Wirksam kündigen ist gar nicht so einfach

Wenn der Post­mann gar nicht klin­gelt

Gastbeitrag von Julia Alexandra SchütteLesedauer: 5 Minuten

Kündigungen passieren ständig, in Corona-Zeiten allerdings besonders häufig. Doch wirksam zu kündigen ist gar nicht so einfach, die Schwierigkeiten liegen vor allem beim ordnungsgemäßen Zugang, erklärt Julia Alexandra Schütte.

Hat der Arbeitgeber die Entscheidung zur Kündigung eines Mitarbeiters gefällt, beginnen die Herausforderungen: Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) wird geprüft, eine soziale Rechtfertigung für die Kündigung in Form eines tauglichen Kündigungsgrunds liegt vor oder wird nicht benötigt, die vertragliche, tarifliche oder gesetzliche Kündigungsfrist wird ermittelt, Betriebsrat und/oder Integrationsamt werden beteiligt.

Doch damit ist es nicht getan, eine Kündigung muss dem Arbeitnehmer auch wirksam zugehen. Abhängig von der Kündigungsfrist kann ein verspäteter Zugang von Kündigungen zu erheblichen Mehrkosten führen und im Falle der verfristeten außerordentlichen Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Scheitern bringen.

Nach § 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedarf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses der Schriftform. Sie setzt eine eigenhändige Unterschrift einer zur Kündigung berechtigten Person mit Stift auf Papier voraus. Namenskürzel, -stempel oder -scans sind ebenso wenig ausreichend wie eine Kopie des unterzeichneten Schreibens oder eine Übersendung per Fax, E-Mail oder WhatsApp.

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Ohne Zugang läuft gar nichts

Die Kündigung ist eine sog. einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers. Sie wird erst wirksam, sobald sie dem Empfänger zugeht. Unabhängig vom Datum, das auf dem Kündigungsschreiben steht, beginnen die maßgeblichen Fristen im Zusammenhang mit der Kündigung mit diesem Zugang zu laufen. Auf dessen Zeitpunkt kommt es insbesondere bei der Frage an, ob der gekündigte Mitarbeiter rechtzeitig, nämlich innerhalb von drei Wochen, Kündigungsschutzklage eingelegt hat.

Für den Zugang müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Kündigungserklärung muss zum einen in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangen, zum anderen muss dieser unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit haben, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen.

Der "Machtbereich" des Arbeitnehmers

Um die Kündigung im ersten Schritt in den sog. Machtbereich des Arbeitnehmers zu bringen, hat der Arbeitgeber mehrere Möglichkeiten. Am einfachsten ist für ihn die persönliche Übergabe eines nicht kuvertierten Kündigungsschreibens am Arbeitsplatz unter Zeugen. Zudem wird er den Arbeitnehmer auffordern, den Empfang des Schreibens zu quittieren.

Verweigert der Arbeitnehmer das und will die Kündigung nicht annehmen, liegt eine Zugangsvereitelung vor und der Zugang kann fingiert werden – vorausgesetzt, der Arbeitnehmer hatte die Möglichkeit, das Schreiben mitzunehmen. Es reicht nicht aus, dem Arbeitnehmer die Kündigung nur kurz hinzuhalten und dann wieder einzustecken.

"Habe ich nie bekommen"

Oftmals ist eine persönliche Übergabe in der Praxis nicht möglich, beispielsweise weil der Arbeitnehmer seit Längerem arbeitsunfähig krank ist. Bei Zustellung unter Abwesenheit des Empfängers empfiehlt sich eine saubere Dokumentation.

Keinesfalls darf das Kündigungsschreiben mit der normalen Briefpost zugestellt werden. In diesem Fall kann die Behauptung des Arbeitnehmers, den Brief nie erhalten zu haben, schon wegen des tatsächlich existierenden Verlustrisikos auf dem Postweg nicht widerlegt werden. Auch ein Übergabe-Einschreiben birgt Risiken. Denn wenn der Zusteller den Empfänger nicht antrifft, wirft er lediglich eine Benachrichtigungskarte ein. Holt der Empfänger das Schreiben nicht ab, scheitert die Zustellung regelmäßig.

