Juristenausbildung

Endstation Staatsexamen?

von Constantin KörnerLesedauer: 6 Minuten
Wer die erste juristische Staatsprüfung endgültig nicht besteht, für den ist der Traum vom Anwaltsdasein ausgeträumt. So jedenfalls die landläufige Meinung. Tatsächlich muss man die beruflichen Ambitionen jedoch nicht abschreiben, wenn man den Umweg über das Ausland geht. Philipp Mollenhauer machte diese Erfahrung selbst und entwickelte so auch eine Geschäftsidee.

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LTO: Herr Mollenhauer, Sie haben eine Beratung namens "Staatsexamen Plan B" gegründet. Worin genau besteht ihr Angebot? Mollenhauer: Wer die erste juristische Staatsprüfung endgültig nicht bestanden hat, der erhält von den Universitäten keinerlei Hilfestellung und findet im Internet auch nur sehr schwierig Informationen, die einem weiterhelfen. In dieser Situation möchte ich Studenten zeigen, welche vielfältigen Möglichkeiten sie haben. Insbesondere möchte ich die Leute motivieren, nicht aufzugeben, sondern schnell wieder auf den neuen Weg zu kommen mit so wenig Zeitverlust wie nur möglich. Denn es gibt diverse Möglichkeiten, die auf dem bisherigen Rechtswissenschaftsstudium aufbauen, so dass die abgeleisteten Semester keineswegs umsonst waren. LTO: Wie entstand die Idee für "Staatsexamen Plan B"? Mollenhauer: Nachdem ich selbst die Erfahrung gemacht habe, dass man von der Universität nach endgültigem Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung im Stich gelassen wird, komplett auf sich alleine gestellt ist und nach mehreren Semestern ohne Abschluss dasteht, wollte ich mein so gesammeltes Wissen über Alternativen und wie man ohne viel Zeit zu verlieren, auf den neuen Weg kommt, weitergeben und andere Studenten in dieser Situation motivieren, einen Neuanfang zu starten. Mir wäre damals vieles erleichtert worden, wenn es ein Angebot wie "Staatsexamen Plan B" schon gegeben hätte.

"Ich konnte mein Wissen nicht wirklich zu Papier bringen"

LTO: Sie sagten gerade, dass Sie "selbst die Erfahrung gemacht" hätten, endgültig nicht zu bestehen. Wie kam es denn dazu? Mollenhauer: Ich selbst habe ab 2003 an der Universität Konstanz Jura studiert. Nach acht Semestern habe ich mich zum Freischuss angemeldet, den ich leider nicht bestanden habe, da mir 0,05 Punkte gefehlt haben. Trotz dieser knappen Niederlage habe ich mich schnell wieder motiviert und ein Jahr täglich für den ersten regulären Versuch gelernt. Wegen der Erfahrung des Scheiterns im Freischuss, bin ich dann aber leider viel nervöser in die Prüfung gegangen.  Außerdem gehört zum Bestehen nicht nur Wissen, sondern auch 1/3 Glück und 1/3 Psyche während des Lernens und der Prüfung. Letztlich lag mir das Klausurenschreiben nicht so sehr, da ich trotz eines guten Wissensstands mein Wissen nicht wirklich zu Papier bringen konnte, obwohl mir die Problemstellungen bekannt waren und ich sie mündlich hätte erklären können. Jedenfalls blieben leider auch die beiden regulären Versuche ohne Erfolg. LTO: Jahrelang studiert zu haben und dann ohne Abschluss dazustehen – das ist nicht nur in beruflicher, sondern sicher auch in persönlicher Hinsicht eine sehr schwierige Situation. Wie sind Sie damit umgegangen? Mollenhauer: Dadurch, dass je nach Bundesland 15-35% endgültig durchfallen, weiß man, dass man nicht alleine ist mit diesem Problem. Aber man weiß auch, dass man keinerlei Hilfestellung bekommt. Mein Ziel war es, das Examen unbedingt zu bestehen, was letztlich auch meine Motivation war. Es ist wichtig, dass man für sich selbst weiß, welches Ziel man vor Augen hat und was man bereit ist nach dieser Niederlage im Leben dafür zu geben. Der Gedanke, es mir selbst zu beweisen, hat mich in dieser Phase angetrieben und war auch die größte Erleichterung am Ende.

