OLG Frankfurt zur Pflichtverteidigung in Terror-Prozess

Keine Pausch­ge­bühr für mehr als 24.000 Seiten Akten

von Tanja PodolskiLesedauer: 3 Minuten
Ein Pflichtverteidiger bekommt auch bei über 24.000 Seiten Akten in einem Verfahren vor dem Staatsschutzsenat keine Pauschgebühr, wenn für den Beschuldigten ein zweiter Pflichtverteidiger bestellt ist. So entschied es das OLG Frankfurt.

Auch in einem Verfahren mit einem Aktenumfang von mehr als 24.000 Seiten bekommt ein Pflichtverteidiger keine Pauschgebühr, wenn dem Beschuldigten ein zweiter Pflichtverteidiger bestellt worden ist. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss entschieden (Beschl. v. 10.02.2016, Az. 2 Ars 56/15). Nach Ansicht des Senats lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht vor. Die gebe es nach §§ 42, 51 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nur, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Die verlangte Tätigkeit müsse ein "Sonderopfer" sein. Für eine unzumutbare Benachteiligung durch Umfang oder Schwierigkeit des Verfahrens gebe es aber keine Anhaltspunkte, so die entscheidende Einzelrichterin.  Der Angeklagte war wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zum schweren Raub und mit Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.

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Zwei Anwälte kosten ja schon doppelte Gebühren

Es geht um schwerste Straftaten mit Auslandsberührung. Für Herbert Schons ist diese Konstellation "geradezu der Klassiker einer Pauschgebühr". Zur Höhe der Gebührenforderung wagt der Kostenrechtler aus Düsseldorf keine Einschätzung. Dass sie aber gar nicht gewährt wurde, kann er sich nur so erklären, dass eine Einzelrichterin versuche, "juristische Fragen mit fiskalischer Denkweise zu lösen". Aus seiner Sicht gibt es in dem Fall entschiedenen Fall nicht ein einziges Argument, von einer Pauschgebühr vollständig abzusehen.  Der Strafverteidiger hatte eine Pauschgebühr von mindestens 15.000 Euro zuzüglich einer weiteren von 12.000 Euro für die Verteidigung im Hauptverfahren und in der Revisionsinstanz gefordert. Bekommt er aber nicht. Das OLG argumentiert, dem Aktenumfang von über 24.400 Seiten sei durch die Beiordnung von zwei Pflichtverteidigern bereits Rechnung getragen. Dadurch fielen ja schon Gebühren in doppelter Höhe an. Die Arbeitsbelastung könnten die beiden aufteilen, so dass sie "für den Einzelnen geringer wird", so die Einzelrichterin. "Dies mag zwar im Einzelfall auch eine zusätzliche Abstimmung verlangen, trägt aber im Ergebnis zur Verminderung des Aufwandes bei", meint das Gericht. Im Übrigen erlaube diese Handhabung auch eine leichtere Einarbeitung in die rechtlichen Besonderheiten, die Gegenstand des Verfahrens waren. Für Schons zeigt das, wie wenig Kenntnis die Richter von der anwaltlichen Tätigkeit hätten. "Der Verteidiger muss die Akte selbst nicht nur verstehen, sondern auch beherrschen. Sich die Lektüre aufzuteilen, ist nicht realistisch - zumal ein zweiter Verteidiger häufig auch eine ganz andere Verteidigungsstrategie verfolgt, die abgestimmt werden muss", so der Anwalt und Notar aus Duisburg. 

23 Tage Hauptverhandlung sind durchschnittlich lang

Die Tätigkeit im Ermittlungsverfahren, die Besprechungen mit dem Mandanten sowie die Teilnahme an 23 Verhandlungstagen mit Vor- und Nacharbeitungszeiten begründeten nach Ansicht des Gerichts kein "Sonderopfer". Das gelte auch für die Haft, die Erweiterung des Haftbefehls, die 17 Besuche des Pflichtverteiligers in der Haft vor der Hauptverhandlung und die 23 Tage Hauptverhandlung. Es sei ein durchschnittlich langes Verfahren vor dem Staatsschutzsenat, erklärte das OLG Frankfurt. Schließlich könne jeder Verhandlungstag gesondert abgerechnet werden und die Länge der Verhandlungsdauer werde über eigene Gebührentatbestände aufgefangen. Dass der Antragsteller für längere Zeit ausschließlich von dem vorliegenden Verfahren in Anspruch genommen worden wäre, sei schon deshalb nicht ersichtlich, weil sich die Hauptverhandlung über etwa siebeneinhalb Monate erstreckt und er daher im Schnitt etwa drei Hauptverhandlungstage im Monat wahrgenommen habe. Auch der Umfang der Revisionsbegründung begründe für sich nicht die Annahme eines Sonderopfers, zumal auch hier die Abstimmungsmöglichkeit mit dem zweiten Pflichtverteidiger zu berücksichtigen sei. tap/pl/LTO-Redaktion

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