Verschwiegenheitspflicht des Strafverteidigers

Schwei­ge­recht umfasst auch Gespräche am Rande eines Pro­zesses

von Martin W. HuffLesedauer: 3 Minuten
Wie weit geht das Schweigerecht, die Schweigepflicht eines Rechtsanwalts, den sein Mandant nicht von der Schweigepflicht entbindet? Mit dieser für den Berufsstand wichtigen Frage hat sich jetzt der BGH befasst – und dabei die Sachverhalte, zu denen ein Anwalt schweigen darf, erfreulich klar definiert, meint Martin Huff.

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Aus anwaltlicher Sicht kann man es erschreckend finden, dass eine Fallkonstellation, die beinahe zum anwaltlichen Alltag gehört, bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gehen muss. Oder beruhigend, dass immerhin Karlsruhe einmal mehr das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant gestärkt hat. Die beiden nahezu gleich lautenden Beschlüssen des IV. Zivilsenats (BGH, Beschl. v. 16.2.2011, Az. IV ZB 23 und 24/09) betrafen zwei Rechtsanwälte, die  ein Ehepaar verteidigt hatten, dem eine versuchte schwere räuberische Erpressung vorgeworfen wurde. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde auch über die Möglichkeit einer Strafmilderung (Strafaussetzung noch zur Bewährung) diskutiert, wenn im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs eine nicht unerhebliche Zahlung an den Geschädigten geleistet würde, der als Nebenkläger auftrat. Gesprochen wurde über einen Betrag von 10.000 Euro. In einer Verhandlungspause erörterten die Angehörigen der Angeklagten in Anwesenheit der Verteidiger, wie der Betrag aufgebracht werden könnte. Die Familie sagte schließlich die Zahlung zu. Später klagte der Bruder der Angeklagten gegen seine Mutter, weil die Summe, die er zu den 10.000 Euro beigesteuert hatte, nur als Darlehen und nicht als Schenkung geleistet worden sei. Zum Beweis benannte er die beiden Verteidiger. Die Anwälte aber verweigerten mit Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht die Aussage im Prozess nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung. Nachdem Amts- und Landgericht kein Zeugnisverweigerungsrecht sahen, gestand der BGH den Verteidigern dieses zu und sah ihre Berufung auf die Verschwiegenheitspflicht als richtig an.

"Alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist"

Unter die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nach § 43a Abs. 2  Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) fällt nach Ansicht der Bundesrichter alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankäme, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat. Die Pflicht betrifft deshalb auch Zufallswissen, das im Rahmen beruflicher Tätigkeit erlangt worden ist. Abzugrenzen hiervon ist nur das, was dem Anwalt nur anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit zur Kenntnis kommt, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat besteht. Zu denken ist dabei zum Beispiel an solches Wissen, das der Rechtsanwalt erlangt, während er als wartender Zuhörer einer Gerichtsverhandlung zuhört, die mit seinem Mandat nichts zu tun hat.  Die beiden Verteidiger waren aber gerade nicht zufällige Zuhörer der Unterredung auf dem Gerichtsflur, sondern hatten dem Gespräch ersichtlich in der Eigenschaft als Verteidiger beigewohnt. Sie waren keine unbeteiligten Dritten, als sie das Gespräch mit den Angehörigen der Angeklagten verfolgten. Eine aktive Beteiligung an den Gesprächen war nicht erforderlich, damit sie als Anwälte an diesen beteiligt waren und sich folglich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen durften.

Das Vertrauensverhältnis wird geschützt – fast ausnahmslos

Es liegt auf der Hand, dass ihre Anwesenheit im Interesse der Angeklagten lag, die sachgerecht unterrichtet und beraten werden mussten, damit die Schlichtungsvereinbarung zustande kommen konnte. Immerhin durften die mit einer Freiheitsstrafe bedrohten Angeklagten den Gerichtssaal nicht verlassen und konnten deshalb an den Gesprächen nicht teilnehmen. Ob und wie das hierfür benötigte Geld aufgebracht werden konnte, berührte die Interessen der Angeklagten in hohem Maße. Der Beschluss des IV. Zivilsenats des BGH ist ausdrücklich zu begrüßen. Die Bundesrichter schützen den Rechtsanwalt, seinen Mandanten und das zwischen ihnen bestehende Vertrauensverhältnis umfangreich. Alles, was der Rechtsanwalt – nicht nur der Verteidiger – im Rahmen seines Mandats erfährt, ist geschützt. Es muss nur ein irgendwie gearteter Zusammenhang zum Mandat bestehen, dann greift auch das Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts ein. Erfreulich ist auch die Klarstellung des BGH, dass hiervon nur in seltenen Fällen eine Ausnahme gemacht werden darf, wenn weit überwiegenden Gründen des Gemeinwohls vorliegen. Es ist schon erstaunlich, dass die beiden Vorinstanzen dies anders gesehen hatten und der BGH über diese grundlegende Frage betreffend das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant überhaupt entscheiden musste. Der Autor Rechtsanwalt Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.
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