Partnerinnen in Großkanzleien: Dr. Constanze Ulmer-Eilfort

"Ich war oft am Ende meiner Kräfte, würde es aber wieder machen"

von Christian GrohganzLesedauer: 5 Minuten
Drei Frauen, drei Lebenswege, eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind Partnerin in einer Großkanzlei. Wir haben sie nach ihrem persönlichen Erfolgsrezept gefragt und nach den Hürden, die sie auf  ihrem Weg an die Spitze überwinden mussten. Im zweiten Teil unserer Serie: Dr. Constanze Ulmer-Eilfort, Expertin für geistiges Eigentum und IT-Recht bei Baker & McKenzie und Mutter dreier beinahe erwachsener Kinder.

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LTO: Frau Dr. Ulmer-Eilfort, Sie sind seit 1999 Partnerin bei Baker & McKenzie und Mutter von drei Kindern. Zudem sind Sie in einem international geprägten Bereich tätig, bewegen sich also mitunter in unterschiedlichen Zeitzonen. Haben Sie noch Freizeit? Dr. Constanze Ulmer-Eilfort, LL.M.Ulmer-Eilfort: Wir verbringen mindestens sechs Wochen im Jahr im Urlaub, am liebsten mit allen drei Kindern. Dieses Jahr waren wir bereits zwei Wochen Skifahren. Die Wochenenden, an denen ich zu Hause im Liegestuhl sitze und ein Buch lese, sind zugegebenermaßen rar. Dennoch versuchen wir uns Auszeiten zu nehmen, um ins Theater oder die Oper zu gehen, Freunde zu treffen oder in die Berge zu fahren. Wenn ich abends heim komme, kochen wir oft gemeinsam. Ich mache regelmäßig Yoga und habe eine Klavierlehrerin, mit der ich jede Woche übe. LTO: Ihre Kinder sind ja mittlerweile schon etwas größer. Aber wie ist das bei Kolleginnen mit jüngerem Nachwuchs? Bietet Ihre Kanzlei auch Teilzeitmodelle an? Ulmer-Eilfort: Ja, Baker & McKenzie ermöglicht es Frauen, auf bis zu 50 Prozent zu reduzieren. LTO: Gibt es bei Ihnen sogenannte Teilzeit-Partner? Oder gar Möglichkeiten, Kinder betreuen zu lassen? Ulmer-Eilfort: Wir haben mehrere Partnerinnen, die nur 60 oder 80 Prozent arbeiten. Ich selbst habe 10 Jahre lang nur 80 Prozent gearbeitet. LTO: Sind Sie in Ihrer mittlerweile schon länger währenden Doppel-Karriere als Partnerin einer Großkanzlei und Mutter jemals dafür kritisiert worden, dass Sie beides wollten? Ulmer-Eilfort: Als Frau ist man immer in einem Konflikt zwischen der Rolle als Mutter und der Karriere. Man kann es eigentlich nur falsch machen und wird von denen, die andere Lebensmodelle verfolgen, kritisiert. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen und sich von Zeit zu Zeit fragen, ob der Weg noch der Richtige ist. Wenn man diese Entscheidung so trifft, fällt es leicht, bei Kritik selbstbewusst wegzuhören. LTO: Haben Sie Ihre Karriere geplant? Und warum in der Großkanzlei und nicht zum Beispiel der jedenfalls auf dem Papier einfachere Weg in einer Behörde? Ulmer-Eilfort: Nein, ich habe meine Karriere nicht geplant. Ich hätte vor 20 Jahren nicht daran gedacht, einmal Partnerin in einer großen Kanzlei zu sein. Es hat sich Schritt für Schritt so ergeben. Die Frage mit der Behörde können Sie nicht ernst meinen!? Eine Alternative wäre für mich die Tätigkeit in einer Rechtsabteilung gewesen, aber auch dort hätte ich keine festen Arbeitszeiten gehabt. LTO: Sie sind Partnerin im Recht des geistigen Eigentums sowie Informationstechnologien auf dem Pharmazie- und Mediensektor. Inwieweit hängt die Machbarkeit Ihres Jobs mit dessen Inhalt