Warum Mitarbeitende den Job wechseln

Jedem Partner sein eigenes Süpp­chen

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten

Manchmal entpuppt sich der vermeintliche Traumjob doch nicht als das, was man bei der Einstellung erwartet hat. Warum Juristen ihren Job kündigen und sich etwas anderes suchen, kann vielfältige Gründe haben.

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Sie hatte sich das alles so schön ausgemalt: Prädikatsexamen, Anstellung in der Großkanzlei, Karriere machen. Doch dann kam für die Juristin alles anders. "Manche finden den besonderen Lifestyle, der in einer Großkanzlei herrscht, anfangs sehr aufregend: viele Reisen, namhafte Mandate, ambitionierte Kollegen. Doch viele merken nach einer Weile, dass die Arbeitsbelastung doch sehr hoch ist und dass der Weg zur Partnerschaft schwerer ist als erwartet", sagt Susanne Kleiner. 

Die Coach-Expertin, die bereits viele Juristen als Klienten hatte, hört immer wieder Geschichten von enttäuschten Erwartungen oder falschen Vorstellungen. Oft stellt sich auch erst nach einer Weile heraus, dass die Arbeit in einer bestimmten Kanzlei sich nicht mit den eigenen Werten deckt: Beruf und Familie vereinen, für Gesellschaft, Nachhaltigkeit oder Menschenrechte eintreten, mehr Zeit für sich haben – Gründe für ein Umdenken gibt es viele. "Einige wechseln dann in die Justiz oder in ein Unternehmen, weil die Arbeitszeiten dort ihren Bedürfnissen besser entsprechen", weiß Susanne Kleiner. "Andere machen sich selbstständig und bearbeiten nur noch Mandate, die sich mit ihren Werten decken."

Was ihr grundsätzlich auffällt: Immer mehr Juristen entscheiden sich aufgrund von ideellen Vorstellungen für einen neuen Arbeitgeber und weniger wegen eines hohen Gehalts oder Statussymbolen. "Darauf müssen sich auch Kanzleien einstellen – vor allem die kleinen und mittelständischen, die ohnehin Nachwuchsprobleme haben." Oft helfe es schon, seinen Bewerbern und den bestehenden Mitarbeitern genauer zuzuhören und sich besser auf ihre Bedürfnisse einzustellen.

Unterschätztes Thema: Mitarbeiterführung

Manchmal sind es aber auch ganz andere Gründe, aus denen ein Jurist seinen Arbeitgeber verlässt, obwohl alles stimmt: Die Aufgaben passen, die Zusammenarbeit mit den Kollegen macht Spaß, das Einkommen ist zufriedenstellend – nur der Chef stellt sich als untragbar heraus. "Das Thema Führung unterschätzen viele Kanzleien", ist die Erfahrung von Anwaltscoach Falk Schornstheimer.

Mitarbeiter fühlen sich schlecht, weil Ziele nicht transparent kommuniziert werden, es selten Feedback für die eigene Arbeit gibt oder es an Wertschätzung für die Mitarbeiter fehlt. "Viele Führungskräfte in den Kanzleien, die seit Jahren nichts anderes als Mandatsarbeit gemacht haben, fehlt es einfach an Führungserfahrung", beobachtet auch Dr. Geertje Tutschka, Inhaberin der Kanzleiberatung Consulting for Legal Professionals.

Dann kann ein Führungsstil schon mal autoritär oder konservativ werden, ohne dass es der Vorgesetzte merkt, Zielgespräche finden nicht statt oder ordentliche Stellenausschreibungen fehlen – schließlich hat der Jurist das professionelle Führen nie gelernt, weil Führungsfragen nicht Teil des Jurastudiums sind und es keine branchenspezifischen Traineeprogramme oder Führungsseminare gibt. "Wenn etwas falsch läuft, schieben es Vorgesetzte dann gern mal auf ihre Mitarbeiter statt die Schuld bei sich selber zu suchen", sagt die Beraterin. Selbst die Ursache von Streit oder Missgunst zwischen Kollegen, was ebenfalls ein Grund zur Kündigung sein kann, liege häufig am Führungsstil, wenn Kompetenzen nicht klar festgelegt wurden.

