Gutachten zum Jurastudium

Zu schwer, zu elitär?

Lesedauer: 3 Minuten
Warum fehlt es der Justiz an Nachwuchs? Ein Gutachten zeigt: Viele angehende Juristen starten mit falschen Vorstellungen ins Studium, am Ende steht häufig der Abbruch. Und Hilfe von Seiten der Professoren ist selten.

Junge Menschen haben oft falsche Vorstellungen vom Jurastudium und fühlen sich an der Universität nicht gut aufgehoben. Kinder aus Nichtakademiker-Familien haben es zudem besonders schwer, das Studium erfolgreich abzuschließen. So kommt nicht einmal jeder dritte erfolgreiche Jura-Absolvent aus einem Elternhaus ohne akademische Bildung. Das alles geht aus einer Analyse des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hervor. Die rund 100 Seiten starke Expertise wurde auf Initiative des nordrhein-westfälischen Justizministeriums von 15 Bundesländern in Auftrag gegeben. Der Untersuchungsauftrag: Wie ist es von der einstigen "Juristen-Schwemme" zum Nachwuchsmangel gekommen und wie kann die Zahl der Studienabbrecher gesenkt werden? Herausgekommen ist eine umfangreiche Mängelliste mit zahlreichen Reformvorschlägen zum Jurastudium. Besonders auffällig sind aus Sicht der Forscher fehlende Motivation und Identifikation vieler Jurastudenten mit dem Fach, schwierige Studienbedingungen sowie "eine beträchtliche Distanz" und "sehr geringe Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden". Kontakt zu den Professoren sei die Ausnahme. "Im Jurastudium hat sich bislang keine Tradition eines lebendigen Diskurses zwischen Lehrenden und Studierenden entwickelt", heißt es in dem Gutachten.

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Falsche Vorstellungen sorgen für Studienabbrüche

In keinem anderen Fach wird das Studium so spät abgebrochen: im Durchschnitt nach etwa fünf Semestern, im Jurastudium dagegen erst nach fast sieben. Mehr als ein Viertel der Jura-Abbrecher zieht die Reißleine sogar erst nach dem zehnten Semester. Insgesamt liege die Abbrecherquote bei Jura mit 24 Prozent zwar unter dem Fächer-Durchschnitt (32 Prozent), sei aber weitaus höher als in anderen Studiengängen mit Staatsexamen. Ein erheblicher Teil der Jurastudierenden habe gleich zu Beginn Probleme, stellen die Forscher fest. "Zum einen haben sie von Anfang an Schwierigkeiten, den Leistungsanforderungen gerecht zu werden, zum anderen sind sie orientierungslos und enttäuscht von den Inhalten." Die bisherigen Unterstützungsangebote seien unzureichend. Vielen fehle zudem der Praxisbezug. Vor allem Nichtakademiker-Kinder haben demnach Schwierigkeiten, mit der Situation klarzukommen. "Dieser Nachteil erfährt im Studium häufig keinen Ausgleich", konstatieren die Gutachter. Auch an einem anderen Punkt zeigt sich eine Bildungsschere: 92 Prozent der erfolgreichen Jura-Absolventen haben ihre Hochschulzugangsberechtigung am Gymnasium erworben. Die anderen hätten größere Schwierigkeiten, die Studienanforderungen zu bewältigen, hält der Bericht fest. Vielen Studierenden fehle zudem eine echte Motivation. "Sie streben nach beruflichem Aufstieg, ohne dass sie über ein tiefer gehendes fachliches Fachinteresse verfügen."

Referendareinstellungen um 40 Prozent zurückgegangen

Als Gegenmaßnahmen empfehlen die Forscher Informationsangebote für Schüler, die aus den Medien falsche Vorstellungen über das Jurastudium bekämen. Sinnvoll seien zudem verpflichtende Selbsteinschätzungstests und Motivationsschreiben im Auswahlverfahren. Darüber hinaus sollten die Hochschulen Angebote für Anfänger mit ungünstigen fachlichen Voraussetzungen oder Leistungsproblemen machen. Auch bei den Professoren sehen die Wissenschaftler Nachholbedarf. Sie sollten sich regelmäßig als Mentoren in Lerngruppen einbringen. Zudem könnten Anreize für eine "stärker studierendenbezogene Lehre" gesetzt werden. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sieht dringenden Handlungsbedarf. Seit dem Jahr 2000 sei die Zahl der Referendarseinstellungen bundesweit um etwa 40 Prozent zurückgegangen. Auch viele der rund 3000 Studierenden, die jährlich in NRW ein Jurastudium aufnähmen, gingen auf dem Weg verloren. "Ich komme selbst aus einer Arbeiterfamilie. Daher weiß ich, wie schwer dieser Weg ist", betonte Biesenbach. In NRW wolle er jeder Schule anbieten, eine Arbeitsgemeinschaft zur Rechtskunde einzurichten, um die Schüler in zehn bis zwölf Doppelstunden besser zu informieren. Außerdem biete er Schülern und Studierenden Praktika in der Justiz an. dpa/mam/LTO-Redaktion

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