Jura in Leipzig

"Wir müssen die Hütte voll­kriegen"

Gastbeitrag von Lisa StrieglerLesedauer: 5 Minuten

Wer in Sachsen Jura studieren will, hat keine Wahl: In Dresden ist das nicht mehr möglich. Was sich an der letzten verbliebenen Juristenfakultät in Leipzig entsprechend tut und was noch werden soll, zeigt Lisa Striegler.

Zum 1. September 2018 wurde die Neuimmatrikulation an der juristischen Fakultät in Dresden eingestellt – und damit das Ende des Jurastudiums in der Landeshauptstadt besiegelt. Mit dem Wintersemester 2017/2018 wechselten bereits erste Lehrstühle nach Leipzig, inzwischen sind die Versetzungen abgeschlossen. "Das hat alles reibungslos geklappt. Die Kollegen fühlen sich wohl und ergänzen das Programm gut", sagte Prof. Dr. Tim Drygala, Dekan der Leipziger Fakultät.

Zusätzlich soll es Verstärkung geben: Neben der Neubesetzung durch Prof. Dr. Elisa Hoven (Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medienstrafrecht) sind Lehrstühle im Migrationsrecht und im Bereich Digitalisierung in Arbeit beziehungsweise geplant. Künftig soll auch International Business Law gelehrt und perspektivisch als englischsprachiger Masterstudiengang angeboten werden. Ziel ist es, bis zum Frühjahr 2020 alle Lehrstühle besetzt zu haben.

Die juristische Fakultät in Leipzig stellt sich also breit auf. Dass sie im Wachstum ist, wird aber noch an anderer Stelle deutlich – und bereitet einigen Kopfzerbrechen.

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Akute Platzprobleme, langfristiger Megabau

An Büros für Professoren und Mitarbeiter mangelt es in Leipzig nicht. Die Krux liegt weiter unten, in der zweiten und dritten Etage des Fakultätsgebäudes. Wo sich meterweise Bücher an Bücher reihen, sitzen auch die Studenten eng gedrängt, fast sardinenmäßig auf ihren Stühlen, und hoffen, dass der Sauerstoff in diesen Tagen auf ihrer Seite ist.

Dass das kein Dauerzustand sein kann, liegt nicht nur auf der Hand, sondern auch in Papierform auf dem Tisch des Dekans: "Der Bibliotheksausbau verläuft zäh, aber die Bauarbeiten haben angefangen. Im April 2020 werden wir mit 200 zusätzlichen Arbeitsplätzen wieder vernünftig aufgestellt sein", sagte Drygala. Zwar ein halbes Jahr später als geplant, aber immerhin.

Dass sich die – platzbedingt ohnehin bereits bestehende – fachliche Trennung zwischen Zivilrecht und Strafrecht einerseits und Öffentlichem Recht und Europarecht andererseits dann auch auf die juristische Literatur erstreckt, lässt sich jedenfalls kurzfristig nicht ändern. Die Studenten müssen vorerst weiterhin mit zwei voneinander getrennten Gebäuden vorlieb nehmen. "Wir haben alles abgeklopft und ausprobiert. Was Besseres war nicht drin", sagt der Dekan. "Für Geld und gute Worte nicht."

Eine langfristige Lösung ist aber in Sicht: ein Neubauvorhaben, das Großes verspricht. Auf dem Leipziger Wilhelm-Leuschner-Platz soll eine komplett neue Juristenfakultät entstehen. Ideen hierfür werden gemeinsam mit dem "Forum Recht" entwickelt, einer in Karlsruhe ins Leben gerufenen Initiative. Das Projekt will eine Begegnungsstätte erschaffen, die den Rechtsstaat für jeden begreifbar macht – und durch universitäre Zusammenhänge zusätzliche Impulse erhalten soll.

Entsprechende Kooperationsgedanken werden nicht nur in Karlsruhe befürwortet. Auch von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, Universitätsrektorin Dr. med. Beate Schücking und Sachsens Justizminister Sebastian Gemko gibt es Rückendeckung. Nun gilt es, das Vorhaben anzuschieben, um möglichst schnell zu einer Verbindlichkeit zu kommen. Eine Fertigstellung vor 2026 ist allerdings nicht realistisch. Bis sich alle Lehrstühle inklusive der Bibliothek(en) unter einem Dach niedergelassen haben, wird somit noch einige Zeit vergehen.

