Unterhaltsbeihilfe für Referendare

OVG verneint Nachzahlungen in Niedersachsen

von Bastian ReußeLesedauer: 8 Minuten
Nach dem für viele Referendare positiven Urteil des OVG Münster zur Höhe der Unterhaltsbeihilfe liegt nun eine Entscheidung des OVG Lüneburg vor. Anders als die Münsteraner entschieden sich die Lüneburger Richter aber nicht nur gegen eine Nachzahlungsverpflichtung des Landes -die niedersächsischen Referendare hätten vielmehr sogar zu viel bekommen. Bastian Reuße stellt das Urteil vor.

  Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat am 27. Oktober 2014 festgestellt, dass die Unterhaltsbeihilfe der nordrhein-westfälischen Referendare seit dem Jahr 2006 falsch berechnet worden war.  Das zuständige Landesamt für Besoldung und Versorgung hatte entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut, wonach den Referendaren eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 85 Prozent des höchsten nach dem Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) geltenden Anwärtergrundbetrags zustand, die Unterhaltsbeihilfe nach den niedrigeren landesbesoldungsrechtlichen Beträgen ausgezahlt. Diese seit Inkrafttreten der Föderalismusreform im Jahr 2006 gelebte Praxis sei rechtswidrig, entschied das OVG. Die Folge ist, dass viele ehemalige und derzeitige Referendare einen Anspruch auf Neuberechnung und Nachzahlung haben, auch wenn das Land diesem derzeit eher schleppend nachzukommen scheint. Soweit die Lage in Nordrhein-Westfalen. Anders sieht es im benachbarten Niedersachsen aus. Die rechtliche Grundlage erscheint dort ähnlich: § 5 Abs. 3 Satz 2 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen (NJAG) sah bis zum 31. Dezember 2013 vor, dass den Referendaren eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 85 Prozent des höchsten nach dem BBesG geltenden Anwärtergrundbetrags zustehen sollte. Erst mit Wirkung seit dem 1. Januar 2014 wurde die Vorschrift geändert. Für die Ermittlung der Höhe der Unterhaltsbeihilfe legt sie nun ausdrücklich das Niedersächsische Besoldungsgesetz (NBesG) zugrunde. Für sämtliche "Altfälle" bis zum 31. Dezember 2013 galt allerdings noch die frühere Regel, wonach Bundesbesoldungsrecht maßgeblich sein sollte. Betroffen sind tausende ehemalige und etliche aktuelle Referendare, die ihr Referendariat noch vor der Änderung in Niedersachsen begonnen haben.

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VG Braunschweig entgegen dem Wortlaut: eigentlich Landesgesetz gemeint

Ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen klagten auch in Niedersachsen Betroffene gegen die aus ihrer Sicht falsche Berechnung der Unterhaltsbeihilfe. Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig wies die Klage eines Referendars mit Urteil vom 6. Mai 2014 jedoch ab (Az. 7 A 145/13). Zur Begründung führte es aus, die Vorschrift des § 5 Abs. 3 S. 2 NJAG in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sei – trotz des entgegenstehenden eindeutigen Wortlauts – dahingehend auszulegen, dass  Berechnungsgrundlage für die Unterhaltsbeihilfe die Höhe des nach dem NBesG jeweils maßgeblichen höchsten Anwärtergrundbetrags gewesen sei. Grund hierfür seien die durch die Föderalismusreform geänderten Rahmenbedingungen und der Sinn und Zweck der Regelung. § 5 Abs. 3 S. 2 NJAG a.F. habe die niedersächsischen Referendare den niedersächsischen Landesbeamten auf Widerruf weitestgehend gleichzustellen beabsichtigt, nicht aber den Bundesbeamten. Der anderslautende Wortlaut beruht nach Ansicht der Braunschweiger* Richter allein darauf, dass bei Inkrafttreten von § 5 Abs. 3 S. 2 NJAG a.F. im Jahr 1993 noch der Bund auch für die Besoldung von Landesbeamten zuständig gewesen sei. Als jedoch im Zuge der Föderalismusreform die Möglichkeit eröffnet wurde, eigenständige landesbesoldungsrechtliche Vorschriften zu erlassen, habe der niedersächsische Landesgesetzgeber den Willen gehabt, auch die Unterhaltsbeihilfe seiner Referendare abweichend vom Bundesrecht zu regeln und an die Besoldung der niedersächsischen Beamten zu binden. Dass dieser Wille des Gesetzgebers nicht Ausdruck in einer entsprechenden Änderung des § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG gefunden habe, sei unbeachtlich. Dementsprechend stelle die Neufassung seit dem 1. Januar 2014 auch keine inhaltliche Änderung dar, sondern diene nur der Rechtsklarheit.