Der Nachweis, dass der Arbeitnehmer durch die Nichtabholung in der Postfiliale den Zugang vereitelt hat, gelingt in der Praxis kaum. Denn nur wenn der Arbeitnehmer sicher mit einer Kündigung rechnen muss und der Arbeitgeber nach dem Postrücklauf eine erneute Zustellung veranlasst, besteht die Möglichkeit einer Zugangsfiktion zum Zeitpunkt des ersten Zustellversuchs. Im Falle eines Einwurf-Einschreibens stellt der Zustellungsbeleg im Kündigungsschutzprozess aber keinen unerschütterlichen Beweis dar. Einzelne Zusteller lassen sich kaum ermitteln und können im Übrigen höchstens den Einwurf, nicht aber den Inhalt des Kuverts bezeugen.

Selfie vom Moment des Einwurfs

Der Arbeitgeber wird daher die Überbringung der Kündigung durch einen Boten vorziehen und wird sich von dem Boten auf einem vorgefertigten Protokoll mehrere Aussagen quittieren lassen: Erstens, dass der Bote im Beisein weiterer benannter Personen das an den Empfänger adressierte Kündigungsschreiben gelesen hat. Zweitens, dass dieses Schreiben vor den Augen des Boten in das Kuvert gelegt und dieses verschlossen wurde und drittens, zu welcher Uhrzeit er das Kuvert in den namentlich beschrifteten Briefkasten des Empfängers eingeworfen hat.

Oft greifen Boten sogar zur Fotodokumentation in Form eines "Selfies" im Moment des Einwurfs. Viele Arbeitgeber lassen mittlerweile ganze Videos vom Zustellvorgang drehen. Der Arbeitgeber wird sicherstellen, dass eine lückenlose Beweiskette vom Ausfertigen der Kündigung bis zu deren Zustellung geschaffen wird.

Vorzugswürdig ist bei der Überbringung durch einen Boten der Einwurf in den eindeutig beschrifteten Briefkasten. Nur wenn eine solche Empfangsvorrichtung unbeschriftet, abmontiert, zugeklebt oder gar nicht erst vorhanden ist, sollte versucht werden, eine persönliche Übergabe zu bewirken. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Schreiben mangels Identitätsfeststellung der falschen Person übergeben wird oder der Empfänger dies zumindest behauptet. Als Bote kann ein professioneller Kurierdienst oder ein Rechtsanwalt fungieren; es können aber auch andere Mitarbeiter des Arbeitgebers einspringen.

Wann leert der Durchschnittsbürger seinen Briefkasten?

Ist das Schreiben nachweisbar in den Briefkasten eingeworfen, folgt daraus aber nicht automatisch der sofortige Zugang. Der Arbeitnehmer muss zum Beispiel nicht mit Post in den Abendstunden, am Sonntag oder an einem Feiertag rechnen, sodass der Zugang in diesen Fällen erst am darauffolgenden Werktag erfolgt.

Aber selbst mit einem Einwurf um die Mittagszeit ist der Arbeitgeber nicht zwangsläufig auf der sicheren Seite. Denn wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich bekräftigt hat (Urt. v. 22 08.2019, Az. 2 AZR 111/19), kommt es nicht auf eine abstrakt festgelegte Uhrzeit an, sondern darauf, wann nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Briefkastenleerung zu rechnen ist. Um das festzustellen, sind sowohl die konkreten Gepflogenheiten hinsichtlich der Leerung eines Briefkastens am Zustellungsort zu beachten als auch die allgemeinen örtlichen Postzustellungszeiten.

Arbeitgeber sind auf Grund dieser anhaltenden rechtlichen Unsicherheiten gut beraten, Kündigungsschreiben nicht erst am letztmöglichen Tag zur Wahrung der Kündigungsfrist zuzustellen. Wenn sich dies – wie die Praxis oft zeigt – nicht vermeiden lässt, gilt: Je früher am Tag der Einwurf in den Briefkasten erfolgt, umso besser. Dagegen ist bei einer Zustellung nach 20 Uhr regelmäßig von einem Zugang erst am Folgetag auszugehen.

Einig ist sich die Rechtsprechung, dass es nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers ankommt. Deshalb scheitert der Zugang auch nicht daran, dass der Arbeitnehmer wegen Urlaubs oder Krankheit keine Kenntnis von dem Kündigungsschreiben in seinem Briefkasten genommen hat. In diesen Fällen muss der Empfänger selbst Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme treffen.

Die Autorin Julia Alexandra Schütte ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei Beiten Burkhardt in Berlin. Ihr Tätigkeitsbereich umfasst individuelles und kollektives Arbeitsrecht, insbesondere betriebsverfassungs- und tarifrechtliche Beratung. Ihre Mandanten sind u.a. große und mittelständische Unternehmen, vor allem solche aus dem Gesundheitssektor.

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