Sozialstruktur der deutschen Anwaltschaft

Einzelkanzleien immer noch vorherrschend

von Kerstin EggertLesedauer: 4 Minuten
Zu viele Berufsanfänger bei gleichzeitig rückgängigen Umsätzen, keine Zukunft ohne Spezialisierung, Law firms, die die Großmandanten mit enormen Ressourcen an sich binden können  – die schlechten Nachrichten aus der Anwaltschaft sind so zahlreich wie unübersichtlich. Eine Erhebung des Instituts für freie Berufe aus dem Jahr 2008 gibt Aufschluss über harte Fakten – und lässt am oft beschworenen Untergang des Einzelanwalts zweifeln.

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Seit 1993 führt das Institut für Freie Berufe (IFB) regelmäßig eine Befragung zur beruflichen und wirtschaftlichen Situation der Anwaltschaft durch. Die so genannte STAR-Erhebung fand auch im Jahr 2008 wieder statt. Aus den Angaben der Befragten bei STAR (Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte) geht hervor, dass im Jahr 2006 insgesamt 62 % ausschließlich oder zumindest überwiegend als selbstständige Rechtsanwälte tätig waren. 13 % arbeiteten als angestellte Anwälte und weitere 4 % als freie Mitarbeiter. Des Weiteren waren 15 % der Anwälte hauptsächlich als Syndikusanwälte beschäftigt. Die verbleibenden 6 % übten überwiegend andere Tätigkeiten wie etwa Unterricht oder Schriftstellerei aus. Hinsichtlich des Anteils der Selbstständigen und freien Mitarbeiter lassen sich zwischen den alten und neuen Bundesländern keine nennenswerten Unterschiede feststellen. Im Westen der Republik lag allerdings der Anteil der Syndikusanwälte mit 18 % deutlich höher als im Osten (5 %); dafür war dort der Anteil der Angestellten mit 21 % mehr als doppelt so groß wie in den alten Ländern.

Selbstständige Anwälte meistens Einzelkämpfer

Die selbstständig tätigen Rechtsanwälte waren zu 64 % als Einzelanwalt tätig, davon etwa jeder Fünfte in einer Bürogemeinschaft. Der Anteil der Sozietätsanwälte beläuft sich damit auf 36 %. In dieser Teilgruppe arbeiteten 83 % in einer lokalen und 17 % in einer überörtlichen Sozietät. Insgesamt arbeiteten 85 % der Sozietätsanwälte in Berufsausübungsgesellschaften mit bis zu 4 Partnern, also in Kleinsozietäten. 12 % waren in mittelgroßen Sozietäten (fünf bis neun Partner) tätig. Größere Sozietäten mit zehn und mehr Partnern waren damit eher selten. Der Frauenanteil lag 2006 im gesamten Bundesgebiet bei den Angestellten mit 46 % und bei den freien Mitarbeitern mit 42 % deutlich höher als bei den Syndikusanwälten (29 %) und selbstständigen Rechtsanwälten (28 %). Diese Abweichung ist vor allem in den alten Bundesländern festzustellen. Hier betrug der Frauenanteil bei den angestellten Anwälten 44 % und bei den in freier Mitarbeit Tätigen 45 %. Von den westdeutschen Selbstständigen waren hingegen nur rund ein Viertel Frauen. Bei den westdeutschen Syndikusanwälten betrug dieser Anteil 28 %.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

In den neuen Bundesländern hingegen ist die Abweichung nicht so deutlich zu erkennen. Auch hier belief sich zwar der Anteil der Rechtsanwältinnen bei den Angestellten mit 48 % am höchsten, gefolgt vom Anteil bei den freien Mitarbeitern (36 %). Bei den ostdeutschen Selbstständigen belief sich der Frauenanteil jedoch auf rund ein Drittel, während er bei den ostdeutschen Syndici sogar 38 % betrug. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen waren weibliche Berufsträger zudem häufiger als Einzelanwältinnen tätig. So waren 74 % der selbstständigen Frauen in einer Einzelkanzlei oder Bürogemeinschaft niedergelassen. Damit arbeiteten nur 26 % als Sozietätsanwältinnen. Bei den selbstständigen Männern waren 59 % Einzelanwälte und demzufolge 41 % Sozietätsanwälte. Mit einer durchschnittlichen Zulassungsdauer von 14 Jahren waren die selbstständigen Anwälte am längsten berufstätig. Syndikusanwälte waren im Schnitt seit neun Jahren, freie Mitarbeiter seit sieben und angestellte Rechtsanwälte seit fünf Jahren zugelassen. Dementsprechend lag das Durchschnittalter bei den Selbstständigen am höchsten (46 Jahre). Bei den Syndici betrug es 41 Jahre und bei den in freier Mitarbeit Tätigen 38 Jahre. Die angestellten Anwälte waren zum Befragungszeitpunkt im Mittel 36 Jahre alt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Einzelanwalt immer noch die vorherrschende Form der Berufsausübung darstellt. Der Anteil der Einzelkanzleien an den anwaltlichen Rechtsformen ist von 1998 bis 2006 von 58 % auf 64 % gestiegen. Im Jahresvergleich deuten die Daten allerdings darauf hin, dass die Tätigkeiten als Angestellter und als freier Mitarbeiter zwar nach wie vor weitgehend auf die Phase des Berufseinstiegs beschränkt sind. Inzwischen werden sie aber anscheinend immer öfter auch für einen längeren Zeitraum über den Berufseinstieg hinaus ausgeübt oder stellen eine Alternative zur eigenen Kanzlei dar, die eigentlich oftmals am Ende der beruflichen Laufbahn steht. Die Autorin Kerstin Eggert ist Dipl.- Sozialwirtin und tätig als Angestellte in der Forschung des Instituts für Freie Berufe in Nürnberg

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