Erstmals ging die Zahl der Anmeldungen zurück

Der Studienbetrieb funktioniert trotz der Schwierigkeiten gut. Die zwischenzeitliche Überlastung der Hörsäle durch die zahlreichen Neuankömmlinge ist gemeistert. Den Räumlichkeiten des benachbarten Kinos konnten die Juristen – im Gegensatz zu den Studenten anderer Fächer – knapp entkommen: Dass sich Schönfelder und Klemmbrett nur schwerlich auf dem Schoß balancieren lassen, hat die Verantwortlichen überzeugt.

Zum kommenden Herbst soll die Zahl der Jurastudenten noch einmal kräftig wachsen. 750 angehende Juristen will die Leipziger Juristenfakultät dann aufnehmen. Eine freie Einschreibung kommt deshalb trotzdem nicht in Betracht. Der recht maßvolle Numerus clausus lag im vergangenen Durchgang bei einem Abi-Schnitt von 2,5 und dürfte sich auch im bevorstehenden Wintersemester daran orientieren.

Da sich die Zahl der Anmeldungen für das rechtswissenschaftliche Studium im vergangenen Jahr erstmals verringert hat, will man Studieninteressierte nun besser adressieren und ansprechen: Tag der offenen Tür, Studieninformationstag, neuer Image-Film – da legt sich der letzte Jura-Standort Sachsens ordentlich ins Zeug. Ob das reicht, wird sich zeigen. Pro Leipzig soll die Entscheidung ausfallen, das ist jedenfalls klar. "Ziel ist es, die Hütte voll zu kriegen", erklärte Drygala.

Im Zivilrecht fördern, Durchfallquote senken

Doch es braucht nicht nur mehr Studienanfänger. Der sich abzeichnende, demografisch bedingte Personalmangel in der Justiz verlangt auch nach einer entsprechenden Anzahl an Absolventen mit passenden Noten im Examen. Nachdem die Misserfolgsquote im letzten Termin der staatlichen Pflichtfachprüfung in Leipzig bereits erheblich zurückgegangen ist, will die Fakultät die Durchfallquoten weiter senken – mit neuen Formaten und optimierter Lehre.

Neben dem bewährten und von den Studenten gut angenommenen Universitätsrepetitorium LEO tut das noch relativ junge LEONIE-Projekt sein Übriges: Bereits im vierten Semester werden dort Lösungsskizzen zu Original-Examensklausuren erarbeitet, damit die Studenten ein Gefühl dafür bekommen, wie hoch der zu erwartende Leistungssprung zum Examens-Ernstfall sein wird. Ziel ist es, auch solche abzuholen, die sich vielleicht etwas verloren fühlen im Gewusel der aufgeregt Lernenden.

Noch in der Pipeline: Ein E-Learning-Programm, mit dem individuelle Lerngruppen über einen Coach ihre Examensvorbereitung weiterentwickeln und fokussierte Arbeitsweisen kennenlernen können. Der Probelauf wird bald starten. Ebenso soll künftig stärker im Zivilrecht in den mittleren Semestern gearbeitet werden. Zusätzliche und vertiefende Veranstaltungen sollen eine intensivere Vorbereitung auf dem Rechtsgebiet ermöglichen, das immerhin 50 Prozent der Examensklausuren ausmacht.

Bei alldem gilt zu bedenken: Je größer die Fakultät, desto stärker die Massenatmosphäre. Dass in Leipzig keine Familienfeste gefeiert werden, ist klar. Die Betreuung erstreckt sich dennoch auf alle Studienabschnitte: Lehrstuhlmitarbeiter und Mentoren helfen beim Einstieg, Recherchetraining und prüfungstaktische Hinweise sollen das selbstständige wissenschaftliche Arbeiten erleichtern. In kleineren Arbeitsgemeinschaften wird das erworbene Wissen parallel zu den Vorlesungen vertieft und gefestigt.

Jura in Leipzig: Das ist Respekt vor immensen Herausforderungen und einer großen Zukunftsvision. Unterstützung kommt dabei von allen Seiten, die Fakultät gibt sich optimistisch – ganz wie ihr Dekan: "Man kann Dinge bewegen. Wir stehen nicht allein davor."

Die Autorin Lisa Striegler ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leipziger Lehrstuhl für Arbeitsrecht bei Prof. Dr. Burkhard Boemke.

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