Debatte über Neuregelungen

Brau­chen Syn­dikus­anwälte bald eine Haft­pflicht­ver­si­che­rung?

von Anne-Christine HerrLesedauer: 6 Minuten
Die Neuregelung des Rechts der Unternehmensjuristen gerät ins Stocken. Der Gesetzentwurf enthält derzeit eine Plicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Wie weit soll die Gleichstellung mit niedergelassenen Anwälten gehen?

Bislang war geplant, dass die neuen Regeln des Rechts der Syndikusanwälte zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Doch bei der Absicherung eventueller Haftungsfälle gehen die Meinungen der Parteien nach einem intensiven koalitionsinternen Berichterstattergespräch weit auseinander. Seit über einem Monat laufen im Rechtsausschuss des Bundestages Gespräche, um in dem zentralen Punkt der Haftungsfrage schnell zu einer Übereinkunft zu kommen, doch eine Klärung ist nicht in Sicht. Der aktuelle Gesetzentwurf des Ministeriums sieht in der geplanten Fassung des § 46a Abs. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zwingend eine Pflicht für Syndizi vor, wie freie Rechtsanwälte eine Berufshaftpflichtversicherung gem. § 51 BRAO für ihre angestellte Tätigkeit im Unternehmen abzuschließen. Die Versicherung soll sowohl für die Fälle gelten, in denen der Justiziar sich seinem Arbeitgeber gegenüber schadensersatzpflichtig macht als auch für solche Konstellationen, in denen ihn ein Dritter erfolgreich in Anspruch nimmt. In der Gesetzesbegründung aus dem Haus des Justizministers Heiko Maas (SPD) heißt es, dass Syndikusanwälte ohne eine Berufshaftpflichtversicherung Gefahr liefen, persönlich für fehlerhafte Beratungen in Anspruch genommen zu werden. Der CDU-Abgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak, stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses, hält eine solche Regelung für überflüssig und kontraproduktiv. Diese Ansicht teilen der  Bund deutscher Unternehmensjuristen (BUJ), der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Letzterer hatte Justizminister Maas am 17. September in einem Brief aufgefordert, von der Haftpflicht Abstand zu nehmen. Initialzünder für die Debatte um die Rechtstellung der Syndizi waren mehrere Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) aus 2014. Darin entschied das Gericht, dass Unternehmensjuristen – im Gegensatz zu Anwälten – nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit werden und in das anwaltliche Versorgungswerk einzahlen können. Der aktuelle Gesetzentwurf möchte aber nicht nur insoweit wieder eine Gleichstellung der Unternehmensjuristen mit den freien Rechtsanwälten erreichen. Im Zuge der Reform, die längst zur grundsätzlichen Debatte über die Stellung der Syndizi geworden ist, sollen nun auch Haftungsfragen geregelt werden.

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CDU: Haftpflicht entbehrlich und sogar kontraproduktiv

Jeder zugelassene Syndikusanwalt müsste nach der derzeit im Entwurf vorgesehenen Regelung die gesamten sich aus der anwaltlichen Tätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 Euro für jeden Schadensfall abdecken. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dies sei notwendig, um die Vermögensinteressen Dritter, die wirtschaftliche Existenz und somit die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts zu wahren, da dieser Ansprüchen sowohl seines Arbeitgebers als auch von Dritten ausgesetzt sein könne. Jan-Marco Luczak hält die Versicherungspflicht für Syndizi für entbehrlich. Er ist der Ansicht, im Außenverhältnis gegenüber Dritten hafteten Unternehmensjuristen als Erfüllungsgehilfen ihres Arbeitsgebers grundsätzlich nicht. Darüber hinaus findet der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsauschusses  die vorgesehene Regelung sogar kontraproduktiv im Hinblick auf den Gesetzeszweck der Gleichstellung der Syndikusanwälte. "Damit würden sie schlechter gestellt als angestellte Anwälte in Kanzleien, die im Innenverhältnis zu ihrem Arbeitgeber keine Haftpflichtversicherung benötigen", erläutert er gegenüber LTO. "Wir wollen keine Privilegierung der Syndizi, aber auch keine Schlechterstellung. Wir wollen den Status quo vor den Urteilen des Bundessozialgerichts wiederherstellen." Mit dieser Aussage bezieht er sich zum einen auf die im Vergleich zu den Policen der freien Anwälte höheren Prämien, die ein Syndikusanwalt wohl leisten müsste, weil seine Versicherung zusätzlich das interne Risiko absichern müsste. "Das wäre eine große Hürde für die Zulassung als Syndikus und in einigen Fällen womöglich wirtschaftlich nicht tragbar." Zum anderen sieht Luczak die Gefahr, dass das unternehmerische Risiko allein auf die Versicherungen abgewälzt würde. "Sollte der Syndikusanwalt verpflichtet werden, für die Fälle interner Haftung gegenüber dem Arbeitgeber eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, so könnte dies sogar dazu führen, dass die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung nicht mehr greifen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann sich ein Arbeitnehmer nämlich nicht auf eine Haftungsbeschränkung berufen, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung greift."