OVG Lüneburg: Verweisung auf Bundesrecht kein Versehen

Gegen das Urteil des VG Braunschweig beantragte der klagende Referendar die Zulassung der Berufung. Mit  Beschluss vom 27. Januar 2015 lehnte das Niedersächsische OVG diesen Antrag ab und nahm dabei ausführlich Stellung zum erstinstanzlichen Urteil (Az. 5 LA 114/14). Dabei stellt das OVG zunächst fest, dass die Unterhaltsbeihilfe für niedersächsische Referendare von jeher – und damit auch schon vor der Föderalismusreform – landesrechtlich geregelt war. Denn seit der Umgestaltung des Referendariats von einem Beamtenverhältnis auf Widerruf hin zu einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis unterfielen die Referendare nicht mehr dem Beamten- und Besoldungsrecht. Das daraufhin erlassene NJAG regelte daher die Rechtsstellung der niedersächsischen Referendare vollkommen eigenständig. Die Inbezugnahme des BBesG war lediglich eine zulässige und jedenfalls nicht völlig sinnwidrige Koppelung. Andere Regelungen wären aber ohne weiteres möglich gewesen. Das OVG führte weiter aus, dass nach Inkrafttreten der Föderalismusreform eine Bezugnahme auf das niedersächsische BesG zwar sinnvoll und naheliegend gewesen wäre. Dieser Umstand reiche aber nicht aus, um den eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 3 S. 2 NJAG a.F. umzudeuten. Auch nach der Föderalismusreform war klar geregelt, dass das BBesG maßgebliche Berechnungsgrundlage für die Unterhaltsbeihilfe sein sollte. Insofern sei auch der Begründung des VG Braunschweig nicht zu folgen, dass die Neufassung seit dem 1. Januar 2014 keine inhaltliche Änderung darstelle. Auch den Einwand des Landes, wonach wegen § 5 Abs. 2 NJAG a.F. Landesbesoldungsrecht heranzuziehen sei, wies das OVG zurück. § 5 Abs. 2 NJAG a.F. eröffnete für die Rechtsstellung der Referendare die Heranziehung der für Beamte auf Widerruf geltenden Vorschriften, allerdings nur soweit, wie durch das NJAG selbst nichts anderes bestimmt war. Nach Auffassung des OVG war aber gerade in § 5 Abs. 3 S. 2 NJAG a.F. etwas anderes bestimmt, nämlich die Geltung des BbesG. *Anm. d. Red.: Fälschlich stand hier zunächst "die Lüneburger Richter". Tatsächlich geht es um das erstinstanzliche Urteil des VG Braunschweig. Geändert am 17.02.2015, 9:37 Uhr.

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2/2: Aber: Berufung dennoch nicht zugelassen, Verweisung statisch

Anders als das nordrhein-westfälische entschied das niedersächsische OVG jedoch, dass es sich bei § 5 Abs. 3 S. 2 NJAG a.F. um eine statische Verweisung auf das BBesG handele und damit nicht der jeweils geltende Anwärtergrundbetrag für die Berechnung der Unterhaltsbeihilfe heranzuziehen war, sondern dauerhaft der Anwärtergrundbetrag aus dem Jahr 2006.Dabei gesteht es zwar ein, dass der Gesetzeswortlaut keinen Hinweis auf eine derartige Auslegung enthielt und auch die Entstehungsgeschichte eine dynamische Bezugnahme auf den jeweils höchsten Anwärterbezug nach BBesG nahelege. Allerdings sei die ursprünglich dynamische Verweisung nach Inkrafttreten der Föderalismusreform aufgrund der Änderung des § 1 NBesG zu einer statischen geworden. § 1 Abs. 2 NBesG war im Zuge der Föderalismusreform eingefügt worden und sah für die Landesbeamten bis zum Erlass eigener landesrechtlicher Besoldungsregelungen eine statische Verweisung auf das BBesG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung vor. Diese Regelung gilt nach Auffassung des OVG auch für Referendare, denn § 5 Abs. 2 NJAG a.F. eröffnete ja gerade die Heranziehung der für Beamte auf Widerruf geltenden Regelungen, soweit durch das NJAG nichts anderes bestimmt sei. Diese Vorschrift, die zum 1. April 2009 an die für Beamte auf Widerruf geltenden Vorschriften angepasst worden sei, umfasse auch besoldungsrechtliche Regelungen. Anderenfalls hätte der niedersächsische Landesgesetzgeber die besoldungsrechtlichen Vorschriften ausdrücklich vom Geltungsbereich ausnehmen müssen, wie dies etwa in Nordrhein-Westfalen gehandhabt wurde. Da das in Niedersachsen aber nicht geschehen sei, sei über die Öffnungsklausel des § 5 Abs. 2 NJAG a.F. die Vorschrift des § 1 Abs. 2 NBesG heranzuziehen. Dies führe dazu, dass auch für Referendare nun eine statische Verweisung auf das BBesG gelte. Die Anwendung von § 1 Abs. 2 NBesG für Referendare sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass § 5 Abs. 2 NJAG a.F. die Heranziehung der für Beamte auf Widerruf geltenden Vorschriften nur soweit erlaubte, wie durch das NJAG selbst nichts anderes bestimmt war. Denn auch wenn in § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a.F. das BBesG ausdrücklich als Bezugsgröße genannt gewesen sei, müsse diese Bezugnahme „im Lichte der nach der Föderalismusreform eingetretenen und in § 1 Abs. 2 NBesG ausdrücklich geregelten statischen Verweisung auf das Bundesbesoldungsgesetz 2006“ gesehen werden.

