Special Anwaltstag: Ethik-Kodex

The question is what is the question

Pia Lorenz / LTO-RedaktionLesedauer: 4 Minuten
Muss die Anwaltsmoral geregelt werden? Die Frage ist nicht neu, aber dennoch brandaktuell. Auch auf dem Anwaltstag ging es um die Entscheidung zwischen Sicherheit und Freiheit, Angst und anwaltlichem Selbstverständnis. Nur eines kommt in der lebhaften Diskussion zu kurz: Das Problem, meint Pia Lorenz.

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Die Anwaltschaft kämpft mit sich selbst. Mit dem steigenden ökonomischen Druck, mit den Angeboten des Internets, so der Präsident des Deutschen Anwaltvereins Prof. Dr. Wolfgang Ewer beim 62. Deutschen Anwaltstags auf die Frage, was der Auslöser sei für eine Diskussion um einen Ethik-Kodex für der Anwaltschaft. Vielleicht kämpfen viele auch schlicht mit der Gewissenlosigkeit von Kollegen - ein Ausdruck, der mehrfach zu hören waren in der und um die Veranstaltung.  Die Zeiten sind härter geworden, scheint es. Insbesondere junge Anwälte sehnten sich nach Regeln, nach Sicherheit bei der Ausübung eines Berufs, den ihnen niemand beigebracht hat während ihrer Ausbildung, so die Vorsitzende des Forums Junge Anwaltschaft Silke Waterschek. In diesem Punkt war man sich dann auch fast einig im Ausschuss Anwaltliche Berufsethik, der sich mit der Frage beschäftigte, ob die Anwaltschaft einen Ehrenkodex benötigt: Es wäre alles nur halb so schlimm, wenn die Anwälte in ihrer Ausbildung lernten, wie man Anwalt ist. Ebensowenig Diskussionsbedarf bestand darüber, dass es Grundwerte gibt, denen sich alle Anwälte verbunden fühlen. Gestritten wird darüber, ob es dafür eines Kodexes bedarf. 

Nicht neu und wenig originell: Sicherheit gegen Freiheit

Der Streit ist nicht neu und wird mit der Zeit auch nicht origineller. Es überrascht nicht, dass ein Vorhaben, das Reglementierung für die Anwaltschaft bedeuten würde, auf regen Widerstand trifft. Die Advokaten pochen auf ihre Freiheit. Auf ihren "freien" Beruf, der nur im Interesse von Gemeinwohlbelangen reglementiert werden darf, so das Bundesverfassungsgericht. Die Kehrseite der Freiheit ist die Unsicherheit. Liegt eine Interessenkollision vor, die daran hindert, ein Mandat anzunehmen - obwohl es lukrativ wäre? Kann ein Anwalt sein Mandat niederlegen - oder wäre das "zur Unzeit"? Die Fragen vor allem der jüngeren Kollegen, die die Vorsitzende des Forums Junge Anwaltschaft beschrieb, machten deutlich, wie groß die Unsicherheit ist. Die Positionen sind so eindeutig wie verständlich. Wer jemals vor den Entscheidungen des anwaltlichen Alltags gestanden hat, die sich nicht nur in Ausnahmefällen abspielen können zwischen Wirtschaftlichkeit und Gewissen, hat Verständnis für das Bedürfnis nach Sicherheit - und dafür, sie zu kodifizieren. Und wer einen freien Beruf ergreift, um frei, unabhängig und primär dem eigenen Gewissen verpflichtet zu arbeiten, kann sich dem traditionellen Ruf der Anwaltschaft nach Freiheit nur schwerlich verweigern. Es ist das alte Leid: Regeln erleichtern, an Schemata kann man sich entlang hangeln, damit kennen sich gerade Juristen bestens aus. Auf der anderen Seite bedeutet jede detailliertere Regelung den Verlust von Flexibilität - und lässt notwendig die Frage aufkommen, wie viele Fälle man im Detail regeln soll und kann.

Berufsrecht, Strafrecht, Verträge - und sonst?

Und so argumentieren die Gegner des Kodexes dann auch mit der Vielzahl und der Vielschichtigkeit der denkbaren Fälle, in denen es zu ethischen Konflikten kommen kann. Vor allem aber verweisen sie, auch das klassisch, auf die bereits vorhandenen Vorschriften. "Alles, was wir brauchen, ist das Recht," brachte Dr. Joachim Freiherr von Falkenhausen die Position der Gegner einer Verschriftlichung von Richtlinien auf den Punkt. Das Berufsrecht gebe - wenn auch zum Teil mit unbestimmten Rechtsbegriffen - den Rahmen der anwaltlichen Arbeit vor. "Und wenn jemand das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu großzügig interpretiert oder dem Mandanten mehr Arbeitsstunden in Rechnung stelle, als geleistet wurden, dann macht er sich strafbar. Und nicht zuletzt verstößt er natürlich gegen den mit dem Mandanten abgeschlossenen Vertrag", so der Hamburger Anwalt. Vieles spricht wohl dagegen, einen Kodex einzuführen. Dass Verbote die Welt nicht besser machen, dürfte mittlerweile auch bekannt sein. Felix Busse, ehemaliger Präsident des Deutschen Anwaltvereins, brachte es mit dem markigen Satz auf den Punkt "Richtlinien helfen nicht gegen schwarze Schafe". Ebensowenig wohl gegen Gewissenlosigkeit.

The question is: What is the question?

Der angestrebte Ethik-Kodex könnte denklogisch, sofern er sich nicht selbst obsolet machen wollte, nur die Fälle regeln, die das geltende Recht nicht erfasst - sei es nun das Berufsrecht, das Strafrecht oder aber das Zivilrecht im Wege der Folgen einer Vertragsverletzung. Die Beispiele aber für ein solches anwaltliches Fehlverhalten, das nicht schon durch Gesetz sanktioniert wäre, sind äußerst rar. Viele Antworten erhält man nicht auf die Frage, welche genau die Fälle sein sollen, die man als moralisch bedenklich einstufen würde, ohne dass sie gegen geltendes Recht verstoßen. Die Fragen, die gerade die jungen Anwälte beschäftigen und auf die sie Antworten suchen, betreffen vielmehr vor allem das Berufsrecht und seine Auslegung. Es bleibt der Eindruck, dass die Anwaltschaft mit Verve in eigener Sache kämpft. Gerade in emotional geführten Diskussionen aber sollte man manchmal kurz innehalten und sich fragen, wie viel der Diskussion Selbstzweck geworden ist. Oder ob es die Fragen, deren verschiedene Antwortmöglichkeiten so heiß diskutiert werden, überhaupt gibt.

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Thema:

Deutscher Anwaltstag (DAT)

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