Ehemaliger Professor gab den entscheidenden Tipp

LTO: Und wie haben Sie Ihr Ziel schließlich doch noch erreicht? Mollenhauer: Ein ehemaliger Professor hat mir den Tipp gegeben, mein Studium in Österreich zu beenden. Dort hat man die Möglichkeit, den Studienabschluss Magister iur. zu erwerben, der mit der deutschen Ersten Juristischen Staatsprüfung vergleichbar ist. Dafür musste ich nicht mal umziehen, weil ich die Lehrveranstaltungen der Universität Linz multimedial von zuhause aus verfolgen konnte. Lediglich zu Prüfungen musste ich persönlich vor Ort sein. LTO: Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht, und bieten anderen Studenten in vergleichbarer Situation inzwischen ein Coaching an. Wie viel muss man dafür bezahlen? Mollenhauer: Zunächst wollte ich die Hilfestellung kostenlos anbieten. Da ich aber doch einige Nebenkosten habe, mein Angebot auch ausweiten möchte, etwa durch Vorträge an Universitäten oder durch die Präsenz auf Jobmessen, und vor allem, um die Leute anzusprechen, die tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an einer Beratung und Hilfestellung auf dem Weg zum Plan B haben, mache ich das nicht mehr. Heute biete ich eine telefonische Beratung an. Diese kostet 29 Euro pro Viertelstunde, wobei man mit einer Länge von fünfzehn bis fünfundvierzig Minuten rechnen sollte. Dabei möchte ich den Betroffenen zum einen ihre Möglichkeiten aufzeigen, möchte mit ihnen aber auch über ihre Interessen sprechen, um individuell für jeden Optionen herauszusuchen. Außerdem plane ich darauf aufbauende Beratungspakete, die umfangreicher sein sollen und eine konkrete Hilfestellung bei der Einschreibung, der Anerkennung von Prüfungsleistungen, der Prüfungsvorbereitung etc. bieten sollen.

Mit ausländischem Abschluss in Deutschland Rechtsanwalt werden

LTO: Können Sie einen kurzen Eindruck vermitteln, welche Perspektiven man grundsätzlich hat, wenn man in Deutschland endgültig durch die Erste Juristische Staatsprüfung gefallen ist? Mollenhauer: Durch das endgültige Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung ist man für alle juristischen Studiengänge an deutschen Universitäten gesperrt, weil der Prüfungsanspruch entfallen ist. Aber es gibt verschiedene Fachhochschulen oder private Hochschulen, an denen man entweder Wirtschaftsjura oder auch eine Kombination aus einem anderen Studiengang mit Jura, zum Beispiel Gesundheitsökonomie, studieren kann. Hier kommt es auf das individuelle Interesse an. Wer weiterhin den Ehrgeiz und die Motivation hat, mit dem Rechtswissenschaftsstudium nicht aufzuhören, dem steht der Weg ins Ausland offen. Je nach Sprachkenntnissen gibt es Möglichkeiten in Belgien, den Niederlanden, Spanien, Großbritannien, Österreich oder der Schweiz. Man darf jedoch nicht die Illusion haben, in zwei Semestern zu einem Abschluss zu kommen. Man sollte mindestens vier bis sechs Semester einplanen. Wenn man dann, etwa in Österreich, den Abschluss als Magister iuris absolviert hat, wie ich das gemacht habe, dann besteht die Möglichkeit, die Zulassung als Europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder sogar auch in Deutschland zu erhalten.

"Studium in Österreich bedeutend günstiger als in Deutschland"

LTO: Kann sich der durchschnittliche Student ein solches Auslandsstudium überhaupt leisten? "Mal eben" nach Österreich oder in die Schweiz umziehen und dort womöglich noch mehrere Jahre studieren – das hört sich nicht gerade günstig an. Mollenhauer: Ein Studium etwa in Österreich ist bedeutend günstiger als in Deutschland. Auch noch, nachdem hierzulande fast alle Bundesländer allgemeine Studiengebühren abgeschafft haben, falls sie überhaupt mal welche erhoben hatten. Auch darf man sich nicht an den Preisen des Skiurlaubes orientieren in den Alpenländern. Die Mieten sind je nach Stadt ebenso teuer oder günstig wie in beliebten oder weniger beliebten Städten in Deutschland. Es muss schließlich nicht immer Wien oder Zürich sein und darüber hinaus hat man auch die Möglichkeit, wie ich bereits sagte, von zuhause aus zu studieren. Aber auch hier kommt es auf die Motivation an, die zweite Chance mit Jura ernsthaft zu betreiben und zügig zu studieren, um die Kosten gering zu halten. LTO: Wie reagieren Betroffene und Universitäten auf Ihr Angebot? Mollenhauer: Direkt, nachdem meine Homepage online war, bekam ich erste Anfragen von Studenten, die sich in der entsprechenden Situation befinden oder sich absichern wollten, falls das Examen in Deutschland wirklich erfolglos bleiben sollte. Ich war überrascht, welch positive Resonanz die Idee fand und wie dankbar jeder war, da man weder im Internet noch von Universitäten Unterstützung oder Hilfe bekommt. Vereinzelt haben Fakultäten und Fachschaften ihr Interesse gezeigt, so dass ich zum Semesterbeginn einen Vortrag plane, um Studenten zu zeigen, welche Alternativen es zur ersten juristischen Staatsprüfung gibt. Viele Studenten sind immer überrascht, welche Möglichkeiten sie doch noch haben und sich dabei mehr an ihren Interessen abseits von Jura orientieren können. Auch höre ich von Leuten, die einen anderen Weg eingeschlagen haben, dass sie dankbar gewesen wären, wenn es zu ihrer Zeit eine solche Beratung bereits gegeben hätte. LTO: Herr Mollenhauer, wir danken Ihnen für das Gespräch. Das Interview führte Constantin Körner.

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