Deutsch-französische Doppelstudiengänge

Juristenausbildung in zwei Rechtssystemen

von Philipp SümmermannLesedauer: 5 Minuten
Seit mehr als 50 Jahren bieten deutsch-französische Studienprogramme Studenten aus beiden Ländern Doppelabschlüsse in den zwei Rechtssystemen. Die Absolventen sind gefragt, Kanzleien und Unternehmen suchen für grenzüberschreitende Geschäfte ihren Rat. Bei den Austauschprogrammen lernen die Studenten dabei nicht nur zwei Rechtstraditionen, sondern auch zwei Kulturen kennen.

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Waren im Wert von 66,5 Milliarden Euro hat Deutschland im vergangenen Jahr aus Frankreich importiert, Exporte im Wert von 101,6 Milliarden Euro haben Deutschland in Richtung Frankreich verlassen. Frankreich ist der wichtigste Handelspartner von Deutschland. Politisch sind die beiden Länder ohnehin eng verbunden, nicht erst seit "Merkozy". Diesem engen Verhältnis tragen deutsch-französische Jura-Studienprogramme Rechnung. Studenten aus beiden Ländern lernen dort die unterschiedlichen Rechtssysteme und Kulturen kennen. Die Hälfte ihres Studiums verbringen die Studenten in Deutschland, die andere Hälfte in Frankreich. Am Ende haben sie dann auch gleich zwei Abschlüsse in der Tasche, einen französischen und einen deutschen.

Ursprünge im Saarland

Den Grundstein dafür legte die Universität des Saarlandes. Das dortige "Centre juridique franco-allemand" stammt aus der Zeit, als die Universität noch französisch war. Gegründet im Jahr 1955, wurde das Angebot nach dem Beitritt zur Bundesrepublik für deutsche Studenten geöffnet und in einen Doppelstudiengang für deutsches und französisches Recht umgewandelt. Studenten verbringen einen Teil des Studiums in Saarbrücken, den restlichen Teil studieren sie an der Partneruniversität in Metz. Ihren Abschluss bekommen sie von beiden Unis verliehen. Neben Saarbrücken gibt es solche Programme mittlerweile auch in Berlin, Düsseldorf, Erlangen, Köln, Mainz, München und Potsdam. Während manche Programme gleich mit dem ersten Semester beginnen, bewirbt man sich für andere erst während des Jurastudiums. Unterschiede gibt es auch in der Studiendauer und den erreichten Abschlüssen.

Köln bietet das größte Programm

Eines der größten binationalen Programme bietet die Universität zu Köln, seit mehr als 20 Jahren besteht ihre Kooperation mit der "Université Paris I – Panthéon-Sorbonne". Direkt nach dem Abitur können sich Interessierte für den Studiengang bewerben. 800 Franzosen und 130 Deutsche versuchen es jedes Jahr, nur 30 Studenten pro Land werden zugelassen. Nach vier Jahren Studium erhalten die Absolventen eine "Maîtrise en Droit" von Pariser Seite und einen "Bachelor of Laws, LL.B." von der Kölner Uni verliehen. Eine Besonderheit des Programms ist das gemeinsame Studium für die Studenten beider Länder: Alle Studenten beginnen gemeinsam in Köln, sowohl die Franzosen als auch die Deutschen. Zwei Jahre studieren sie dort deutsches Recht und bekommen Einführungsveranstaltungen in das französische System. Das dritte und vierte Jahr verbringt die Gruppe anschließend in Paris. Nach dem Abschluss setzt der Großteil der Franzosen das Studium mit einem "Master 2" fort, die Deutschen bereiten sich auf ihr Staatsexamen vor. Zusätzliche Zeit kostet das Auslandsstudium nur wenig: Den Studiengang können sich die Studenten als Schwerpunktbereich für ihr Staatsexamen anrechnen lassen.

