LL.M.-Studium während der Wahlstation

Alles, nur nicht bay­life

von Marcel SchneiderLesedauer: 6 Minuten
Deutsche Juristen sind an amerikanischen Law Schools so begehrt, dass diese sich den Eigenarten der hiesigen Juristenausbildung anpassen. Ein Referendar hat das genutzt, um ein LL.M.-Programm in seinen Vorbereitungsdienst zu integrieren.

"Man kann die Wahlstation natürlich viel entspannter gestalten oder zusätzliche Vorbereitungszeit für die mündliche Prüfung herausschlagen. Ich bereue meine Entscheidung aber nicht, auch wenn es stellenweise wirklich hart war", sagt Serge Beck im Nachhinein über seinen Sommer in diesem Jahr. Den nämlich hat er an der staatlichen (Elite-)Universität von Kalifornien, Berkeley (UC Berkeley) verbracht, genauer gesagt an der dortigen Law School (Boalt Hall). Während seiner Wahlstation von Mai bis August hat er die letzten Monate seines juristischen Vorbereitungsdienstes dazu genutzt, den ersten Teil eines speziell konzipierten LL.M.-Studiums hinter sich zu bringen. Die UC Berkeley macht ausländischen Juristen solche Angebote schon seit Jahren, mittlerweile ziehen auch andere Law Schools nach. Das hat einen simplen Grund, wie Beck erklärt: "Weil die Zahl der Vollzeit-LL.M.-Studenten stagniert oder gar sinkt und internationales Renommee für die Hochschulen so wichtig ist, passt man sich gezielt den Gegebenheiten und Ansprüchen ausländischer Juristen an, um diese als zusätzliche Studenten für sich gewinnen zu können." Auf das Angebot aufmerksam geworden ist Beck über die Universität zu Köln, an der er sein erstes Examen abgelegt hat und die schon lange in vielerlei Hinsicht mit der UC Berkeley kooperiert. Zur Auswahl stehen mehrere Angebote, die speziell auf ausländische Studenten zugeschnitten sind. Der "Hybrid Track" etwa sieht einen Sommer in Berkeley vor, davor und danach müssen Teilnehmer mehrwöchige Online-Kurse absolvieren. Der Kölner Referendar entschied sich hingegen für den "Professional Track", der sich an bereits graduierte Juristen – die Law Schools zählen das erste Examen bereits dazu – mit erster Berufserfahrung richtet und zwei aufeinanderfolgende Sommer Studium in Berkeley vorsieht, dafür aber aufs Online-Lernen verzichtet.

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Wo bitte geht's nach Amerika?

Doch wie ergattert man ein solche Ausbildungsstation? In der Regel führt "das aufwendige und kostspielige" Bewerbungsverfahren für Law Schools zentralisiert über das Law School Admission Counsel (LSAC), erklärt Beck. Das LSAC empfehle ausländischen Studenten regelmäßig, gegen einen weiteren Aufpreis die zusätzliche Anerkennungsoption des LLM Credential Assembly Service zu nutzen, der die verschiedenen internationalen Abschlüsse vergleichbar machen soll. Davon sollte man als deutscher Bewerber aber die Finger lassen, meint er: "Das spart nicht nur Geld, das Anerkennungsverfahren wird auch den deutschen juristischen Examina nicht gerecht. Wer zum Beispiel mit einem 'Vollbefriedigend' bis 'Gut' von neun bis dreizehn Punkten hierzulande zu den besten 15 bis zwei Prozent gehört, wird entsprechend der Umrechnung nur als 'above average+' kategorisiert, was in etwa nur den obersten 25 Prozent der Bewerber entspräche. Wer bezahlt denn schon Geld, um seine Chancen zu schmälern?" Der Wahlstationssuchende schaute sich stattdessen nach einer anderen Lösung um – und profitierte von den Verbindungen der Kölner Juristenfakultät: Die empfahl Becks Teilnahme den Kollegen in Übersee nicht nur, sondern machte es ihm nach Absprache mit dem zuständigen Büro in Berkeley auch möglich, sich dort direkt und damit wesentlich kostengünstiger zu bewerben. So musste er neben Lebenslauf, Sprachnachweis und Empfehlungsschreiben nur noch ein sogenanntes Transcript of Records einreichen, das ihm das zuständige Oberlandesgericht und Prüfungsamt recht schnell ausgestellt haben. Mit dem nötigen Quäntchen Glück war Becks Bewerbung dann recht zügig erfolgreich.

