So bereiten Kanzleien auf die Partnerschaft vor

"Ein Jahr ohne Man­dan­ten­kon­takt wäre ein Betrieb­s­un­fall"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Exzellent im Mandat, ein Unternehmer und Impulsgeber – Kanzleien haben hohe Anforderungen an ihre Partner. Gleichzeitig stehen den Talenten immer mehr Möglichkeiten offen. Was tun die Kanzleien, um künftige Führungskräfte zu schulen?

Für viele Anwältinnen und Anwälte gibt es am Jahresende einen Grund, zu feiern: Traditionell verkünden die Kanzleien zu diesem Zeitpunkt, wer zum neuen Jahr in die Partnerschaft aufgenommen wird. Auch, wenn dies nicht mehr das Karriereziel Nummer Eins aller Associates ist, haben viele das Ziel dennoch fest vor Augen: "Wir haben immer noch sehr viele Leute, die zielstrebig auf die Partnerschaft hinarbeiten und für die dies auch ein Wunschberuf ist", so Dr. Peter Schorling, Managing Partner von Greenberg Traurig Deutschland.

Der Weg in die Partnerschaft ist kein leichter, die Erwartungen sind hoch und der Druck ist immens. Kanzleien haben klare Vorstellungen davon, welche Eigenschaften potenzielle Führungskräfte mitbringen müssen. Neben der fachlichen Exzellenz müssen Partnerinnen und Partner Mandanten akquirieren können – und die Kanzlei als Ganzes voranbringen, so Dr. Tibor Fedke, Partner und Personalverantwortlicher bei Noerr.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Persönlichkeitskomponente, weiß Carmen Schön, die seit Jahren Juristinnen und Juristen sowie Anwaltskanzleien zu Themen wie Geschäftsaufbau, Führung und Auftritt coacht: "Letztlich muss auch der 'Nasenfaktor' passen – der Kandidat muss zur Kanzleikultur passen. Kanzleien erwarten von angehenden Partner:innen berechtigterweise auch ein hohes Maß an Loyalität. Man wird Gesellschafter:in, deshalb müssen sich die Menschen vertrauen und miteinander wohlfühlen."

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"Vom ersten Tag an partnerähnlich unterwegs"

Allerdings müssen sich nicht nur die Talente ins Zeug legen: Auf dem Markt buhlen die Kanzleien um immer weniger Absolventinnen und Absolventen: Waren es im Jahre 2001 noch 10.697 Prüflinge, die das zweite Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen haben, verringerte sich diese Zahl bis zum Jahre 2018 auf 7.829. Und: Den frischgebackenen Volljurist:innen stehen mehr Möglichkeiten offen – auch in der Justiz: "Früher war es ein absoluter Ritterschlag, wenn man zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, um in den Berliner Staatsdienst zu wechseln. Heute ist es deutlich einfacher, da reinzukommen", sagt Schorling.

Die Reaktion der Kanzleien fällt unterschiedlich aus: Während die einen die Einstiegsgehälter kräftig nach oben schrauben, investieren andere in die Ausbildung der Associates. Denn: "Der heutige Nachwuchs ist eine andere Generation. Der Status 'Partner sein' ist nicht mehr lebensentscheidend, das dicke Auto vor der Tür auch nicht. Wir haben sehr viele Leute mit großem Potenzial, die täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Die kriegen wir nicht mehr nur mit dem Status-Label", so Jan-Ove Becker, Partner und Personalverantwortlicher am Hamburger Standort von Vangard Littler (Vangard).

Stattdessen setzt die Arbeitsrechtsboutique darauf, den jungen Associates von Anfang an viel Verantwortung zu übertragen: "Im Prinzip ist man bei uns vom ersten Tag an partnerähnlich unterwegs. Das ist gleichzeitig schön, aber auch sehr anstrengend für die Leute", sagt Dr. Alexander Bartz, Partner und Personalverantwortlicher bei Vangard in Düsseldorf.

"Wenn ich viel Freiheit bekomme, heißt das aber auch, dass ich Initiative ergreifen muss: Wir tragen Leute nicht zur Partnerschaft, aber wir coachen von Tag 1 an", ergänzt Becker. Das weiß er aus eigener Erfahrung: Er hat im Jahr 2012 als Associate dort angefangen, im April 2017 wurde er Salary Partner,  seit Januar 2020 ist er Equity Partner. Schon früh übernahm er Führungsaufgaben und betreute die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen und Referendar:innen.

Bei "Feedback Walks" über Führungsverantwortung und Kennzahlen reden

Bei Vangard steht nach drei Jahren als Associate die Beförderung zum Senior Associate an, im Übrigen sei der Weg zur Partnerschaft ein "weiches" System, sagt Bartz. Gute Anwältinnen und Anwälte, die unternehmerisch denken und Umsätze generieren, fielen schon früh auf. "Wer es kann, der wird es auch, und wer es schnell kann, der wird es auch schnell", so Bartz.

Ein klassisches Partnerausbildungsprogramm gibt es nicht. Der "campus vangard", ein Programm, das unter anderem soft skills vermittelt, steht allen Mitarbeitenden offen; von der Assistentin über den First-Year-Associate zur Partnerin. Dies ist ganz bewusst so: "Viele Juristen glauben, sie seien schlauer als der Rest der Welt. Das muss man als junger Anwalt erstmal aushalten können, wenn man von Assistentinnen und Assistenten infrage gestellt wird. Das ist ein natürlicher Prozess, bei dem sich schnell zeigt, wer smart damit umgehen kann", sagt Bartz.

