Client Interviewing

Süchtige Ärzte entscheiden Weltmeisterschaft

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Drogenabhängige Ärzte, sexuell belästigte Bankmitarbeiterinnen: Im Finale des Brown-Mosten-Wettbewerbs zum Client Interviewing simulierten Jurastudenten Erstgespräche mit verzweifelten Mandanten. Erstmals kämpften deutsche Teilnehmerinnen um den Weltmeistertitel – und landeten auf Anhieb auf dem zweiten Platz. Anna K. Bernzen sprach mit den Kölner Studentinnen über ihren Vize-Titel.

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So richtig hatte im Saal des Dubliner Sandsteingebäudes der Irish Law Society niemand mit diesem Finale gerechnet: Als Luise Bühler und Deborah Irrgang ganz vorne am nüchternen Holztisch Platz nehmen, die mitgebrachten deutschen Arbeitsgesetze ablegen und ihrem Mandanten die Hand schütteln, haben sie daher bereits ein bisschen gewonnen. Dass sie im Kampf um die Weltmeisterschaft im Client Interviewing letztlich dem Team aus Neuseeland unterliegen werden, stört da kaum noch. Die Kölner Studentinnen sind die ersten Deutschen, die am Brown-Mosten-Wettbewerb teilnehmen. Die ersten Deutschen, die in vier Runden gegen Studenten aus 22 Ländern von Russland über Puerto Rico bis in die Türkei das Erstgespräch mit einem verzweifelten Mandanten simulieren. Nur rund eine Woche Vorbereitung haben die Studentinnen im Vorfeld in den Wettbewerb investiert. Den Sachverhalt fürs Finale hatten sie nicht vorbereitet, so gering hatten sie ihre Chancen eingeschätzt. "Als wir in Dublin ankamen, kannten wir noch nicht einmal die Regeln des internationalen Wettbewerbs", sagt Deborah und Luise ergänzt: "Wir hatten fest damit gerechnet, in der ersten Runde rauszufliegen, und waren deshalb lange Zeit kaum nervös." Zur Teilnahme hatten sich die beiden recht spontan entschlossen: Die Weltmeisterschaft ist in Staaten wie den USA, Australien, Nigeria oder China, die jedes Jahr Teilnehmer entsenden, zwar sehr bekannt. Die Studenten dort müssen teilweise an bis zu 40 Vorrunden teilnehmen, um sich fürs Finale zu qualifizieren. In Köln gab es dagegen lediglich einen universitätsinternen Vorentscheid – den einzigen in Deutschland.

Mit YouTube lange Vokabellisten erstellt

Mithilfe von Videos der Vorjahresgewinner, die auf YouTube zu finden waren, erstellten Luise und Deborah nach Ihrem Sieg in Köln erst einmal Vokabellisten. Darauf zu finden: Sätze wie "Haben Sie gut hergefunden?", "Dürfen wir uns Notizen machen?" und Hinweise auf die Schweigepflicht. Mit zwei Freunden simulierten sie anschließend Mandantengespräche. In diesem Jahr kamen alle Fälle, die nach nationalem Recht der jeweiligen Teilnehmer gelöst werden, aus dem Bereich des Arbeitsrechts – praktischerweise dem Studienschwerpunkt der beiden. Im Finale ging es etwa um einen drogensüchtigen Arzt, der einem Mitarbeiter mit der Kündigung drohte, sollte der seine Abhängigkeit melden. Dabei hatte der Krankenpfleger bereits mehrere durch den suchtkranken Vorgesetzten verursachte Todesfälle beobachtet. Doch so kurz und knapp wird der Fall für die Teilnehmer im Vorfeld nicht zusammengefasst: Nur mithilfe eines wenige Stichworte langen Memos versuchen die Studenten, sich auf den juristischen Schwerpunkt des Falls vorzubereiten. Dass das häufig eher ein heiteres Rätselraten ist, zeigte sich auch im Finalfall: Auf dem Memo stand da unter anderem das Stichwort "Chemikalien". Einen verunsicherten Krankenpfleger hatten Luise und Deborah sich darunter nicht vorgestellt. Ganz wie im realen Mandantengespräch hieß es für die Kölnerinnen im Wettbewerb dennoch: ruhig bleiben und vor allem den Mandanten beruhigen. Der musste den angehenden Anwältinnen schließlich weit genug vertrauen, um seinen Fall inklusive unangenehmer Details zu erläutern. "Man muss professionell und sympathisch auftreten, dabei aber auch juristisch überzeugen", so beschreibt Luise die Anforderungen. Und das unter Zeitdruck, denn länger als eine halbe Stunde darf kein Team mit seinem Mandanten sprechen. Eine echte Herausforderung, wenn eine Bankangestellte, zwar von ihrem Chef sexuell belästigt wird und deshalb den Tränen nahe ist, aber eben auch Gelder der Bank in Höhe hunderttausender Euros veruntreut hat – so ge-schehen im Halbfinale.

Die Neuseeländer: entspannt. Die Deutschen: effizient.

Während die Neuseeländer, die den Wettbewerb gewannen, durch ihre entspannte und sympathische Art überzeugten und die Chinesen, die auch im Finale standen, besonders gut zuhören konnten, wurden die deutschen Teilnehmerinnen für ihre effiziente Gesprächsführung gelobt: "Wir haben viele, kleine Nachfragen gestellt. So haben die Mandanten gar nicht gemerkt, wie schnell sie uns alles erzählt hatten", sagt Deborah. Dass sie ihre Gespräche stets fünf Minuten vor Ablauf der Zeit beenden konnten, gab ebenfalls Pluspunkte. Dabei konnten die Richter, allesamt in angloamerikanischen Rechtssystemen zuhause, von den Studentinnen sogar noch etwas lernen: Dass ein Erstgespräch in Deutschland anders als in den übrigen Teilnehmerstaaten kostenpflichtig ist zum Beispiel. Mit dem Zusatz "In German law..." mussten die beiden häufiger eine kurze Einführung ins deutsche Recht geben. Wie unterschiedlich die Rechtssysteme in der Praxis sind, bemerkten Luise und Deborah aber auch an der Gesprächsführung. Während im deutschen Vorentscheid vor allem die juristische Lösung des Falls den Teilnehmern Kopfzerbrechen bereitete, waren ethische Probleme im Finale von größerer Bedeutung. "Wir haben uns gefragt: Sollen wir unsere anwaltliche Verschwiegenheitspflicht brechen und den drogensüchtigen Arzt melden?", so Deborah. Egal wie sich die Teilnehmer entschieden, bei jedem Schritt hieß es, den Mandanten an die Hand zu nehmen: "Wie gehen wir vor? Was erwarten wir vom Mandanten, welche Unterlagen muss er uns noch vorlegen, damit wir eine ordentliche Beweisführung hinbekommen? Wann treffen wir uns für das nächste Gespräch?", zählt sie auf. Auch wenn der Sieg schließlich an die entspannten Neuseeländer ging: Als erste deutsche Teilnehmer gehen Luise und Deborah in die Annalen des Wettbewerbs ein. Frühere Versuche der Organisatoren, Berliner Universitäten oder die Bucerius Law School in Hamburg für den Brown-Mosten-Wettbewerb zu gewinnen, waren gescheitert. Die Kölner Teilnehmerinnen wollen nun das Client Interviewing auch über die Domstadt hinaus bekannt machen und bald eine bundesweite Vorrunde ausrichten.

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