Welcome to the Case Law

Zu Beginn des Studiums stehen für die ausländischen Studenten die Grundzüge des US-amerikanischen Rechts und wissenschaftliches Schreiben auf dem Lehrplan. Gut so, findet Beck, denn an das Case Law müsse man sich erst gewöhnen. Danach können sich die Kandidaten ihren Interessen entsprechend spezialisieren, wozu sie sich desselben Vorlesungskatalogs bedienen wie die anderen LL.M.-Tracks auch. Wer es darauf anlegt, kann mit einer entsprechenden Kurswahl sogar die Zulassung zum kalifornischen Bar Examination anpeilen. Das muss man aber wirklich wollen, denn das Pensum ist nach Becks Einschätzung "auch so schon sportlich genug. Wer ein deutsches Juraexamen hinter sich gebracht hat, bringt immerhin die besten Voraussetzungen mit." Typisch amerikanisch finden die Vorlesungen dabei in der ersten Tageshälfte statt, weiterführende Kurse, Tutorien und ähnliches belegen die Studenten dann nachmittags. Zwischendurch finden Veranstaltungen bei großen Unternehmen im benachbarten Silicon Valley statt, "auf denen sich die großen Player den ausländischen Studenten präsentieren und in persönlichen Gesprächen ohne Berührungsängste nähern. Man merkt, dass sich nicht nur die Law Schools, sondern auch die amerikanische Wirtschaft um Juristen mit ausländischen Rechtskenntnissen sehr bemüht", sagt Beck. In der eher rar gesäten Freizeit wartet die UC mit einem "unfassbar großen Sportangebot auf", so der Referendar. "Und Berkeleys Lage in der San Francisco Bay Area nebst Ozean und diversen Parks ist nun auch nicht gerade ungünstig gelegen, um etwas zu unternehmen." Aber Vorsicht: Wirklich "baylife", wie der umgangssprachliche Ausdruck der Region dafür lautet, etwas sehr Wichtiges nicht ernst zu nehmen, ist die Zeit dort nicht, sagt Beck: "Das Studium hält einen ganz schön auf Trab" – und zwar nicht nur des Lernstoffs wegen.

28.000 Euro Studiengebühren – wie stemmt man das?

Studieren in den USA kostet – nicht umsonst hat sich ein ganzer Wirtschaftszweig um das Gewähren der berüchtigten "student loans", also der Studiendarlehen, entwickelt. Für seine zwei Mal drei Monate zahlt Beck umgerechnet 28.000 Euro Studiengebühren. Knapp 9.000 Euro davon hat er durch ein Stipendium einer Großkanzlei und seiner Universität berappt. Für den Restbetrag hat er einen (deutschen) Kredit aufgenommen und sein Erspartes aus der Arbeit bei einer Wirtschaftskanzlei genutzt. Dabei hätte es günstiger werden können, wie er "leider erst im Nachhinein" erfuhr, so Beck. "Im Wettbewerb um ausländische Studenten gehen die amerikanischen Universitäten so weit, dass sie sich gegeneinander aushandeln lassen." Einer seiner Kommilitonen habe der UC Berkeley etwa ein günstigeres Angebot der University of Pennsylvania vorgelegt, woraufhin erstere die Studiengebühren für ihn senkte. Immerhin: Zum Sommer hin vermieten die regulären Studenten ihre Wohnungen weiter. Dadurch würden die Mieten um etwa ein Drittel sinken, schätzt Beck. "Für ein halbwegs ordentliches WG-Zimmer muss man dann aber immer noch um die 1.200 Euro monatlich einkalkulieren." Wer sparsam lebe, könne die übrigen Posten wie etwa die Anreise, Essen, Freizeit und ein wenig Sightseeing bzw. Reisen von der Unterhaltsbeihilfe für Referendare bestreiten.

Zurück in Deutschland: Lohnt sich der Aufwand?

Die Anerkennung seines Berkeley-Studiums als Wahlstation durch das Landesjustizprüfungsamt (LJPA) verlief dabei einwandfrei, sagt der Referendar*. Als Ausbilderin ließ er sich der Studiendekanin der Law School zuweisen. Auch hier bestätigte sich seine Erfahrung: Die Law Schools bemühen sich sehr um ihre ausländischen Studenten. So habe die UC Berkeley beispielsweise seine Ausbildung sowie das Stationszeugnis extra für ihn entsprechend den üblichen Anforderungen des LJPA strukturiert und ihn beim Beantragen des Sonderurlaubs zwecks Teilnahme an den Abschlussprüfungen unterstützt. Stellt sich nur noch die Frage: Lohnt sich der erhebliche zeitliche, organisatorische und finanzielle Aufwand? "Auf jeden Fall", resümiert Beck die erste Hälfte seines LL.M.-Studiums. "Man bildet sich nicht nur fachlich sowie persönlich weiter und knüpft Kontakte; auch die potenziellen Arbeitgeber, mit denen man sich gegen Ende des Referendariats in Verbindung setzt, zeigten sich hochinteressiert und signalisieren mir aktuell gute Chancen für den Jobeinstieg nach dem Assessorexamen. Ich bin jedenfalls vollends überzeugt und freue mich schon jetzt auf die zweite Hälfte im kommenden Sommer." Das offenbar so sehr, dass er sich inzwischen auch zum Studienpräsidenten des Professional Tracks an der Boalt Hall wählen ließ. *Das zuständige LJPA hat nach Erscheinen des Artikels gegenüber LTO vermeldet, dass die Anerkennung eines Studiums als Wahlstation nicht der Verwaltungspraxis entspricht. Update am 11.12.2018, 13.14 Uhr.

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