Freundschaftsdienste als Anwalt

Kannst Du mal eben …?

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten
Viele Anwälte wissen ein Lied davon zu singen: Als Experten für Rechtsthemen sind sie gefragte Ansprechpartner von allen möglichen Leuten, die "mal eben" einen Rechtsrat suchen. Wie weit sollte solch ein Freundschaftsdienst gehen?

"Kannst Du mal eben über meinen Mietvertrag schauen?", "Was kann ich gegen meinen Bußgeldbescheid tun?", "Meine Ex-Frau hat Ärger mit ihrem Nachbarn – was soll sie denn jetzt machen?" Rechtsfragen tauchen im Alltag von Privatpersonen häufig auf. Wenn sie auf Partys, an der Theke oder bei anderen privaten Begegnungen auf einen Anwalt treffen, ist die Versuchung groß, nebenbei einen Rat des Experten einzuholen. Ist doch schnell gemacht – oder? "Den meisten Leuten ist gar nicht klar, was hinter solch einer Frage steht", sagt Yvonne Nkrumah, Rechtsanwältin für Medien-, Urheber- und Zivilrecht in Nürnberg. "Wenn es nicht gerade um mein Rechtsgebiet geht, muss ich mich auch erst einmal ins Thema einlesen. Oft kommt es zu Folgefragen, sodass es nicht bei einer schnellen Antwort bleibt, sondern wirklich in Arbeit ausartet." Strafrechtler Uwe-Stephan Soujon wohnte früher in einem kleinen Ort. "Ich konnte nicht mehr auf den Markt gehen, ein Schützenfest besuchen oder mich sonst irgendwo in der Öffentlichkeit zeigen", erinnert sich der Anwalt. "Nachdem die Leute erfahren haben, dass ich Anwalt bin, wurde ich überall angesprochen und um kostenlosen Rat gefragt." Weil ihn diese ständige Vermischung aus Beruflichem und Privatem auf die Dauer nervte, ist er mittlerweile nach Kempten gezogen. "Hier ist alles ein bisschen anonymer, mich kennt nicht jeder, und ich habe wieder eine Privatsphäre."

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Warum kostenlos arbeiten?

Weder Yvonne Nkrumah noch Uwe-Stephan Soujon haben etwas dagegen, wenn Freunde sich mit einer einfachen rechtlichen Frage an sie wenden. "Wenn ich die Sache mit ein paar Sätzen beantworten kann, ist das schon okay", meint der Strafrechtler. Yvonne Nkrumah hat die Erfahrung gemacht: Je weniger sie die ratsuchende Person kennt, umso fordernder sind oft die Anfragen, die sie nicht selten auch von völlig Fremden zum Beispiel über ihre Facebook-Seite oder über WhatsApp erhält. "Freunde und gute Bekannte sind hier eher zurückhaltender, weil sie wissen, dass es mich Arbeit kostet, einen fundierten Rechtsrat zu geben", so die Anwältin. "Ich entscheide dann oft nach Sympathie, inwieweit ich mich engagieren möchte." Sofort abzulehnen, wenn sie in einer privaten Situation gefragt wird, hält sie für keine gute Strategie. "Manchmal ergeben sich ja sogar Mandate aus solch einer Anfrage, wenn ich erkläre, wie viel Aufwand tatsächlich hinter einem Schreiben an die Gegenseite oder einem fundierten Rat verbirgt." Meist reicht schon die Frage nach einer Rechtsschutzversicherung, um dem Fragesteller klar zu machen, dass sein Anliegen etwas kostet. Ohne Honorar zu arbeiten, kann sich die Anwältin mit einer eigenen Kanzlei auch gar nicht erlauben. "Oft frage ich mein Gegenüber dann einfach, ob er vielleicht auch ohne Gehalt arbeitet." Hinzu kommt, dass Anwälte ihren Rat gar nicht kostenlos erteilen dürfen. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz schreibt vor, wie hoch eine anwaltliche Vergütung sein muss. Darüber hinaus sind unter Beachtung bestimmter gesetzlicher Vorschriften auch individuelle Vergütungsvereinbarungen zulässig. Preiskämpfe unter Anwälten sind nicht erlaubt – und damit im Grunde genommen auch keine kostenlose Beratung. Dies ist oft auch Soujons Antwort auf Anfragen von Privatpersonen. Oder er überreicht der Thekenbekanntschaft einfach seine Telefonnummer und bittet um einen Anruf am nächsten Tag, um einen offiziellen Termin auszumachen. "Meist hat sich die Sache dann schnell erledigt", so seine Erfahrung.

Eigene Schmerzgrenze festlegen

Sich gegen solche Anfragen für vermeintliche Freundschaftsdienste zu wehren, ist ein Lernprozess, sagen beide Anwälte. "Wenn man mich auf Studentenpartys nach meiner rechtlichen Meinung gefragt hat, habe ich die natürlich gern zum Besten gegeben", erinnert sich Yvonne Nkrumah. "Schließlich habe ich mich geschmeichelt gefühlt, als Expertin angesehen zu werden." Als sie ihre eigene Kanzlei gründete, hat sie ebenfalls anfangs einmal jemanden länger beraten, ohne Geld dafür zu verlangen. "Das habe ich mir aber schnell abgewöhnt, denn ich will mich schließlich nicht ausbeuten lassen." Uwe-Stephan Soujon empfiehlt jungen Anwälten, sich schnell ein dickes Fell zuzulegen und unangemessene Anfragen höflich, aber bestimmt abzulehnen. "Jeder muss hier selbst entscheiden, wo seine Schmerzgrenze liegt", so der Strafrechtler. Dass selbstständige Anwälte nicht ohne Honorar überleben können, liegt auf der Hand. Wie aber sieht es aus, wenn angestellte Anwälte im privaten Umfeld um rechtlichen Rat gebeten werden? Louisa Kallhoff arbeitet seit zwei Jahren als Anwältin bei der international tätigen Kanzlei Orrick, Herrington & Sutcliffe und berät dort Unternehmen in arbeitsrechtlichen Fragen. "Mich sprechen häufig Bekannte an: 'Du machst doch Arbeitsrecht. Kannst Du mal eben was zum Kündigungsschutz erklären?'", berichtet die 29-Jährige. Ob sie solch einer Bitte nachkommt, entscheidet Louisa Kallhoff danach, wie nah ihr die Person steht. In der Regel hilft sie nur Familienmitgliedern oder engen Freunden bei abstrakten Rechtsfragen. "Schließlich mache ich das alles in meiner Freizeit, und die ist nun einmal knapp bemessen." Hinzu kommt, dass sie sich bei der Erteilung eines konkreten Rechtsrates eventuell in einen Konflikt begeben könnte, insbesondere wenn der betreffende Arbeitgeber zu den Kunden ihrer Kanzlei gehört. Bei vielen privaten Anfragen ist es eine gute Lösung, einen versierten Kollegen zu empfehlen. Dann hat sich die Frage des "mal-ebens" schnell erledigt.

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