BVerwG verlangt Gewerbeschein für Betreuung

Anwälte sind auch nur Menschen

von Prof. Dr. Winfried KluthLesedauer: 3 Minuten
Wer für einen anderen als Betreuer tätig wird, braucht einen Gewerbeschein - auch wenn er Anwalt ist. Das entschied das BVerwG am Mittwoch. Einem Widerspruch zum anwaltlichen Selbstverständnis können die Advokaten ja mit einer zurückhaltenden Vergütung begegnen, kommentiert Winfried Kluth

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Es gehört zu den prägenden Merkmalen der reglementierten Freien Berufe, dass die Berufsträger für sich eine besonders qualifizierte Ausbildung, ein erhöhtes Maß an Vertrauenswürdigkeit, eine Gemeinwohlorientierung und ein gemäßigtes Gewinnstreben in Anspruch nehmen dürfen. In vielen Berufsgesetzen ist zudem ausdrücklich statuiert, dass es sich nicht um ein Gewerbe handelt. Einigen Freiberuflern, wie zum Beispiel den Ärzten, ist eine gewerbliche Betätigung neben oder im Zusammenhang mit der Berufsausübung sogar ausdrücklich untersagt. Vor dem Hintergrund dieses Selbstverständnisses verwundert es nicht, dass mehrere Rechtsanwälte, die auch als Betreuer nach § 1897 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tätig waren, mit Befremden und Unverständnis reagierten, als die zuständige Gewerbeaufsichtsbehörde sie aufforderte, eine Gewerbeanzeige nach § 14 Gewerbeordnung (GewO) abzugeben. In einem der Fälle, über die das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Mittwoch  zu entscheiden hatte, teilt die betroffene Rechtsanwältin der Gewerbeaufsicht mit, die Berufsbetreuung sei Teil ihrer freiberuflichen anwaltlichen Tätigkeit. Es widerspreche ihrem grundlegenden Empfinden, in ihrer Betreuertätigkeit ein Gewerbe zu sehen. Demgemäß widerstrebe ihr eine Gewerbeanmeldung. Die erforderliche Aufsicht über ihre Berufsausübung sei durch das Zulassungsverfahren für Rechtsanwälte und die Aufsicht der Vormundschaftsgerichte über die Betreuertätigkeit ausreichend gewährleistet.

Ein Betreuer braucht keine besondere fachliche Qualifikation

Nach Niederlagen vor den Verwaltungsgerichten und dem Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hatten die klagenden Rechtsanwälte auch mit ihrer Revision in Leipzig keinen Erfolg. In aller Deutlichkeit stellte der 8. Senat fest, dass die Betreuungstätigkeit alle für die Qualifikation als Gewerbe erforderlichen Merkmale erfüllt und nicht die für den Freien Beruf prägende "höhere Bildung oder schöpferische Begabung" voraussetzt (BVerwG, Urt. v. 27.02.2013, Az. 8 C 7.12). Das begründen die höchsten deutschen Verwaltungsrichter schon damit, dass die Betreuertätigkeit vorrangig als Ehrenamt ausgestaltet ist. Sie bedarf keiner besonderen Ausbildung und der Gesetzgeber ist, wie es auch in der Praxis regelmäßig stattfindet, davon ausgegangen, dass diese Aufgaben in den meisten Fällen Angehörige übernehmen.

Ein Anwalt ist eben nicht immer ein Anwalt

Diese aus der Regelung im BGB mit einer an Evidenz grenzenden Klarheit folgende Einordnung hätte nur  mit dem Argument in Frage gestellt werden können, dass eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt auch dann als solcher handle, wenn er Tätigkeiten ausübt, die nicht dem Anwaltsberuf vorbehalten oder für diesen prägend sind. Das dahinter stehende Leitbild, ein Anwalt sei immer Anwalt, egal was er tue, gilt für bestimmte Bereiche des Berufsrechts. So können sich auch Gesetzesverstöße nachteilig auf die Berufszulassung auswirken und Sanktionen auslösen, die der Anwalt nicht unmittelbar bei seiner beruflichen Tätigkeit begeht, zum Beispiel strafrechtliche Verurteilungen oder eine Privatinsolvenz. Daraus folgt aber nicht umgekehrt, dass die gesetzlichen Vorgaben für andere Betätigungsbereiche für einen Anwalt nicht gelten. Gerade weil ihm im Unterschied zu beispielsweise Ärzten andere gewerbliche Tätigkeitsbereiche nicht verschlossen sind, muss er sich auch den für diese Bereiche geltenden Regeln unterwerfen. Dies folgt auch schon daraus, dass die anwaltliche Berufsaufsicht die Einhaltung der Regeln, welche für solche anderen Jobs Geschäftsführer oder Unternehmensberater gelten, gerade nicht überwachen kann und darf. 

Bei Unbehagen: Freiwillige Zurückhaltung bei der Vergütung

Soweit bei  Anwälten nach der Entscheidung aus Leipzig ein Unbehagen zurückbleibt, sollten sie sich daran erinnern, dass sie den Aspekt des Gewerbes, vom dem sich die meisten Freiberufler gerne distanzieren, korrigieren können. Schließlich bleibt es ihnen unbenommen, das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht durch ihr Verhalten zu einem gemäßigten Gewinnstreben zu machen. Zugleich sollte das Urteil allen Beteiligten vor Augen führen, dass die Tätigkeit eines Betreuers vor allem eine allgemeine menschliche Kompetenz und keine spezielle fachliche Qualifikation verlangt. Der Autor Prof. Dr. Winfried Kluth ist Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Richter des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt. Er forscht unter anderem zum deutschen und europäischen Migrations- und Berufsrecht.

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