Bußgelder und Vermögensabschöpfung

Was kosten Ver­stöße gegen das ArbZG?

Gastbeitrag von Dr. Matthias Brockhaus und Dr. Sebastian MaißLesedauer: 5 Minuten

Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz werden sanktioniert. Für Unternehmen bedeutet das auch, erlangte Gewinne abgeben zu müssen. Doch die Berechnung für die Bußgeldhöhe ist unklar, erklären Matthias Brockhaus und Sebastian Maiß.

Die Mitgliedstaaten müssen Arbeitgeber dazu verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter gemessen werden kann. So entschied es der Europäische Gerichtshof (EuGH, 14.05.2019, Az. C-55/18). Bislang ist noch unklar, wann und in welcher Form der deutsche Gesetzgeber dieses Urteil in nationales Recht umsetzen wird.

Außer Frage steht hingegen, dass eine verschärfte Protokollierung der Arbeitszeit kommen wird und damit auch Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) transparent werden. Diese können nach § 22 ArbZG von den Arbeitsschutzbehörden als bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit oder in den Fällen des § 23 ArbZG sogar über die Staatsanwaltschaft als Straftat geahndet werden.

Weitestgehend unbekannt ist, dass die Behörden darüber hinaus den durch einen Verstoß gegen das ArbZG erlangten wirtschaftlichen Vorteil im Wege der Einziehung abschöpfen können, § 29a Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), 73 ff. Strafgesetzbuch (StGB). Der Gesetzgeber hat dieses Verfahren bereits mit Wirkung zum 1. Juli 2017 neu geregelt. Die Vermögensabschöpfung kann für Unternehmen wirtschaftlich erhebliche Folgen haben. Grund genug, sich dieses Verfahren einmal näher anzuschauen.

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Verstöße gegen das ArbZG

Verstöße gegen das ArbZG kommen etwa bei einer Verletzung der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG), der Nichteinhaltung der Ruhepausen (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG), einem Verstoß gegen die elfstündige ununterbrochene Ruhezeit nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG) oder auch einer unzulässigen Sonn- oder Feiertagsbeschäftigung (§ 22 Abs. 1 Nr. 5 ArbZG) in Betracht.

Bislang sind Arbeitgeber lediglich dazu verpflichtet, eine über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit (§ 16 Abs. 2 ArbZG) und nicht - wie vom EuGH gefordert- - die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu dokumentieren. Ein Verstoß gegen diese Dokumentationspflicht kann bereits jetzt als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (§ 22 Abs. 1 Nr. 9 ArbZG). Mit einer Verschärfung der Dokumentationspflicht werden allerdings auch andere Verstöße gegen das ArbZG sichtbar, wie z. B. die Überschreitung der werktäglichen Höchstarbeitszeit oder der elfstündigen Ruhenszeit.

Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheitstechnik (LASI) hat einen Bußgeldkatalog u.a. zum Arbeitszeitschutz herausgegeben. Inhaltlich sollen mit diesem Katalog länderübergreifend einheitliche Maßstabe hinsichtlich der Rechtsfolgen von bereits festgestellten Verstößen gegen das ArbZG geschaffen und somit die Bußgeldhöhen vereinheitlicht werden. Es handelt sich hierbei um eine interne Arbeitsanweisung, die sich an die zuständigen Aufsichtsbehörden (Gewerbeaufsichten) zur Vereinheitlichung ihres Verwaltungshandelns richtet.

Einziehung des finanziellen Vorteils

Die Anordnung der Einziehung verfolgt anders als die Bebußung des Unternehmens eine andere Zielrichtung: Die Einziehung des Wertes des durch die Tat erlangten Vermögensvorteils. Vereinfacht gesprochen sollen sich auch im Bußgeldrecht Verstöße gegen das ArbZG nicht lohnen.

Nach der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts mit Wirkung zum 1. Juli 2017 hat sich das sog. „Bruttoprinzip“ etabliert. Dies bedeutet, dass der Wert des Erlangten einschränkungslos durch die Behörden oder Gerichte eingezogen werden. Nach der Lesart des Gesetzes ist auf den illegal erlangten Vorteil abzustellen, bei systemischen Verstößen gegen das ArbZG sind schnell Abschöpfungsbeträge im fünf- oder sechsstelligen Bereich erreicht. Denn der Wert soll nach dem Bußgeldkatalog des LASI anhand des Umsatzes ermitteln werden, der durch den Verstoß gegen das ArbZG entstanden sein soll.

