehörde entschieden worden. 

Ein Verzicht dürfte aber grundsätzlich zulässig sein. Denn die Betroffenen können auch im Rahmen der Einwilligung über ihre Rechte disponieren. Hierfür spricht auch, dass Arbeitnehmer im Rahmen eines Betriebsübergangs unter bestimmten Voraussetzungen nach der BAG-Rechtsprechung auf ihr Widerspruchsrecht verzichten können. 

Abschließend ist zu empfehlen, in einem Vergleich bzw. Aufhebungsvertrag eine finanzielle Abgeltungsklausel aufzunehmen, die insbesondere auch Schadensersatzansprüche wegen einer etwaigen Verletzung der Auskunftspflicht explizit ausschließt. 

Denn dann kann der Mitarbeiter die datenschutzrechtliche "Karte" zwar spielen, aber das Unternehmen hat einen "Joker" parat. Ob der aus Sicht der Arbeitgeber nötig ist, wird die Rechtsprechung noch entscheiden müssen.

Die Autoren Gerd Kaindl (Fachanwalt für Arbeitsrecht) und Dr. Dominik Sorber sind als Rechtsanwälte bei Beiten Burkhardt in der Praxisgruppe Arbeitsrecht am Standort München tätig.

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