Mit dem Smartphone in die Vorlesung

Und Action, Herr Professor!

von Tobias Kohl, LL.M.Lesedauer: 3 Minuten
Welcher Student kennt das nicht: Die Party gestern ging lang und die Vorlesung um acht Uhr beginnt einfach zu früh. Warum also nicht einen pflichtbewussten Kommilitonen bitten, die Veranstaltung mit dem Smartphone zu filmen und erst am Nachmittag erfahren, welcher Prüfungsstoff in der Klausur abgefragt wird? Ganz so einfach ist das allerdings nicht, erklärt Tobias Kohl.

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Wer früher eine Lehrveranstaltung versäumte, bat einen Kommilitonen um seine schriftlichen Aufzeichnungen oder kaufte sich bereits zu Semesterbeginn eine Mitschrift der Vorlesung aus dem Vorjahr bei der Fachschaft. Dank des technischen Fortschritts könnte heute alles viel einfacher sein: Mit dem Smartphone lassen sich Folien abfotografieren oder gleich die ganze Vorlesung als Video festhalten. Innerhalb von wenigen Sekunden sind die Aufnahmen per Mail an die verkaterten Kollegen verschickt und auf Facebook oder Twitter mit Freunden, wenn nicht gar der ganzen Onlinewelt geteilt. Doch wie so oft gilt: Was technisch einfach ist, kann juristisch heikel sein.

Ohne Zustimmung keine Verwertung

Wissenschaftliche Erkenntnisse, Methoden und Theorien genießen wegen des Freihaltebedürfnisses zwar keinen urheberrechtlichen Schutz. Das gilt aber nicht für die konkrete Darstellung eines wissenschaftlichen Inhalts. Gemäß § 2 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) setzt ein Werk eine persönliche geistige Schöpfung voraus. Wird der Prüfungsstoff also vom Dozenten auf Präsentationsfolien mit Bildern, Diagrammen, Skizzen und Tabellen anschaulich dargestellt, so handelt es sich bei diesen regelmäßig um urheberrechtlich geschützte Werke.   Als Urheber der Folien stehen dem Dozenten die Verwertungsrechte zu. Er kann darüber entscheiden, ob sie vervielfältigt (§ 16 UrhG) oder öffentlich wiedergegeben (§ 15 Abs. 2 UrhG) werden dürfen. Aufzeichnungen und Veröffentlichungen der urheberrechtlich geschützten Folien bedürfen also der Zustimmung des geistigen Schöpfers. Wer das missachtet, der muss sogar mit strafrechtliche Konsequenzen rechnen (§ 106 UrhG).

Besser keine Foto-, Film- oder Tonaufnahmen

Foto- und Filmaufnahmen einer Vorlesung berühren jedoch nicht nur das Urheberrecht. Auch die allgemeinen Persönlichkeitsrechte des Dozenten oder der Kommilitonen können verletzt werden. Weder der Professor noch die Besucher der Vorlesung müssen hinnehmen, dass Aufnahmen, auf denen sie zu sehen sind, ungefragt verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Auch hier droht, neben der Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen durch die Verletzten, eine strafrechtliche Sanktionierung. Gemäß § 33 Kunsturhebergesetz kann diese im Höchstmaß eine einjährige Freiheitsstrafe ausmachen. Ähnliches gilt für Tonaufnahmen. Gemäß § 201 des Strafgesetzbuches (StGB) ist weder das heimliche Aufnehmen des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes noch das spätere Abspielen der Aufnahmen zulässig. Derartige Aufnahmen verletzen den Sprecher in seinem Recht am eigenen Wort. Jedermann kann selbst bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll (Bundesgerichtshof, Urt. v. 18.02.2003, Az. XI ZR 165/02). Ein Dozent richtet sich mit seinem Vortrag in der Regel nur an seine Studierenden und damit an einen nicht-öffentlichen Personenkreis. Wüsste er, dass sein Vortrag die Öffentlichkeit erreicht, würde er seine Inhalte eventuell anders wählen oder vorsichtiger darstellen.

Jura goes Social Media

In allen Fällen gilt jedoch, dass die Tat nur auf Antrag – beim § 106 UrhG auch bei besonderem öffentlichen Interesse – verfolgt wird. Wer also einen entspannten Professor hat, der muss wohl nicht mit ernsten Folgen rechnen. Im kleinen Stil können Vorlesungsinhalte ohnehin reproduziert werden. Ein knackiges – vielleicht auch besonders gehässiges – Zitat des Dozenten etwa eignet sich häufig für einen Twitter-Post. Auch wenn das nicht allen Zitierten gefallen wird, dürfte dies in den meisten Fällen rechtlich unproblematisch sein. Ein Beispiel aus Trier zeigt, dass Twittern in der Vorlesung sogar erwünscht ist. Die Studierenden der Medienwissenschaft können während der Veranstaltungen anonym Fragen über den Kurznachrichtendienst stellen. Ganz so weit sind die Juristen noch nicht. Aber immerhin nutzen bereits einige Rechtsprofessoren den Kurznachrichtendienst zur Vor- und Nachbereitung ihrer Lehrveranstaltungen. Der Autor Tobias Kohl, LL.M. ist Rechtsanwalt in Köln.

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