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2/2: Gilt die Haftungserleichterung für Arbeitnehmer überhaupt für Syndizi?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschl. v. 27.09.1994, Az. GS 1/89) wird die Haftung des Angestellten gegenüber seinem Arbeitgeber für "betrieblich veranlasste Tätigkeiten"  je nach Grad seines Verschuldens eingeschränkt. Arbeitnehmer haften hier in der Regel nur bei grober Fahrlässigkeit und Verschulden. Grund hierfür ist, dass der Arbeitgeber ein gewisses Betriebsrisiko trägt, welches man dem Arbeitnehmer nicht auferlegen möchte. Tatsächlich ist es jedoch gerichtlich nicht eindeutig geklärt, ob diese Grundsätze auch im Innenverhältnis eines Justiziars zu seinem Arbeitgeber gelten. Noch 1969 versagte der Bundesgerichtshof (BGH) einem Syndikus die Berufung auf diese Haftungsprivilegien, weil der Arbeitgeber ihm die Art und Weise, wie er seinen Aufgaben nachkommt, zu eigener Verantwortung überlasse und insoweit keinerlei Weisungsrecht in Anspruch nehme. "Durch die Anstellung eines Justiziars will der Betriebsinhaber gerade das Risiko (…) mindern, das seinen geschäftlichen Unternehmungen in rechtlicher Beziehung anhaften kann" (Urt. v. 07.10.1969, Az. VI ZR 223/67). Diese Vorstellung vom Berufsbild eines Unternehmensjuristen hat der BGH auch in späteren Entscheidungen aufrechterhalten, erläutert der auf das Haftungs- und Versicherungsrecht von Rechtsanwälten spezialisierte Anwalt Dr. Alexander Weinbeer. Hierzu gebe es allerdings bis heute keine einheitliche Linie in der Entscheidungspraxis, vielmehr müssten die Richter in jedem Einzelfall entscheiden, inwieweit der Justiziar im konkreten Fall eher weisungsgebunden oder eher unabhängig von seinem Arbeitgeber agiert. Aus diesem Grund wies Weinbeer auch schon im Februar dieses Jahres explizit darauf hin, dass die neue Ausgestaltung des Rechts der Syndikusanwälte einen entscheidenden Einfluss auch auf deren Haftungsfragen haben werde. Denn je unabhängiger und den freien Rechtsanwälten angenäherter ihre Stellung ausgearbeitet werde, desto unwahrscheinlicher werde es, dass die Grundsätze zur Haftungserleichterung Anwendung fänden. In der Begründung des Gesetzentwurfs finden sich hierzu keine Ausführungen. Auf Nachfrage, ob der Entwurf berücksichtige, ob und in welchem Umfang Gerichte die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auf die Unternehmensanwälte anwenden sollen, teilte eine Sprecherin lediglich mit, dies sei einer der zentralen Punkte, der derzeit im Rechtsausschuss beraten werde, daher könne man keine Auskünfte erteilen.

Wäre eine Syndikus-Versicherung teurer als die für Anwälte?

Sollte es also dazu kommen, dass Syndikusanwälte in Zukunft eine Haftpflichtversicherung sowohl für interne als auch für externe Risiken abschließen müssen, so würden die entsprechenden Prämien voraussichtlich höher ausfallen als die der Anwälte, meint Versicherungsanwalt Weinbeer. Das "Syndikusrisiko", also die Haftung gegenüber dem eigenen Arbeitgeber, sei sehr hoch und übersteige das typische Anwaltsrisiko. Daher geht Weinbeer davon aus, dass die Haftungssumme von 250.000 Euro, die im Entwurf vorgesehen ist, nicht ausreichen wird und die Versicherungen höheren Prämien fordern werden. Wie genau sich der Markt in der Hinsicht entwickeln könnte, sei derzeit nicht abzusehen, da die Übernahme von Syndikusrisiken derzeit nur in Ausnahmefällen und auf freiwilliger Basis existiere. Nach der Gesetzesbegründung zu § 46a Abs. 4 BRAO n.F. soll es allerdings wie bei angestellten Anwälten möglich sein, dass der Arbeitgeber selbst eine Haftpflichtversicherung für den Syndikusanwalt abschließt, was die Justiziare entlasten könnte.

Wie müsste eine Haftpflichtversicherung für Syndizi aussehen?

Martin W. Huff, Sprecher des Ausschusses Syndikusanwälte im Kölner Anwaltverein und als Anwalt bei Legerlotz Laschet Vertreter in vielen laufenden sozialversicherungsrechtlichen Verfahren rund um die Unternehmensjuristen, sieht noch eine dritte Möglichkeit neben den beiden in der Politik diskutierten Lösungen der Haftungsfrage: Man sollte an der Versicherungspflicht zwar weiterhin festhalten, sie jedoch auf die Fälle beschränken, in denen Justiziare ausnahmsweise im Außenverhältnis tätig werden und somit potenziell Dritten Schaden zufügen könnten. Damit wäre eine identische Versicherung wie die der freien Rechtsanwälte möglich. Damit aber auch das interne Risiko abgedeckt werde, müsse in der Gesetzesbegründung klargestellt werden, dass die richterrechtlichen Grundsätze der Angestelltenhaftung auch für Syndizi gelten sollen. Auch hier stellt der Verfechter der völligen Gleichstellung von Syndizi die Parallele zu den angestellten Rechtsanwälten in einer Kanzlei her, für welche diese Grundsätze ebenfalls ausnahmslos angewendet würden.

Wie geht es weiter?

Martin W. Huff ist sich sicher, dass der Gesetzgebungsprozess noch lange nicht zu Ende ist. "Ich halte ein Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2016 auch für gefährlich, weil es viel zu schnell ginge." Man müsse bedenken, dass sich die Rechtsanwaltskammern auf viele Anträge einstellen müssten. Auch die Arbeitgeber müssten ihre Stellenbeschreibung gesetzmäßig formulieren, damit in Zukunft eine Zulassung als Syndikusanwalt möglich ist. Noch ist nicht klar, wann das von Justizminister Heiko Maas vorgelegte Papier im Bundestag in die zweite und dritte Lesung kommen soll. Die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundestages weist keinen entsprechenden Punkt auf, so dass eine nächste Befassung erst am 2. November 2015 möglich ist. Ob das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Unternehmensjuristen zum Jahresbeginn 2016 wie geplant in Kraft treten kann, ist angesichts dieses zentralen Streitpunktes nicht gesichert.

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