Technik und Recht

Hilfe, da blinkt etwas!

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Er steht verzweifelt vor der piepsenden Kaffeemaschine oder zieht panisch am eingeklemmten Druckerpapier: Den technisch unfähigen Anwalt gibt es wohl in jeder Kanzlei. Mithilfe einer Zusatzausbildung sollen Juristen nun schon an der Universität vertieftes Fachwissen in den Ingenieurswissenschaften erwerben können. Doch wie technisch kann die Juristenausbildung werden?

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Nach zwei Jahren Maschinenbaustudium bestand Klaus Hamels Freundeskreis zum größten Teil aus Ingenieuren. Vier Semester lang hatten sie um 7.30 Uhr in den überfüllten Hörsälen der Technischen Universität Dresden gemeinsam technisches Zeichnen, Mathematik, Physik und Chemie gehört. Das Grundstudium lag hinter ihnen, das begehrte Diplom rückte langsam in greifbare Nähe. Doch zum fünften Studiensemester wechselte Klaus das Studienfach, ließ Freunde und Zeichnen hinter sich und wurde – Jurastudent. "Nicht jeder Jurist findet Technik furchtbar und nicht jeder Ingenieur glaubt, Jura sei total unspannend", sagt der 25-Jährige, der heute in Leipzig studiert, über seinen Wechsel. Ganz ließ ihn die Technik auch im Jurastudium nicht los: Er absolvierte zunächst den Dresdener Bachelor-Studiengang "Law in Context". Der lehrt das Recht mit seinen Bezügen, etwa "zu Technik", so die offizielle Beschreibung der Technischen Universität. Seinen Studienschwerpunkt legte Klaus auf Technologie- und Umweltrecht. In seiner Bachelorarbeit befasste er sich mit Problemen des Breitband-Internetzugangs. Dabei half das abgebrochene Studium durchaus: "Das technische Wissen zu den juristischen Problemen meines Schwerpunkts musste ich mir nämlich selbst aneignen", berichtet er. Nur einmal zeichnete ein Juraprofessor in der Vorlesung einen Stromkreis an die Tafel, um zu erklären, dass man Strom nicht speichern könne. Für viele von Klaus’ Kommilitonen eine ganz neue Erkenntnis, die zeigt: Selbst Jurastudenten an einer Technischen Universität, in einem Studiengang, der explizit mit seinem Technikbezug wirbt, fehlt oft das Hintergrundwissen zu den technischen Fragestellungen, die sie rechtlich fehlerfrei sezieren sollen.

Vier Fachbereiche, zehn Vorlesungen, ein Freisemester

Ganz anders soll es ab diesem Semester angehenden Juristen an der Universität Bayreuth ergehen. Dann können die ersten von ihnen dort eine Technikwissenschaftliche Zusatzausbildung, kurz TeWiZ beginnen. In vier Fachbereichen der ingenieurswissenschaftlichen Fakultät sollen den Juristen Grundlagen der technischen Disziplin vermittelt werden. Von Maschi-nenbau über Biotechnologie bis hin zu Werkstofftechnik: Jurastudenten, die neben dem Studium Prüfungen in jedem der zehn technischen Teilfächer abgelegt haben, bekommen ein Zertifikat plus ein Freisemester fürs Staatsexamen. Bis zu fünf Technik-Vorlesungen können pro Woche auf das reguläre Studienpensum draufgesattelt werden. Ein hoher Lernaufwand, der sich nach Meinung der Organisatoren allerdings spätestens auf dem Arbeitsmarkt auszahlen wird, denn: "Die 'Kluft' zwischen Juristen und Ingenieuren ist noch groß. Anders als Juristen und Betriebswirte sprechen sie vielfach keine gemeinsame Sprache. Die Zusatzausbildung soll die Kommunikationsfähigkeit der Studenten steigern und ihr Problembewusstsein im technischen Bereich stärken", so Professor Michael Grünberger, der die Ausbildung für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät koordiniert.

Was verbirgt sich bloß hinter dem Gesetzeswortlaut?

