Notare

Sch­nell lesen fürs Geschäft

Herbert GrziwotzLesedauer: 3 Minuten
Eigentlich sollen Notare den Verbraucher schützen, der gerade beim Bauträgervertrag wirtschaftlich gefährdet sein kann. Dem Notar aber bringt längerfristig gesehen nicht der Verbraucher, sondern der Bauträger Geschäfte und Gewinne. Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz über die Vorteile des schnellen (Über-) Lesens und das Problem der "Hausnotare".

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Notare sind vor allem dazu da, den Verbraucher zu schützen. Allerdings ist die Erfüllung dieser Amtspflicht nicht gut fürs Geschäft. Dieses bringen nämlich die Bauträger und ihre Makler, nicht die Verbraucher, die einmal in ihrem Leben eine Eigentumswohnung kaufen. Derjenige Notar, der allzu gründlich auf die Einhaltung der Überlegungsfrist für den Käufer achtet und die Anforderungen der Rechtsprechung hinsichtlich des Käuferschutzes beim Bauträgervertrag in der Urkunde umsetzt, hat keine Chance, Hausnotar eines Bauträgers zu werden. Auch die Bauträgerbank schickt, selbst wenn sie auch den Erwerber finanziert, Käufer zu weniger gründlichen Notaren. Professionelle Vertriebsorganisationen haben ohnehin Listen von Notaren, die problemlos das ihnen Vorgelegte vorlesen. Vorlesen allein genügt aber noch nicht. Der Notar muss über kritische Punkte möglichst schnell "drüber lesen". Einen besonders eklatanten Fall hatte in diesem Jahr der Bundesgerichtshof (Urt. v. 22.07.2010, Az. III ZR 293/09) zu entscheiden. Der Notar wusste, dass die Bauträger GmbH finanziell am Tropf eines ihrer Gesellschafters hing und dieser für ihr Überleben unverzichtbar war. Dieser Gesellschafter hatte die Zwangsversteigerung der Bauträgerimmobilie beantragt. Diesbezüglich war in Abteilung II des Grundbuchs ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen worden. Der Notar erwähnte diesen in einer Urkunde lediglich als „Vermerk“, ohne die Beschlagnahmewirkung und das Veräußerungsverbot zu erwähnen.

Bauträgervertrag als risikoreicher Vertrag

Der Notar ist zwar nicht Wirtschaftsberater der Beteiligten. Er muss sich deshalb nicht um die wirtschaftliche Tragweite des Kaufs und dessen Zweckmäßigkeit kümmern. Er ist jedoch bei einem Zwangsversteigerungsvermerk verpflichtet, auf die mit diesem für die wirtschaftliche Durchführbarkeit des Vertrags entstehenden Gefahren hinzuweisen. Hinzu kommt, dass beim Bauträgervertrag – anders als beim normalen Grundstückskauf – für den Erwerber besondere Risiken bestehen. Der Erwerber muss nämlich bereits während der Bauphase Abschlagszahlungen für das erworbene Objekt und die fortschreitende Bausubstanz vornehmen. Somit übernimmt er wirtschaftlich einen Teil der Zwischenfinanzierung des Bauträgers, die dieser häufig wegen der fehlenden Kapitalausstattung von seiner eigenen Bank nicht erhält. Die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) bezweckt einen Mindestschutz des Käufers. Sie sichert jedoch sein Interesse an der mangelfreien Fertigstellung des Kaufobjektes nicht. Für den Käufer, der vom Bauträger erwirbt, bestehen erhebliche wirtschaftliche Risiken, weil er im Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Bauträgers und eines damit einhergehenden Baustillstands keine Gewähr dafür hat, dass das Kaufobjekt überhaupt, rechtzeitig und mangelfrei fertig gestellt wird.

Neutralitätspflicht zu Lasten des Verbrauchers?

Der Bauträgernotar berief sich in dem vom BGH entschiedenen Fall im Prozess darauf, dass der Käufer keine ungesicherte Vorausleistung abweichend vom Regelsystem der MaBV erbracht habe. Zudem sei er als Notar zur Neutralität verpflichtet gewesen. Bereits die Abschlagszahlungen führen wirtschaftlich zu einer Vorausleistung, die mit erheblichen Risiken verbunden ist. Ist der Bauträger wirtschaftlich angeschlagen, kann sich dieses Risiko sehr leicht verwirklichen. Hierauf hätten der Zwangsversteigerungsvermerk und die sich daraus ergebenden Indizien für eine etwaige bestehende wirtschaftliche Schieflage des Bauträgers hingewiesen. Dies hat der Notar absichtlich nicht erwähnt, damit der Interessent nicht vom Erwerb Abstand nimmt. Die Berufung des Notars auf seine Neutralitätspflicht ist deshalb nur Hohn, nachdem er zunächst ganz klar Partei zugunsten des ihm das Geschäft bringenden Bauträgers ergriffen und dessen wirtschaftliche Schwierigkeiten absichtlich verharmlost hatte. Leider bedarf es häufig der Entscheidungen des Haftungssenats, damit Notare ihre Amtspflichten wieder ernst nehmen. Allerdings wird man die kritische Frage stellen müssen, wozu die Standesorganisationen dienen, wenn sie sich vor allem der Tugend des Wegschauens befleißigen, statt verbindliche Standards zum Verbraucherschutz zu entwickeln. Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Autor zahlreicher Fachpublikationen unter anderem zum Baurecht. Weitere Artikel des Autors auf LTO.de: Gesetzlich verordnete Kommunikation - Dialog von der Wiege bis zur Bahre Einheimischenmodelle - Abschottung im Dorf? Privatvermögen in der Insolvenz - Die Zwickmühle - Gläubiger oder Ehegatte? Schwiegerelternzuwendung - Schenken, schenken, wiedergeben

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