Gesuchte Absolventen

Nach Abschluss des Studiums sind die Absolventen gesucht. Das mag auch an den Noten liegen: 70 % schließen ihr Studium mit einem Prädikatsexamen ab, der Bundesschnitt liegt unter 14 %. Der Großteil der Absolventen arbeitet später in einem internationalen Umfeld, bei Kanzleien, Unternehmen oder europäischen Organisationen. "Es war für meine Ausbildung und auch meine heutige Tätigkeit als Rechtsanwältin in einer Wirtschaftskanzlei wichtig, in beiden Ländern studiert zu haben", sagt Catherine Soulas, Absolventin des Kölner Programms, die als Anwältin bei CMS Hasche Sigle im Arbeitsrecht tätig ist. "Gerade bei der Beratung französischer Mandanten ist es wichtig, das andere Rechtssystem zu kennen und zu verstehen, wo die Fragen des Mandanten herkommen."

Zwei Länder, zwei Hochschulsysteme

Die Studenten lernen neben den unterschiedlichen fachlichen Inhalten auch zwei verschiedene Arten der Methodik. Die Hochschulsysteme unterscheiden sich stark. Deutsche Studenten üben vor allem  Falllösungen für ihre Klausuren, in Frankreich werden Urteilskommentare und theoretische Aufsätze zu Rechtsfragen verlangt. Im Gegensatz zu deutschen Hausarbeiten wird dabei eine feste Struktur vorgegeben: Jeder Aufsatz muss aus zwei Teilen mit jeweils zwei Unterabschnitten bestehen. Andere Systeme, andere Gewohnheiten. "Das lehrt einen, strukturiert zu denken und zu arbeiten", sagt Soulas. "Auch wenn ich nicht nur gute Erinnerungen an die französischen Lehrmethoden habe, habe ich im Rückblick durchaus davon profitiert." "Das französische System ist viel verschulter. Regelmäßig gibt es Abgaben in den Arbeitsgemeinschaften, man würde auf Deutsch sagen, Hausaufgaben. Auch die Vorlesungskultur ist eine andere, es wird viel mehr diktiert", sagt Sebastian Segmiller. Er bereitet sich gerade an der LMU München auf sein Staatsexamen vor, im vergangenen Jahr hat er das dortige Doppelstudium mit der Université Paris II abgeschlossen. Interessenten sollten sich gut überlegen, ob sie wirklich einen Doppelstudiengang mit der zusätzlichen Arbeitsbelastung machen möchten: "Mit Erasmus hat man wohl viel mehr Zeit, Land und Leute kennen zu lernen." Dennoch sagt Segmiller: "Die Zeit in Frankreich hat mir sehr gut gefallen. Paris ist eine tolle Stadt mit einem besonderen Flair. Ich bin sehr herzlich empfangen worden." Die Studenten lernen natürlich nicht nur Jura, sondern zwei Länder und somit auch zwei verschiedene Kulturen kennen. Ob es nun die Deutschen sind, die den Franzosen das Oktoberfest oder den rheinischen Karneval näher bringen oder die Franzosen, die den Deutschen Nachhilfe in französischen Chansons geben.

Französisch ist unabdingbar

Französischkenntnisse sind grundlegende Voraussetzung für ein deutsch-französisches Studium. Von Bewerbern wird zwar keine perfekte Zweisprachigkeit erwartet, solide Kenntnisse müssen aber mitgebracht werden. Dass sich diese im Ausland verbessern, ist selbstverständlich. "Französisch ist weiterhin sehr wichtig", sagt Sebastian Segmiller. "Ich kann jedem ein Studium in Frankreich nur empfehlen." Sämtliche Organe der Europäischen Union und die Vereinten Nationen verwenden Französisch als Arbeitssprache. In 29 Ländern ist es offizielle Amtssprache, 220 Millionen Frankophone gibt es weltweit. Noch immer gilt Französisch neben Englisch als die Sprache der Diplomaten. "Englisch ist wie Zähneputzen. Die eigentliche Exzellenz beginnt mit der zweiten Fremdsprache", sagt daher auch Barbara Dauner-Lieb,  die als Professorin an der Universität Köln für das Programm der deutsch-französischen Jurastudiengänge zuständig ist. "Sie werden ernsthaft im deutsch-französischen Geschäftsverkehr keine Geschäfte nur auf Englisch machen. Sie werden ernsthaft in Brüssel keine Gesetze nur auf Englisch machen." Ganz allein steht Französisch ohnehin nicht mehr: Ab dem kommenden Jahr wird ein Seminar zu "Legal English" auch Pflichtbestandteil des deutsch-französischen Jurastudiums an der Uni Köln.

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