Jahrelang zu viel gezahlt?

Aus dieser statischen Verweisung auf das BBesG 2006 folgt aus Sicht des OVG, dass der klagende Referendar keinen Anspruch auf eine höhere Unterhaltsbeihilfe habe. Zwar teilt das Gericht die Auffassung des Klägers, dass für die Berechnung der Unterhaltsbeihilfe Bundes- statt Landesbesoldungsrecht zugrunde zu legen war. Maßgeblich ist aber nicht der seit dem Jahr 2006 mehrfach erhöhte jeweilige Anwärtergrundbetrag, sondern lediglich der unverändert geltende Anwärtergrundbetrag von 2006 in Höhe von (ungekürzt) 1.052,06 Euro. Sämtliche Erhöhungen des bundesrechtlichen Anwärtergrundbetrags haben unberücksichtigt zu bleiben. Der tatsächlich zugrunde gelegte niedersächsische Anwärtergrundbetrag war aber seit Inkrafttreten des NBesG ebenso wie der bundesrechtliche Grundbetrag mehrfach erhöht worden – wenn auch in geringerem Umfang – und lag seit dem Jahr 2008 über dem statischen bundesrechtlichen Anwärtergrundbetrag von 2006. Da der Kläger aber nach 2008 sein Referendariat aufgenommen hatte und daher lediglich Zeiträume geltend machen konnte, in denen der niedersächsische Anwärtergrundbetrag bereits über dem bundesrechtlichen von 2006 lag, war ihm nicht zu wenig ausgezahlt worden, sondern sogar mehr als ihm zugestanden hätte. Denn aus Sicht des OVG hätte die Unterhaltsbeihilfe von 2006 bis zur Neuregelung 2014 starr an dem bundesrechtlichen Anwärtergrundbetrag von 2006 ausgerichtet werden müssen. Dass das Land Niedersachsen den ab einem gewissen Zeitpunkt höheren landesrechtlichen Anwärtergrundbetrag zugrunde gelegt hatte, führte also zu einer Überzahlung, auf die der Referendar keinen Anspruch hatte. Erst recht scheidet damit ein Nachzahlungsanspruch des Referendars aus.

Müssen nun die Referendare zurückzahlen?

Die Entscheidung des niedersächsischen OVG enttäuscht die Erwartungen vieler niedersächsischer Referendare, die gehofft hatten, es ihren nordrhein-westfälischen Kollegen gleich tun und eine rückwirkende Erhöhung ihrer Unterhaltsbeihilfe durchsetzen zu können. Während in Nordrhein-Westfalen in Kürze die Auszahlung der Differenzbeträge beginnt, wird man hierauf in Niedersachsen vergeblich warten. Der Beschluss des OVG, mit dem die Zulassung der Berufung abgelehnt wurde, ist unanfechtbar. Dabei dürften sich viele eine höchstgerichtliche Überprüfung wünschen, wirft die Entscheidung doch auch Fragen auf. So mag den einen oder anderen die Begründung nicht ganz überzeugen, dass eine unmittelbare Geltung von Landesbesoldungsrecht gemäß § 5 Abs. 2 NJAG a.F. zwar einerseits aufgrund ausdrücklich anderweitiger Regelung ausgeschlossen gewesen sein soll, andererseits aber § 1 Abs. 2 NBesG durchaus im Wege von § 5 Abs. 2 NJAG a.F. gelten sollte. Schließlich bringt das Gericht durch seinen Beschluss zum Ausdruck, dass das Land Niedersachsen seinen Referendaren jahrelang mehr Unterhaltsbeihilfe gezahlt hat, als es rechtlich gesehen gemusst hätte. Müssen sich nun die Referendare auf Rückforderungen des Landes einstellen? Verjährt wären die Forderungen jedenfalls nicht, da in Ermangelung einer Ausschlussklausel, wie sie in Arbeitsverträgen üblich ist, die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren gilt. Die Frist beginnt zudem erst im Zeitpunkt der Anspruchskenntnis zu laufen, im vorliegenden Fall also frühestens dem 27. Januar 2015, als das OVG Lüneburg seinen Beschluss gefällt hat. Sollte das Land Niedersachsen seine Referendare tatsächlich zur Kasse bitten, dürfte aber in Anbetracht der Höhe des Überzahlungsbetrages und der Unterhaltsbeihilfe insgesamt in den meisten Fällen der Einwand der Entreicherung durchgreifen. Der Autor Bastian Reuße ist Rechtsanwalt am Stuttgarter Standort der auf Verwaltungsrecht spezialisierten Kanzlei W2K Wurster Weiß Kupfer.

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