Mit Jura nach New York

LL.M. in der Stadt, die niemals schläft

von Jonas HeinLesedauer: 5 Minuten
Ein knappes Jahr an der New York University ist eine prägende Erfahrung – juristisch, persönlich, finanziell. Wenn Jonas Hein auf seine Zeit im Big Apple zurückblickt, erscheint ihm die Stadt, die ihm erlaubt hat einer der ihren zu sein, fern und unwirklich. Hier schildert er seine Erlebnisse mit hohen Mieten, vollen Seminaren und wissenschaftlichen Publikationen während des LL.M. Studiums.

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Der Beginn meiner Auslandserfahrung war bestensfalls holprig. Die amerikanische Ausbildungslandschaft ist unübersichtlich. Es gibt 200 juristische Fakultäten mit ganz unterschiedlichen akademischen Konzepten und Schwerpunkten. Damit hat man bereits in der Planung die Qual der Wahl: Wo soll es angesichts des gewaltigen Angebots überhaupt hingehen? Hinzu kamen wenig ermutigende Erfahrungsberichte von LL.M.-Alumni über die Bearbeitung ihrer Visa-Anträge. Angesichts des immensen Aufwandes, den jede einzelne Bewerbung bedeutete, schien die Vorstellung des LL.M.-Studiums lange Zeit wie Träumerei. Träumerei, freilich, die sich mit genügend Elan, Ausdauer und den richtigen Hilfsmitteln in die Wirklichkeit übersetzen ließ. Für die Universitätswahl waren Ratschläge deutscher Dozenten, die Universitätsbeschreibungen von US-News sowie die vom DAAD gelegentlich veröffentlichten Abschlussberichte gleichermaßen nützlich. Bei der Wahl des Studienortes sollte aber letztlich vor allem das fachspezifische Interesse den Ausschlag geben. Für die Law School der NYU sprechen ihre hervorragenden Dozenten im Bereich des internationalen und europäischen Rechts. Wer nicht vorhat, in den USA eine langfristige Anstellung zu finden, der sollte zudem auf ein internationales Lehrangebot achten.

Die Wohnungssuche – so schlimm wie ihr Ruf

Angekommen, erschlägt es einen zunächst. Unübersichtlichkeit, Unordnung, Unbegreiflichkeit. Die Stadt wirkt, als habe sie sich erst kürzlich aus einem langjährigen Wahn entworren, macht dabei aber keinen Hehl aus ihrem Grundparadigma: Arbeite härter als die anderen, verdiene es mehr und finde deine Erleuchtung im Konsum. Der Vorteil eines solchen postpolitischen und deklassifizierenden Dogmas ist: Jeder, der sich ihm unterwirft, gehört dazu. In New York ist man erfindungsreich, schöpferisch, hoffnungsvoll und begeisterungsfähig. Und es stimmt. Alles, was über die Wohnungssuche in New York gesagt wird, stimmt. Sie ist anstrengend, sie ist frustrierend und sie ist vor allem oft langwierig. Gleichwohl: Sie ist nicht a priori zum Scheitern verurteilt. Unproblematisch kommt man mit einer einmaligen Bewerbung in dem fakultätseigenen Wohnheim in Uninähe unter. Allerdings sind die Zimmer dort mitunter spartanisch und trist eingerichtet und dazu absolut überteuert. Außerdem ist es nicht möglich, das Mietverhältnis vor Ende des Studiums zu kündigen, um etwa in eine eigene Wohnung in der Stadt zu ziehen. Mir hat das Wohnen "off-campus" jedenfalls einen sehr authentischen Zugang zur Stadt jenseits der sozialen Blase der Law School gewährt, den ich nicht missen möchte. Die sicherlich meistgenutzte Plattform zum Auffinden einer geeigneten Bleibe ist Craigslist. Schöne Stadtviertel mit guter U-Bahn Anbindung zur NYU sind in Manhattan das West Village, East Village und Chelsea. In Brooklyn bieten sich Carrol Gardens, Cobbel Hill, Red Hook, Williamsburg, Greenpoint, Bedford-Stuyvessant und Bushwick an. Die Wohnungen werden oft sehr kurzfristig inseriert, weil es in New York keine dem deutschen Mietrecht vergleichbaren Kündigungsfristen gibt.