zusammen? Wäre es im Bereich M & A schwieriger? Ulmer-Eilfort: Meine Praxis ist der eines M&A-Anwalts sehr ähnlich. Ich berate zu großen Lizenztransaktionen im Pharmabereich. Dies sind Verträge, die oft über viele Monate intensiv verhandelt werden. Deshalb bin ich auch oft auf Reisen und manchmal eine ganze Woche lang nicht in München. LTO: Arbeiten Sie und Ihre Kolleginnen "wie ein Mann"? Ulmer-Eilfort: Ihre Frage verstehe ich nicht, weil ich nicht weiß, wie "ein Mann arbeitet". Ich arbeite, so wie es mir entspricht und wie es unsere Mandanten von uns fordern. Ich denke, dass ich immer ich selbst bin und nicht versuche, andere zu imitieren. Klischees sind nicht angebracht. LTO: Negieren wir Tatsachen, wenn Frauen behaupten, wie Männer zu agieren? Und nehmen uns damit vielleicht gar Möglichkeiten, Weibliches oder weibliche Eigenschaften produktiv einzusetzen? Ulmer-Eilfort: Natürlich gibt es Frauen, die im Beruf nicht sehr weiblich auftreten, Anzüge tragen, die auch Männer tragen könnten, und zum Teil unnötig hart verhandeln. Eine Pauschalierung scheint mir aber nicht angebracht. Auf die meisten Kolleginnen, die ich kenne und schätze, passt dieses Bild nicht. LTO: Haben Sie sich jemals wegen Ihres Geschlechts "diskriminiert" gefühlt? Ulmer-Eilfort: Bei dieser Frage musste ich nachdenken. Offen diskriminiert wurde ich nie, im Gegenteil, ich bin gerade weil ich eine Frau bin auch gefördert worden. Einer Frau, die es "so weit gebracht hat", wird von Mandanten und Kollegen oft Respekt entgegen gebracht. Dennoch gibt es Bereiche, an denen ich die Unterschiede auch heute noch spüre. So haben es Frauen in unserer Partnerschaft z.B. schwer, in Führungspositionen zu kommen. LTO: Stichwort "gläserne Decke": Was haben Sie anders gemacht als viele Ihrer Geschlechtsgenossinnen? Ulmer-Eilfort: Anders als viele andere Frauen habe ich mit großem zeitlichen und organisatorischen Aufwand versucht, sowohl den Kindern als auch der Karriere gerecht zu werden. Natürlich hatte dies seinen Preis: ich habe weniger mit meinen Kindern erlebt, als Frauen, die zu Hause geblieben sind. Wenn sie aus der Schule kamen, war ich nicht da, um zu hören, was tagsüber passiert ist. Meinem Mann konnte ich nicht den Rücken frei halten. Ich selbst war oft am Ende meiner Kräfte. Viele Frauen treffen eine andere Lebensentscheidung. Ich kann dies in gewisser Weise nachvollziehen. Für mich selbst kann ich aber sagen, dass ich es genauso wieder machen würde. LTO: Bei gleicher Qualifikation zweier Associates: Stellen Sie die Frau oder den Mann ein? Ulmer-Eilfort: Fünfzig Prozent der Associates, die bei uns anfangen, sind Frauen. Die Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten fällt unabhängig vom Geschlecht. Wichtig wird es, die Frauen zu unterstützen, wenn sie vor der Entscheidung stehen, eine Familie zu gründen. Hier versuche ich, Mut zu machen und Wege zu weisen. LTO: Ohne diese Frage geht es derzeit nicht: Braucht Deutschland die Frauenquote? Ulmer-Eilfort: Ja, und hier zurück zu Ihrem Stichwort "gläserne Decke". Um die gläserne Decke zu beseitigen, brauchen wir vorübergehend (für circa fünf Jahre) eine Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte von großen börsennotierten Unternehmen. Das Interview führte Christian Grohganz.

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