Die Arbeit als Projektjurist

"Das Modell ent­spricht dem Zeit­geist ganz gut"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 4 Minuten

Ob im Dieselskandal oder bei den Streitigkeiten um die Corona-Hilfen: In Massenverfahren sind vermehrt Projektjuristen für Kanzleien tätig. Für wen bietet sich dieser Job an?

Spätestens seit Beginn der juristischen Aufarbeitung des Dieselskandals setzen Kanzleien vermehrt auf Projektjuristinnen und -juristen: Nicht die Sozietäten selbst, sondern Agenturen stellen diese ein und leihen sie für ein bestimmtes Projekt über einen bestimmten Zeitraum an die Kanzleien aus. Ein Projekt dauert dabei meistens nicht länger zwei Jahre.

Die Nachfrage auf Kundenseite sei sehr groß, oftmals gebe es auch Anschlussprojekte nach Beendigung einer Tätigkeit in einem Projekt, sagt Dr. Olaf Schmitt, Gründer und Geschäftsführer der juristischen Vermittlungsagentur Perconex. "Wir haben ganz eindeutig einen Arbeitnehmermarkt", so Schmitt.

Schmitt vermittelt Diplom-, Voll- und Wirtschaftsjuristinnen und -juristen sowohl an Kanzleien als auch an Unternehmen. Nahezu alle Juristinnen und Juristen, die sich an Perconex wenden, könnten auch vermittelt werden, so groß sei die Nachfrage.

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"Projektjurist ist man in Umbruchsituationen"

Die Projektarbeit bietet sich für Absolventinnen und Absolventen an, die nach dem Abschluss noch nicht sicher nicht, wo die Reise hingehen soll – oder für diejenigen, die zum Berufsende kürzertreten wollen: "Projektjurist ist man in Umbruchsituationen", so Schmitt.

Das bestätigt auch eine Projektjuristin in einer auf das Verbraucherrecht spezialisierten Kanzlei, die im Gespräch mit LTO anonym bleiben will. Sie hat sich aus praktischen Gründen im Juni des vergangenen Jahres für die Tätigkeit entschieden. "Mein vorheriges Arbeitsverhältnis ging zu Ende und ich habe dringend eine neue Tätigkeit gesucht, um keine Lücken in meinem Lebenslauf entstehen zu lassen. Aufgrund des damaligen Lockdowns war der Arbeitsmarkt auch für Juristen nicht ideal", sagt sie.

Ein klarer Vorteil der Projektarbeit ist die Flexibilität – gerade in Lebenssituationen, in denen man sich noch nicht festlegen möchte. Das Bewerbungsverfahren ist unkompliziert und ein Einstieg kurzfristig möglich. Wenn beide Seiten zufrieden sind, kommt auch eine Entfristung in Betracht.

So war es auch bei Tobias Lambrecht, der zum Jahr 2019 bei der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) im Rahmen einer Projekttätigkeit anfing – und seit Juni des vergangenen Jahres dort festangestellter Rechtsanwalt ist. Der Kontakt kam über die Flexible-Workforce-Plattform von KPMG Law zustande, auf der sich Juristinnen und Juristen anmelden können, die Interesse an einer Projekttätigkeit haben. Anhand der eingegebenen Daten kontaktiert das Unternehmen diese bei Gelegenheit, also sobald es passende Mandate gibt.

Einblicke hinter die Kulissen einer Kanzlei – ohne Verbindlichkeit

Als Projektjurist war Lambrecht mit Themen rund um die Abgasaffäre beschäftigt, überprüfte Dokumente, verfasste Kurzgutachten und nahm Gerichtstermine wahr – bis zu viermal in einer Woche. "Meine zweite Verhandlung war eine Senatssache am Oberlandesgericht. Als Junganwalt direkt vor mehreren Richtern am OLG zu verhandeln, war ungewohnt, aber eine spannende Erfahrung."

Auch die Projektjuristin schätzt die Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und Kanzleien abseits der großen Bühne kennenzulernen. "Man gewinnt Einblicke hinter die Kulissen einer Kanzlei, ohne dass eine der beiden Seiten eine Verbindlichkeit eingehen muss", sagt sie. Auch wenn man für eine Großkanzlei arbeiten möchte, ohne die formellen Voraussetzungen mitzubringen, könne man sich über eine Tätigkeit als Projektjuristin beweisen.