Ein weiteres Problem sieht Geertje Tutschka in der Partnerkonstruktion von Kanzleien: "Nicht selten kocht jeder sein eigenes Süppchen und es werden keine Entscheidungen zu übergreifenden Prozessen getroffen. Das ist mühsam und aufwendig für die Mitarbeiter, die mit den uneinheitlichen Vorgaben arbeiten müssen." Die Corona-Situation befeuert das Problem noch weiter: Plötzlich befindet sich das ganze Team im Homeoffice, und Führung gestaltet sich noch schwieriger als ohnehin. Mit dem Kontrollverlust über ihre Mitarbeiter können viele Vorgesetzte schlecht umgehen.

Zeit für individuelle Bedürfnisse

Was könnten Führungskräfte in Kanzleien also besser machen? "Wichtig ist vor allem Kommunikation", ist Falk Schornstheimer überzeugt. In regelmäßigen Teamsitzungen sollten Vorgesetzte ihre Mitarbeiter fragen: Was braucht Ihr von mir, damit Ihr gut arbeiten könnt? "Sie sollten sich für jeden Einzelnen Zeit nehmen, denn jeder hat andere, ganz individuelle Bedürfnisse", sagt der Anwaltscoach.

Geschieht dies nicht, wird es in der Regel teuer für Kanzleien, denn die Suche und die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern kostet bares Geld – und Reputation. In Zeiten von Arbeitgeberbewertungen, zum Beispiel auf der Online-Plattform kununu, kann sich eigentlich keine Kanzlei einen schlechten Ruf als Arbeitgeber leisten.

Selbstcheck zur Zukunftsfähigkeit

Problematisch ist es auch oft, wenn Kanzleien stark gewachsen sind. "Da wurden dann Prozesse nicht angepasst, sondern man hat einfach immer so weitergemacht wie bisher", sagt Geertje Tutschka. Veraltete Arbeitsmittel, unpassende Software, keine neue Struktur der Organisation – das kann nicht auf Dauer gutgehen. "Kanzleien sollten sich regelmäßig fragen: Sind wir noch zukunftsfähig, sodass wir auch für neue Mitarbeiter attraktiv sind?", so die Beraterin.

Um Enttäuschungen zu vermeiden, können Bewerber schon im Vorstellungsgespräch testen, ob die Kanzlei wirklich zu ihnen passt. "Vorstellungsgespräche sind keine Prüfungssituation, sondern ein Dialog", betont Falk Schornstheimer. "Man darf also offen und auch kritisch in solch ein Gespräch hineingehen." Das bedeutet nicht, dass ein Bewerber ganz platt nach dem Arbeitsklima in der Kanzlei fragen soll. Aber der Umgang mit Bewerbern zeigt schon vieles: Nimmt sich der Gesprächspartner Zeit? Antwortet er offen auf Fragen? Zeigt er Interesse und Geduld mit dem Kandidaten? "All das sind Signale, die zeigen, wie es grundsätzlich in einer Kanzlei zugeht", sagt der Anwaltscoach.

Über ihre Netzwerke können Bewerber ebenfalls Einiges über den Arbeitgeber herausfinden: Bei Xing, LinkedIn oder auch im Bekanntenkreis findet sich bestimmt jemand, der den potenziellen Arbeitgeber genauer kennt. Auch dafür ist frühes Netzwerken so wichtig.

Grundsätzlich sollten Kanzleien beim Umgang mit den Mitarbeitern langfristiger denken, glaubt Geertje Tutschka. "Sie sollten sich fragen, mit welcher Art von Belegschaft sie sich in zehn oder 20 Jahren sehen. Immer nur Leute einzustellen, die einem selbst besonders ähnlich sind, führt nicht zur Weiterentwicklung einer Kanzlei."

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