Neuer LL.M. "Staat und Verwaltung in Europa"

Speyer für Wiederholungstäter

von Jonas SchollLesedauer: 4 Minuten
Die Station an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer erfreut sich bei Referendaren hoher Beliebtheit, nicht nur wegen der akademischen Qualität der Ausbildung. Wer nach drei Monaten noch nicht genug hat, der kann nun einen LL.M. dranhängen – mit nur einem zusätzlichen Präsenzsemester.

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Eines vorneweg: Was man über die Referendarstation in Speyer so hört, stimmt. Niemand läuft in der altehrwürdigen Domstadt im Dreieck zwischen Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe Gefahr, sich zu langweilen. Für diesen Autor hielt sie unter anderem diverse Weinproben, Exkursionen, deutsch-russische Sprachtandems und am Ende mehr als 400 absolvierte Kilometer auf einem geliehenen Damenfahrrad bereit. Die Nähe zu Frankreich erklärt wohl die seit Gründung im Jahr 1947 bestehende traditionelle Ausrichtung der "postuniversitären Hochschule" Speyer in Richtung Europas. Sie wurde nach dem Vorbild aus dem benachbarten Straßburg, der französischen Kaderschmiede École nationale d’administration, errichtet. Vier von 17 Lehrstühlen der Uni Speyer beschäftigen sich mit Europarecht. Der neue LL.M.-Studiengang ist das jüngste Kind dieser Gesinnung und befindet sich derzeit im Akkreditierungsverfahren. "Der neue Studiengang kommt in jedem Fall", sagt Prof. Dr. Wolfgang Weiß, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht und zuständiger Studiengangsleiter. "Zwar sind gewisse Veränderungen der geplanten Inhalte und Abläufe im derzeitigen Stadium nicht auszuschließen. An dem generellen Aufbau in verpflichtende Studienmodule mit fakultativen Lehrveranstaltungen und den äußeren Rahmenbedingungen wird sich aber nichts ändern."

LL.M. für Ex-Referendare mit nur einem Semester Präsenzpflicht

Das anwendungsorientierte Masterprogramm mit insgesamt 60 ECTS-Punkten ist über einen Zeitraum von zwei Semestern angelegt. Leistungen aus dem klassischen Ergänzungsstudium für Rechtsreferendare können im Umfang von maximal 20 ECTS-Punkten anerkannt werden, wenn sie einen rechtlichen Schwerpunkt aufweisen. Die obligatorische Masterarbeit, anzufertigen nach den üblichen wissenschaftlichen Standards, schlägt ebenfalls mit 20 ECTS-Punkten zu Buche, und kann von überall aus verfasst werden. Damit bleiben 20 ECTS-Punkte übrig, die in nur einem Semester vor Ort erarbeitet werden können. Das macht das Angebot für diejenigen attraktiv, die auch andernorts Verpflichtungen haben, und nicht längerfristig umziehen wollen. Zudem wird nicht nur Europarecht anerkannt. Ein Beispiel:  Die Fächerkombination dieses Autors aus seiner Referendarstation, bestehend aus einem Medienrechtsseminar sowie einer Arbeitsgemeinschaft im Energierecht, ist nach Auskunft von Prof. Weiß anrechenbar. Alle Angaben wie im Lotto ohne Gewähr. Zielgruppe des Speyer-LL.M. ist die bessere Hälfte der Juristen im Ersten Staatsexamen. Anders als beim Magister der Verwaltungswissenschaften werden keine Rechtslaien wie Biologen oder Ingenieure zugelassen. Denn auch wenn der Master interdisziplinär angelegt ist, liegt sein Fokus auf dem Recht. Inhaltlich behandelt der Studiengang Veränderungsprozesse in Verwaltung und Staaten innerhalb von Europa. Fünf Module befassen sich unter anderem mit staatlicher Regulierung, öffentlichem Management und der Verwaltung im Europäischen Verwaltungsverbund, die Reihenfolge ist frei wählbar. Die verlängerte Bewerbungsfrist für Speyer läuft bis zum 1. August. Es gibt etwa 50 Studienplätze, wobei die genaue Anzahl vom Bewerberaufkommen für das reguläre Ergänzungsstudium abhängt.

Spirit of Speyer in der Referendarsstation

Ein bisschen Werbung. Speyer lohnt sich. Es ist durch seinen Anschluss an den Verkehrsverbund Rhein-Neckar ein hervorragender Ausgangspunkt für Tages- oder Wochenendausflüge in die Umgebung. So kann man mit S-Bahnen und Regionalzug für nur 9,30 Euro bis ins fränkische Würzburg fahren, das ebenso eine Weinstadt ist wie Speyer. Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof und Europaparlament sind nicht weit entfernt und werden regelmäßig im Semester besucht. "The Spirit of Speyer" – er wurde vielbeschworen in der Antrittsversammlung. In dem nüchternen Gebäudekomplex mit den klaren Formen im Bauhausstil muss man den Campusgeist erst suchen, denn Speyer ist nicht Hogwarts. Alles ist sehr pragmatisch. Die Taberna mit Mittagsmenü für 3,00 Euro, in der auch Schüler essen gehen, liegt gegenüber der Bibliothek. Durchgehende Glasfronten, so dass man sich gegenseitig beim Lesen und Essen beobachten kann. Wenn man länger hinsieht, entdeckt man den Charakter des föderalen Begegnungsforums. Schwaben und Sachsen: ein melting pot.

Üppiges Sozialprogramm

Inhaltlich ist im Vorlesungsverzeichnis der Universität Speyer für jeden Geschmack etwas dabei, nicht nur für Liebhaber des Öffentlichen Rechts. Der in der Referendarsstation voll ausschöpfbare Katalog an über 100 Veranstaltungen in den Fächern Rechts-, Verwaltungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Geschichtswissenschaft, zum Semesteranfang von den jeweiligen Dozenten in einer zweitägigen Orientierungsphase in Kurzvorträgen vorgestellt, ermöglicht eine individuelle Studiengestaltung, die von der konzentrierten Examensvorbereitung bis hin zu einem breit angelegten studium generale reichen kann. Verpflichtend sind ein Seminar und eine projektbezogene Arbeitsgemeinschaft, die nicht zwangsläufig einen rechtlichen Schwerpunkt aufweisen müssen. Für diejenigen Referendare, die ihre schriftliche Prüfung noch vor sich haben, gehören die Landesübungen ebenfalls zum Pflichtprogramm. "Wem hier langweilig wird, ist selber schuld", sagt Frank, der ehrenamtliche Bierwart. Er schließt einen E-Bass an einen Fender-Verstärker, den er zur Bandprobe aus dem Equipmentraum U 7 in die Bierbar geschleppt hat. Darin genießt er ein lebenslanges Recht auf unentgeltlichen Bierkonsum. Der berühmt-berüchtigte Kellerraum ist von oben bis unten mit Lebensweisheiten à la "Dicke sind dankbar" oder "Narrenhände beschmieren Tisch und Wände" vollgekritzelt. Montags finden hier Mottopartys statt, auf denen der künftige Regierungsrat im Tennisoutfit aufschlägt und "Deckenpils" trinkt. Mittwochs sind außerdem die großen Länderpartys. Die Tradition wird gepflegt. Der Autor Jonas Scholl ist Rechtsassessor u.a. bei Deloitte Legal Berlin. Er hat im Jahr 2013 die Wahlstation seines Referendariats an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer verbracht.

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