Am Ende müssen sich dann beide Seiten entscheiden, wie es weitergeht.

"Gesuchte Ansprechpartnerin" für topaktuelle Themen

Nina Eckardt ist seit einem halben Jahr Projektjuristin bei Luther und vor allem mit juristischen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Corona-Wirtschaftshilfen betraut. Die Kanzlei vertritt die entsprechende Verwaltungsbehörde als Prozessbevollmächtigte bei einigen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Bayern, erklärt sie.

Eckardt hat sich bewusst für den Job entschieden: "An der Tätigkeit als Projektjuristin hat mich gereizt, dass mir dadurch schon früh eine Spezialisierung auf ein bestimmtes Rechtsgebiet, in meinem Fall Verwaltungsrecht, ermöglicht wird", sagt sie. So könne sie sich zu einer "gesuchten Ansprechpartnerin" für ein topaktuelles Thema entwickeln.

Zudem könne sie durch die Betreuung eines solchen Projekts viel Eigenverantwortung übernehmen und in alle Facetten der anwaltlichen Arbeit eintauchen.

Flexibilität vs. geringere Planbarkeit

Wer die Flexibilität der Projektarbeit genießt, muss jedoch mit einem großen Nachteil leben: Im Vergleich zu festen Jobs geringere persönliche Sicherheit und Planbarkeit durch die befristeten Arbeitsverträge. Deshalb gilt es, die Vor- und Nachteile der Projekttätigkeit sorgfältig gegeneinander abzuwägen. "Die Flexibilität und die Befristung müssen zu den persönlichen Lebensumständen passen", so Lambrecht.

Flexibilität müssen die Beschäftigten nicht nur in zeitlicher, sondern auch in örtlicher Hinsicht beweisen. "Es kann sein, dass ein Projekt in Hamburg ist, das nächste in Düsseldorf und das dritte in München. Das ist abwechslungsreich und kann Spaß machen, wenn man der Typ dafür ist", sagt Schmitt.

Das Gehalt ist sicherlich nicht mit dem als Associate in einer Großkanzlei vergleichbar – die Arbeitszeiten im Regelfall aber auch nicht. Zwar unterscheidet sich die Work-Life-Balance je nach Kanzlei, eine 60-Stunden-Woche dürfte es in den meisten Fällen aber nicht geben.

"Guter Ausgangspunkt für meine weitere berufliche Karriere"

Der Bedarf an Projektjuristinnen und -juristen ist gestiegen und Kanzleien setzen vermehrt auf ihre Unterstützung. "Es gibt zeitlich befristete Projekte mit hohem Arbeitsaufkommen, die eine konzentrierte rechtsanwaltschaftliche Mitarbeit benötigen", sagt Dr. Stefan Altenschmidt, Partner bei Luther in Düsseldorf. Aktuell beschäftigt Luther 29 Projektjuristinnen und -juristen.

Diese sind wie die Anwältinnen und Anwälte in das Team eingebunden: "Unsere Projektjuristinnen und -juristen sind in ihrem Bereich Experten, die vollwertige anwaltliche Arbeit leisten und dementsprechend auch im Außenverhältnis gegenüber Mandanten und Gerichten agieren", so Altenschmidt.

Kanzleien bauen damit auf die kurzfristige Unterstützung. Und: Viele Berufseinsteigerinnen und -einsteiger legen mittlerweile mehr Wert auf Flexibilität und geregelte Arbeitszeiten als auf sechsstellige Einstiegsgehälter. "Das Modell entspricht dem Zeitgeist ganz gut", sagt Schmitt.

Die wenigsten verbringen ihr gesamtes Berufsleben als Projektjurist bzw. Projektjuristin. Dennoch kann man so die Anwaltswelt kennenlernen. "Ich sehe diese Erfahrungen als einen guten Ausgangspunkt für meine weitere berufliche Karriere", ist sich Eckardt sicher.

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