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2/2: Das Niveau der Lehre – money can't buy everything

Die Law School der NYU unterscheidet sich von vielen anderen Top-Fakultäten der USA dadurch, dass sie LL.M. Studenten die Möglichkeit bietet, sich zu spezialisieren. In Anbetracht des immensen zeitlichen und vor allem finanziellen Aufwands des US-amerikanischen LL.M.-Studiums, verändert sich das Verhältnis zur Universität als Einrichtung drastisch. Wer Bildung auf einmal als privatwirtschaftliche Dienstleistung bezieht und bezahlt, begegnet ihr mit einem anderen Anspruch. Etwas ernüchtert nimmt man daher zur Kenntnis, dass selbst an einer so renommierten Universität wie der NYU bis zu 28 Studenten an Seminaren und oft weit über 100 an Vorlesungen teilnehmen. In einigen Kursen wurde den Teilnehmern Lesestoff in immensem Umfang aufgebürdet, der ganz offensichtlich nicht bewältigt werden konnte, und allem Anschein nach auch von den Professoren selbst oft nicht bewältigt wurde. Dementsprechend wurde dann auch nur ein Bruchteil dieses Stoffes behandelt, noch dazu meistens in oberflächlicher Manier. Es kam selten zum Austausch dogmatischer Argumente und anspruchsvoller Fragestellungen. Die Studenten hatten die verpflichtende Lektüre häufig nicht gelesen und waren hauptsächlich damit beschäftigt, eifrig wortgetreue Notizen zu machen, da diese während der Klausur konsultiert werden dürfen. Auch auf die Seminararbeiten gab es mehrfach keinerlei inhaltliches Feedback. Mit dieser Kritik sollen die positiven Seiten des Studiums aber nicht unter den Teppich gekehrt werden. Einige der Vorlesungen waren Meisterstücke gelungener Didaktik und verbanden einen interdisziplinären Ansatz mit einer Reihe von Gastauftritten namhafter Experten. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, sollte man während der ersten beiden Wochen, der sogenannten "add/drop" Phase, möglichst viele verschiedene Kurse besuchen und sich von den Beschreibungen und Empfehlungen der amerikanischen Kommilitonen leiten lassen. Die Kurse für Studenten höherer Semester bieten die besseren Voraussetzungen, da die Rechtskenntnisse der Teilnehmer besser sind und der Stoff nicht ganz so stark komprimiert ist wie in den Grundlagenveranstaltungen.

Publikationen während des Studiums und gesellschaftlicher Diskurs an der Uni

Ein weiteres Argument für den Besuch einer amerikanischen Law School ist die Möglichkeit, in den Seminaren veröffentlichungsfähige Arbeiten zu schreiben. Eine gute inhaltliche Betreuung durch den Professor ist allerdings auch an der NYU Glücksache, wenngleich sich jederzeit Gesprächstermine vereinbaren lassen und Gespräche auf Augenhöhe stattfinden. Ich hatte Glück und stehe wegen eines Fachbeitrags, der sich derzeit in der "submission phase" befindet, noch heute mit einer Professorin an der NYU in regelmäßigem Kontakt. Diese Art von Betreuung ist in Deutschland fast undenkbar. Unbedingt einen Besuch wert sind zudem die Vorträge und sonstigen Veranstaltungen, welche die Law School fast täglich mit herausragenden Persönlichkeiten aus Recht und Politik zu aktuellen Themen organisiert. Die Law School ist tief in Politik und Justiz verwurzelt und verfügt über einen großen, aktiven Alumnikreis. Sie präsentiert sich daher auch nicht bloß als akademische, sondern als gesellschaftliche Institution. Hier werden öffentliche Diskussionen angestoßen und vorangetrieben und Änderungsprozesse eingeleitet. Die Uni ist ein Ort des Austausches und der Kommunikation und trotz ihres elitären Charakters kein Elfenbeinturm abseits der Gesellschaft. Sicherlich waren manche Erwartungen an das LL.M. Studium überhöht. Andere wurden sogar noch übertroffen. Ob all das nun besser oder schlechter ist als das, was man in Deutschland erleben könnte? Es ist jedenfalls anders, und eine Erfahrung, die den – erheblichen – Aufwand allemal rechtfertigt.

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