Mit ihrer Zusatzausbildung beschreitet die Universität Bayreuth einen neuen, ungewöhnlichen Weg. Technik spielt in der klassischen deutschen Juristenausbildung bisher keine Rolle. Manche Universitäten bieten Veranstaltungen im Technikrecht an, etwa im Rahmen des Schwerpunktbereichs. Manche Hochschulen gestalten Technikrecht als Zusatzqualifikation aus, etwa als LL.M.-Studiengang. Doch Einblicke in das, was sich hinter dem Gesetzeswort-laut verbirgt, bieten diese Vorlesungen selten – sind ihre Dozenten doch in aller Regel selbst Juristen. Dabei kann eben dieses Hintergrundwissen in der Praxis später unabdingbar werden. Wer etwa in die Politik geht und sich mit erneuerbaren Energien auseinandersetzt, wird ohne Grundkenntnisse der Elektrotechnik rasch Verständnisprobleme bekommen. Wer als Richter ohne Technikkenntnisse ein entsprechendes Urteil sprechen soll, ist alleine auf Aussagen seiner Sachverständigen angewiesen. Und wer in der Rechtsabteilung eines großen Maschi-nenbauers arbeitet, Hydraulik aber für ein fieses Fremdwort hält, kann folgenschwere Fehler machen.

"Juristen und Ingenieure: auf beiden Seiten grobes Unverständnis"

Manche Referenten, Richter und Justiziare finden sich daher Jahre nach dem Start ins Berufsleben in den Vorlesungen von Thorsten Kurtz an der Leibniz Universität Hannover ein. Dort liest Kurtz jedes Semester Technikrecht I und II. Gedacht sind die Veranstaltungen eigentlich für Ingenieure, Architekten, Mathematiker und andere Technik- und Naturwissenschaftler. Sie sollen lernen, rechtliche Problemsituationen einzuschätzen und den einge-schalteten Juristen verständlich zu erklären. Denn auch Kurtz hat festgestellt: "Setzt man Juristen und Ingenieure an einen Tisch, trifft man auf beiden Seiten auf grobes Unverständnis." Das Problem: Die Ingenieure fühlen sich von den wortgewaltigen Juristen ausgebremst, die Juristen verstehen die Zeichnungen, Zahlen und Formeln der Techniker nicht. Dabei könnte es so einfach sein, findet Kurtz. "Eigentlich können Juristen sich von Haus aus gut in Neues einarbeiten. Warum nicht auch in technische Sachverhalte?" Auf diese Methodenkompetenz bauen auch die Organisatoren der TeWiZ. Um Technikhemmungen zu reduzieren, wurden alle Vorlesungen speziell für Jurastudenten konzipiert, etwa mit besonders detaillierten Er-klärungen mathematischer Konzepte. So will man nicht nur Hobby-Ingenieure erreichen, sondern bei allen Studenten Interesse an einer fachfremden Ausbildung schaffen.

Der Freundeskreis als Weiterbildungsmöglichkeit

Doch Angebote wie das von Kurtz und Michael zeigen auch: Juristen, die später Atomkraft-werksbetreiber vor Gericht vertreten, in der Städteplanung aktiv werden oder Patente prüfen wollen, sind auf viel Eigeninitiative angewiesen. Noch bieten eine Zusatzausbildung, wie sie nun in Bayreuth anläuft, oder die Weiterbildung neben dem Beruf die einzige Möglichkeit, als Jurist technisches Wissen zu erwerben. Denn während die Technikstudenten in Kurtz’ Vorlesungen die Noten aus der Juraklausuren für den Bachelor nutzen, haben die Techniknoten von Grünbergers Jurastudenten keinen Einfluss auf ihre Staatsexamina. Entsprechend geringer ist der Anreiz, sich das fachfremde Wissen anzueignen. Klaus Hamel jedenfalls hätte seine vorhandenen Technikkenntnisse gerne schon während des Jurastudiums weiter ausgebaut. "Beide Fachgebiete von vorneherein zu vereinen, ist doch cleverer als sich später mühsam weiterzubilden." Doch statt eines Professors erweitert heute der Ingenieurs-Freundeskreis seinen technischen Horizont: "Im vergangenen Semester haben gleich drei meiner Freunde für ihre Diplomarbeit geforscht. Da kann man auch in der Diskussion am Küchentisch noch richtig dazulernen."

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