Vereinfacht gesagt: Hat etwa ein Unternehmen in einem Geschäftsjahr durchgängig die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen nicht ermöglicht und einen Gewinn ausgewiesen, so lässt sich dieser Gewinn auf die Gesamtöffnungzeit des Unternehmens auf die in dieser Zeit nicht gewährten Pausen und den in dieser Zeit durch die einzelnen Mitarbeiter erwirtschafteten Gewinn herunter rechnen. So zumindest sieht es der LASI vor.

Identische Leistung aller Mitarbeiter?

Doch ist Unternehmen durch die fehlenden Pausenzeiten und die dadurch entstandene (Mehr-)Arbeit tatsächlich konkret etwas zugeflossen? Vielmehr haben die Berechnungen, die sich pauschal an dem Gesamtumsatz der Mitarbeiter ausrichten und prozentual auf den einzelnen Mitarbeiter abgleitet werden, den Charakter einer mathematischen Gleichung oder einer eher hilflosen Arithmetik.

Eine solche Logik würde im Übrigen unterstellen, dass tatsächlich jeder Mitarbeiter individuell (bei gleicher Leistungsstärke) einen identischen Umsatz gemacht hätte. Schon diese Annahme entbehrt jeder betriebswirtschaftlichen Realität. Ebenso nicht nachvollziehbar ist die (weitere) Unterstellung, der prozentual errechnete Mehraufwand an Stunden würde sich unmittelbar eins zu eins und spiegelbildlich in einem Mehrumsatz ausweisen und die Mehrarbeit des immer gleichbleibend motivierten Mitarbeiters während der eigentlichen Pausenzeiten hätte durchgängig und verbindlich zu neuen (berechenbaren) Umsatzgeschäften mit Dritten geführt.

Nicht berücksichtig ist bei der vorgegebenen Berechnung der Abschöpfungssumme auch, ob der Mehraufwand womöglich anderweitig, zB durch Freizeit, ausgeglichen worden ist. Die Behörde lässt damit unbeantwortet, ob das Unternehmen etwas "durch" eine mit einem Bußgeld bedrohte Handlung erlangt hat (§ 29a Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Diese Berechnung würde daher einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Ausschuss berechnet rechtsfehlerhaft

Eine mit der vorstehenden Begründung angeordnete Einziehung wäre auch noch aus einem weiteren Grund rechtsfehlerhaft: Nach der neuen Fassung des § 29a Abs. 3 S. 1 OWiG sind bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Welche Aufwendungen dies sind, lässt sich bei Verstößen gegen das ArbZG nur schwer ermitteln. Stellt man auf das Arbeitsverhältnis insgesamt ab, sind damit verbundene (untrennbare) Kosten in Abzug zu bringen. Das betrifft etwa den zu erbringenden (Grund-)Arbeitslohn, Sozialversicherungsbeiträge etc. Fraglich und ungeklärt ist, ob dies auch für die bezahlten Überstunden selbst gelten würde, also die Bezahlung in das (eigentlich) „verbotene“ Geschäft während der gesetzlich vorgesehenen Pausenzeiten (§ 29a Abs. 3 S. 2 OWiG).

Dennoch: Wenn der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des EuGH zur systematischen Erfassung der täglichen Arbeitszeit umsetzt, werden damit für die Ermittlungsbehörden Verstöße gegen das ArbzG leichter nachvollziehbar. Unternehmen, die Arbeitszeitverstöße zulassen, setzen sich daher einem hohen Risiko aus, in ein Ermittlungsverfahren zu geraten, an dessen Ende auch die Vermögensabschöpfung stehen kann.

Wie der wirtschaftliche Vorteil und abzugsfähige Aufwendungen tatsächlich zu ermitteln sind, ist durch das LASI und die Rechtsprechung nicht geklärt. Dies eröffnet effektive Verteidigungsansätze, um Unternehmen vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Dies sollte zudem Grund genug sein, nicht nur die derzeitigen betrieblichen Arbeitszeitsysteme zu überprüfen, sondern auch eine entsprechende Arbeitszeitcompliance aufzubauen.

Der Autor Dr. Matthias Brockhaus ist Fachanwalt für Strafrecht bei VBB Rechtsanwälte in Düsseldorf und Essen.

Der Autor Dr. Sebastian Maiß ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei vangard Littler in Düsseldorf.

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