Mit Kandidat:innen, die die Kanzlei in die Partnerschaft entwickeln will, macht sie sogenannte "Feedback Walks", also Spaziergänge, an denen der Personalpartner des Standorts und der oder die Associate teilnimmt. Einmal im Monat bespricht der Partner so mit dem oder der Auserwählten verschiedene Themen, von Führungsverantwortung über den Umsatzdruck bis hin zu wirtschaftlichen Kennzahlen. Beim Spaziergang rede man ganz anders als in Konferenzräumen: "Man sitzt sich nicht gegenüber, sondern schaut in eine Richtung, während man geht. Das setzt automatisch andere Impulse", erklärt Bartz.

Schon früh das eigene Geschäft aufbauen

Die US-Kanzlei Greenberg Traurig setzt auf ein klassisches Partnerausbildungsprogramm. Was früher noch "Sisyphos" hieß und von Peter Schorling ins Leben gerufen wurde, heißt jetzt unter der Regie von M&A-Partner Dr. Josef Hofschroer "Project Next". Das Programm richtet sich an Senior Associates und junge Partnerinnen und Partner, denen jeweils ein Mentor oder eine Mentorin zugewiesen wird. Diese Gruppen treffen sich einmal im Monat und die Mentees müssen sich regelmäßig Ziele setzen, die überprüft und angepasst werden. Zudem gibt es auch Fortbildungen zur Persönlichkeitsentwicklung, etwa zur Verhandlungsführung oder zu Präsentationen auf Konferenzen.

Das Besondere an Project Next sei aber der Schwerpunkt auf Business-Development-Aktivitäten. Solche strategischen Fähigkeiten seien für Partner:innen genauso wichtig wie fachliche Exzellenz und die Mandatsarbeit, deshalb seien sie ein eigenständiger Baustein des Projekts, erklärt Hofschroer. Deshalb habe die Kanzlei ein strategisch koordiniertes Programm aufgesetzt, um jungen Talenten den Aufbau eines eigenen Geschäfts näherzubringen. Der Partner Hofschroer leitet das Projekt, wird dabei aber auch von Expertinnen und Experten aus anderen Bereichen unterstützt.

Die Nachwuchstalente verpflichten sich, an Veranstaltungen teilzunehmen, Pitch-Präsentationen zu übernehmen oder Events zu organisieren. Sie erarbeiten einen Business Case, der im Business Plan niedergeschrieben wird.

"Eine Besonderheit der Partnerschaft ist es, dass wir für die Produkte verantwortlich sind und gleichzeitig für Sales. Es gibt wenig Berufe, in denen dies so ist", sagt Hofschroer. Dem soll "Project Next" Rechnung tragen.

"Das Lernen mit der Gießkanne funktioniert nicht"

Auch bei Noerr werden neue Anwältinnen und Anwälte schon früh geschult und zu Unternehmerinnen und Unternehmern ausgebildet – als hätten Sie die Worte der Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins Edith Kindermann seinerzeit im LTO-Interview gehört: "Selbstverständlich müssen auch die Anwälte den unternehmerischen Aspekt mitdenken. Gerade die Coronakrise belegt, wie wichtig es ist, dass in Kanzleien Strukturen geschaffen werden, um derartige Stresszeiten zu bestehen."

Die Personalverantwortlichen Fedke und Christine Volohonsky legen bei der Auswahl des jeweiligen Programms im Rahmen des "Noerr Campus" viel Wert darauf, die Stärken und Schwächen der Talente zu berücksichtigen: "Das Lernen mit der Gießkanne funktioniert nicht. Nicht alle bekommen die gleichen Fortbildungen, sondern wir versuchen, für jedes Talent ein individuelles Programm zu entwickeln. Gleichzeitig fördern wir den Austausch innerhalb der einzelnen Gruppen", sagt Fedke.

Zudem setzt die Kanzlei auf "learning on the job"; neue Kolleg:innen werden schon früh in die Mandatsarbeit eingebunden. "Dass jemand ein Jahr lang keinen Mandantenkontakt hat, wäre ein Betriebsunfall, da hätten wir als Partnerschaft einen Fehler gemacht", erklärt er. Volohonsky selbst sagt, sie habe das Akquirieren dadurch gelernt, dass sie am Mandat beteiligt war, zu Terminen mitgehen durfte und beim Pitch dabei sein durfte. Das gibt sie jetzt an die Associates weiter.

Neben der fachlichen und wirtschaftlichen Ausbildung sollen Anwältinnen und Anwälte auch früh lernen, mit Druck umzugehen: "Unsere Associates erlernen mit Stressbewältigungstrainings schon ab dem ersten Tag Resilienz", erklärt Volohonsky.

Innerhalb und außerhalb der Kanzlei vernetzen

Die Anwältinnen und Anwälte sollten aber auch selbst aktiv werden: "Wichtig ist auch, dass sich die Associates selbst untereinander vernetzen, innerhalb und außerhalb der Kanzlei. Zum Anwaltsdasein gehört auch Kontakte aufbauen und pflegen", ergänzt sie.

Auch Carmen Schön ermutigt den Nachwuchs, Eigeninitiative zu zeigen: "In vielen HR-Abteilungen der Kanzleien gibt es Ablaufpläne und sonstige Beschreibungen zum Partner:innen-Prozess." Zudem könnten die Associates sich bei denjenigen erkundigen, die den Weg bereits hinter sich gebracht haben.

Bei Noerr sind das zum neuen Jahr sieben Anwältinnen und Anwälte, Vangard wird zwei neue Salary Partnerinnen begrüßen.

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